NACHHALTIGKEIT

"Bei der Anlage in Investmentfonds durch Kunden lehnen wir Bevormundung ab" - Interview mit Markus Müller

Markus Müller, Foto: Sparda-Bank Hessen eG

Bankkunden achten vermehrt darauf, wie nachhaltig ihre Bank agiert, meint Markus Müller. Auch die Nachfrage nach nachhaltigen Geldanlagen steigt - und für Klima und Umweltschutz werden Anlageentscheidungen zunehmend gegen renditestärkere Anlagen getroffen. Dennoch ist es Müller wichtig, dass die Entscheidung darüber, wie sie ihr Geld anlegen, beim Kunden bleibt. Verhaltenssteuerung durch Regulierung - ob bei der Geldanlage oder im Kreditgeschäft - sei niemals der richtige Weg. Auch die im Dezember beschlossene Taxonomie bei Investmentfonds bewertet Müller skeptisch - vor allem, weil es keine klare Definition von "Nachhaltigkeit" gibt. Red.

Ganz allgemein: Welche Aspekte gehören zu einer nachhaltigen Finanzwirtschaft - und wo stehen wir da heute?

Zunächst ist festzuhalten, dass die Finanzwirtschaft hier in der gleichen Verantwortung steht wie alle Akteure in einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung. Ihre Wirtschaftstätigkeit muss einen positiven Beitrag für ihre Kunden liefern. Darüber hinaus muss dieser Beitrag auch langfristig mit den Rahmenbedingungen für unser Zusammenleben auf diesem Planeten vereinbar sein. Daraus ergibt sich bereits, dass der kurzfristige Fokus auf Gewinnmaximierung für nachhaltiges Handeln nicht hilfreich ist.

Meines Erachtens darf die Finanzwirtschaft und deren Regulierung aber auch nicht dazu benutzt werden, die Umsetzung bestimmter Ideen von Nachhaltigkeit durchzusetzen. Hier müssen im politischen Prozess die richtigen Rahmenbedingungen für nachhaltiges Wirtschaften geschaffen werden. In der Politik scheint aber die Sympathie mehr aufseiten von Ge- und Verboten zu liegen als beim Vertrauen auf marktwirtschaftliche Anpassungsprozesse bei vorgegebenen Rahmenbedingungen.

Als Genossenschaftsbank mit unserer langfristigen Ausrichtung auf die Kunden in Hessen und dem Angebot von Baufinanzierungen, Geldanlagen und kostenlosen Girokonten dienen wir unseren Kunden. Für unsere Eigenanlagen und den Geschäftsbetrieb stehen wir in der Verantwortung für die angemessene Nachhaltigkeit. Bei den Anlagen in Investmentfonds durch unsere Kunden lehnen wir eine Bevormundung ab. Wir bieten alle Fonds unseres genossenschaftlichen Partners, der Union Investment an, der Kunde entscheidet, ob er spezielle nachhaltige Fonds kauft oder nach anderen Kriterien anlegt.

Wie wichtig ist es heute für eine Bank, nachhaltig zu agieren?

Es war zu allen Zeiten wichtig, nur findet es heute mehr Beachtung. Als Genossenschaftsbank sind wir seit über 100 Jahren auf die langfristige Förderung unserer Mitglieder ausgerichtet und passen uns kontinuierlich an die technologischen Möglichkeiten und wirtschaftlichen Gegebenheiten an.

Nachhaltigkeit ist für Banken kein neues Thema. Zumindest beim Papier- oder Stromverbrauch hat die Branche das Thema ja schon relativ lange auf der Agenda. Jetzt kommt die Anlagenseite in den Blick. Wie ist die Sparda-Bank Hessen hier aufgestellt?

Unser Partner Union Investment hat mittlerweile zahlreiche nachhaltige Fonds im Angebot. So ist es auch für Kleinanleger problemlos möglich, nachhaltig zu investieren. Und selbstverständlich achten wir auch im Eigengeschäft darauf, nachhaltig zu investieren. Zum Jahresende 2019 lag der Anteil der nachhaltigen Anlagen bei 94,9 Prozent. Der durchschnittliche ESG-Score unserer Spezialfonds liegt bei 49,8 und damit deutlich über dem Durchschnittswert bei Aktienindizes.

Inwieweit spielt nachhaltiges Agieren einer Bank für die Markenwahrnehmung eine Rolle? Achten Kunden heute auf so etwas? Lassen sich dadurch noch Sympathiepunkte sammeln - oder ist Nachhaltigkeit quasi schon zum "Hygienefaktor" geworden, den Kunden selbstverständlich erwarten?

Nach unserer Erfahrung achten die Kundinnen und Kunden vermehrt auf diesen Aspekt. Die Sparda-Bank Hessen blickt da ja nun schon auf eine sehr lange Tradition, vor allem im Bereich der sozialen Nachhaltigkeit zurück. Bereits seit vielen Jahren tun wir eine Menge dafür, dass das Leben in Hessen lebenswert ist und bleibt. Dazu gehört selbstverständlich die Unterstützung von Menschen, Vereinen und Initiativen, die sich für die Gemeinschaft stark machen. Die Zuwendungen aus Mitteln des Gewinn-Sparvereins, immerhin rund 1,6 Millionen Euro jährlich, sind im besten Sinnen sozial nachhaltiges Engagement. Das nehmen die Menschen wahr und honorieren dies auch. Wir sind die Bank mit der besten Reputation, jedenfalls hat uns das Focus Money im vergangenen Jahr bescheinigt. Dazu trägt unser soziales Engagement einen wesentlichen Anteil bei.

Wenn Dinge, die wir tun, als zu selbstverständlich wahrgenommen werden, entwickeln wir uns weiter. So haben wir im vergangenen Jahr die Initiative für soziale Nachhaltigkeit "Mensch Zukunft!" auf den Weg gebracht. Wir haben in diesem Zusammenhang eine Studie in Auftrag gegeben und eine Podiumsdiskussion veranstaltet. Auch in diesem Jahr werden wir die Initiative mit innovativen Aktionen und Events weiterentwickeln. Nachhaltigkeit gehört für uns also zum Markenkern - das erkennen und schätzen unsere Kundinnen und Kunden, aber auch unsere Kooperations- und Geschäftspartner.

Fragen Kunden inzwischen aktiv nach nachhaltigen Geldanlagen? Oder muss man hier Überzeugungsarbeit leisten?

Nachhaltige Geldanlage ist ein großes Thema. Nicht zuletzt die Diskussionen um den Klimawandel und die "Fridays for Future"-Bewegung haben etwas mit den Menschen gemacht. Die Nachfrage steigt kontinuierlich. Wir sind sehr froh darüber, dass wir mit Union Investment einen Partner im Fondsbereich haben, der sich gerade hier durch eine große Expertise und ein breites Produktportfolio auszeichnet. In der Zeit von November 2019 bis Februar 2020 haben wir unseren Kunden erfolgreich eine Rückgabegarantie auf Sparpläne in Aktienfondsangeboten. Hier konnten sie auf sämtliche Aktienfonds der Union Investment zurückgreifen - und gut ein Drittel des Anlagevolumens ist in nachhaltige Fonds geflossen.

Ein Blick auf die zugeflossenen Mittel in nachhaltige Fonds in den vergangenen Jahren zeigt einen deutlichen Trend nach oben. Wenn Kunden mehr über nachhaltige Fondsanlagen wissen möchten, werden sie beraten. Die Entscheidungen treffen jedoch sie.

Was ist Kunden wichtiger: Nachhaltigkeit oder Rendite?

Hier gibt es keinen Widerspruch. Allerdings beobachten wir, dass für Klima- und Umweltschutz auch Entscheidungen gegen mutmaßlich renditestärkere Geldanlagen getroffen werden. Immer häufiger bilden ethische Grundsätze die Basis für Geldanlageentscheidungen.

Die neue EU-Kommission hat sich Nachhaltigkeit groß auf die Fahnen geschrieben. Erwarten Sie davon eine neue Regulierungsflut?

Ja, solche Themen werden gerne aufgegriffen, um sich politisch zu profilieren. Aber entscheidend wäre nur eine Rahmensetzung, die allerdings bereits durch die verschiedenen Initiativen wie den Deutschen Nachhaltigkeitskodex oder die ESG-Kriterien im Geldanlagebereich gelungen ist. Verhaltenssteuerung durch Regulierung ist niemals der richtige Weg.

Wie bewerten Sie die bisherige Taxonomie?

Die Ende Dezember beschlossene neue EU-Taxonomie will definieren, was ökologisch nachhaltige Aktivitäten und Investments sind. Zunächst geht es nur um ökologische Nachhaltigkeit, Kriterien für soziale Nachhaltigkeit sollen folgen. Die Evaluierungskriterien sollen ab 2023 greifen. Manche Medien feiern das als Meilenstein, doch es gibt nach wie vor Konfliktpotenzial.

Dr. Bert van Roosebeke vom Centrum für europäische Politik kritisiert beispielsweise, dass es aufgrund unterschiedlicher Präferenzen der Anleger keine allgemeine Definition für "Nachhaltigkeit" geben könne. Er befürchtet außerdem, dass der bürokratische Aufwand für Unternehmen und Banken zur Einhaltung von Transparenzpflichten sehr hoch sein wird. Außerdem sei noch unklar, wie die abstrakten Kriterien der Taxonomie konkretisiert werden. Tatsächlich sind viele Detailfragen offen. Beispielsweise, ob Atomstrom als nachhaltig eingeordnet werden kann oder nicht.

Konsequent weitergedacht, müsste Nachhaltigkeit auch auf das Kreditgeschäft angewendet werden - etwa indem der Kreditzins für einen SUV höher ausfällt als für ein Elektrofahrzeug. Lässt sich das ohne entsprechende gesetzliche Vorgaben überhaupt erreichen?

Damit sprechen Sie direkt die Verhaltenssteuerung an, die eben die Verantwortung des Einzelnen ersetzen soll und ein Wissen unterstellt, das nicht allgemeingültig sein kann. Es gibt beispielsweise SUVs, die als Hybrid der Umwelt sowie den Wünschen und Transportanforderungen des Besitzers besser gerecht werden als reine Elektrofahrzeuge. Daher stellt sich immer die Frage nach den Bewertungskriterien für die Ökobilanz von Produkten und Prozessen.

In Deutschland gibt es ja bereits einige "grüne" Banken, bei denen Nachhaltigkeit im Sinne von Klimaschutz seit jeher zum Geschäftsmodell gehört. Inwieweit kann sich eine "normale" Genossenschaftsbank diesem Geschäftsmodell annähern - vor allem, wenn sie sich allein auf das Privatkundengeschäft konzentriert?

Die Banken, die Sie meinen, bedienen eben nur eine spezielle Klientel. Wir bilden aber das gesamte Privatkundenspektrum ab.

Die Digitalisierung des Bankgeschäfts spart an manchen Stellen CO2 -Emissionen ein - etwa, indem Unterlagen nicht mehr in physischer Form transportiert werden müssen oder wenn bei mehr bargeldlosen Zahlungen Bargeldtransporte weniger werden. Gleichzeitig steigt durch die Digitalisierung allerdings auch der Stromverbrauch, vor allem durch die Übertragung von immer mehr Daten. Wie passt das mit dem Ziel der Nachhaltigkeit zusammen? Wie sieht unter dem Strich die Ökobilanz aus?

Die Digitalisierung des Bankgeschäfts ist zum einen ein Prozess, der seit Jahren kontinuierlich stattfindet. Zum anderen ist es kaum möglich, festzustellen, in welchem Umfang der Stromverbrauch durch Datentransfer prozentual gestiegen ist. Deshalb ist es schwierig, eine speziell darauf ausgerichtete Ökobilanz zu erstellen. Auch hier stellt sich wieder die Frage nach den Bewertungskriterien.

Zudem setzen wir darauf, dass technischer Fortschritt immer die Steigerung der Energieeffizienz einschließt. Unter herkömmlichen Kriterien betrachtet, machen wir einiges, um CO2-Emissionen einzusparen. Wir beziehen zu 99 Prozent Ökostrom, die 100-Prozent- Marke werden wir demnächst erreichen. Darüber hinaus produzieren wir an unserem Hauptsitz im Frankfurter Europaviertel Strom mit einer Photovoltaikanlage. Da kommen pro Jahr fast 5 000 Kilowattstunden zusammen. Das ist immerhin genug, um einen Drei-Personen-Haushalt ein Jahr lang zu versorgen.

Markus Müller, Vorsitzender des Vorstands, Sparda-Bank Hessen eG, Frankfurt am Main

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