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"Bezahlen 2020 - Regeln für die digitale Sepa 2.0" Interview mit Andreas Krautscheid

Andreas Krautscheid, Mitglied der Hauptgeschäftsführung, Bundesverband deutscher Banken e. V., Berlin

Quelle: Bundesverband deutscher Banken e. V.

Im März will die EU-Kommission einen Aktionsplan zur Schaffung eines europäischen Binnenmarktes bei Finanzdienstleistungen für Privatkunden vorlegen. Gesetzesvorhaben für die digitale Sepa 2.0 stehen jedoch derzeit nicht an. Deshalb hat der Bankenverband ein Positionspapier vorgelegt, in dem die privaten Banken ihre Vorstellungen umreißen, wie künftige Regelungen aussehen sollten. Keinen Regelungsbedarf sieht man bei Instant Payments. Dagegen sollten für das Mobile Payment - analog zur PSD2 - Schnittstellen vorgesehen werden, die die Gerätehersteller für andere Anbieter öffnen müssen. Und bei Online-Marktplätzen sollten die Marktplatzleistungen generell von den Zahlungsfunktionalitäten getrennt werden, um Wettbewerbsgleichheit zu schaffen. Red.

Im Kontext mit dem Ziel, einen digitalen Binnenmarkt in der EU zu schaffen, hat die EU-Kommission auch Ziele für einen digitalen Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen definiert. Dazu gehört auch das Bezahlen. Welche Gesetzgebungsvorhaben stehen konkret an, um eine digitale Sepa 2.0 zu realisieren? Und was müsste nach Einschätzung des Bankenverbands noch oder noch rascher auf den Weg gebracht werden?

Auf EU-Ebene stehen derzeit keine Gesetzgebungsvorhaben an. Deshalb geht der Bankenverband im Diskussionsprozess in Vorlage, wir wollen den digitalen Binnenmarkt voranbringen.

Es geht um viel mehr als Sepa 2.0. Die privaten Banken wollen einen digitalen europäischen Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen und da fehlt es an vielem. Wir erwarten im März von der EU-Kommission einen Aktionsplan zu Finanzdienstleistungen für Privatkunden. Damit die Diskussion hier in die richtige Richtung läuft, wollen wir die Debatte möglichst früh anstoßen. Dazu haben wir eine Vision "Digitales Bezahlen 2020" vorgelegt; lassen Sie mich die wichtigsten Punkte kurz herausgreifen:

- Die sogenannten Onboarding-Prozesse müssen für den Verbraucher vereinfacht werden.

- Online-Marktplatz-Leistungen und Zahlverfahren gehören im E-Commerce entkoppelt - Stichwort Unbundling.

- Der Zugang zu essenziellen Infrastrukturen für M-Payments sollte gewährleistet sein.

- Die Bedingungen für datenbasierte Geschäftsmodelle - Stichwort Smart Data - sollten einen fairen Wettbewerb ermöglichen.

- Es muss überdacht werden, in wieweit gesetzliche Zahlungsmittel erweitert werden sollten.

Sie haben es schon angesprochen: Im E-Commerce steht Verbrauchern meist eine ganze Palette an Bezahlverfahren zur Verfügung. Wo sehen Sie hier noch Einschränkungen?

Zum einen kann es nicht sein, dass Anbieter von Online-Marktplätzen wie Amazon oder Ebay mit ihrer extremen Marktmacht kleineren Online-Händlern wesentliche Funktionalitäten vorgeben - inklusive einer vorselektierten Auswahl an Zahlverfahren. Teilweise schreiben sie sogar die Nutzung ihrer eigenen Zahllösung im Rahmen eines gebündelten Leistungsangebots verbindlich vor (sogenanntes Produkt-Bundling beziehungsweise -Tying). Dadurch wird jedoch der Wettbewerb für Anbieter von Online-Zahldiensten verzerrt - der Kunde hat keine Wahl.

Und: Hersteller mobiler Endgeräte (zum Beispiel Smartphones, Tablets, Wearables) halten Patente zu Komponenten ihrer Produkte, die für M-Payments benötigt werden. Diese Kontrolle nutzen einige Hersteller aus, um ihre proprietären Zahllösungen (zum Beispiel Apps) zu bevorzugen. Dadurch schließen sie die Möglichkeit für Drittanbieter aus, Gerätekomponenten beziehungsweise Patente zu nutzen, um weitere Zahllösungen anzubieten. In einem konzentrierten Markt für mobile Endgeräte führt dies zu einem beeinträchtigten Wettbewerb für M-Payments. Auch hier hat der Kunde keine Wahl. Das sollte sich ändern.

Der Bankenverband fordert außerdem datenbasierte Geschäftsmodelle für den E-Commerce. Was genau verstehen Sie darunter? Wie könnten Regelungen aussehen?

In Europa wie gerade auch in Deutschland ist Datenschutz ein hohes Gut und für die Banken selbstverständlich. Hier leistet die EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) einen wesentlichen Beitrag, um für die Verbraucher Transparenz und Kontrolle ihrer Daten zu gewährleisten. Auch Unternehmen wie Amazon, Google, Facebook oder Apple werden hiervon künftig erfasst. Allerdings brauchen wir Präzisierungen und Transparenzregelungen, die einheitlich für alle Zahlungsdiensteanbieter (im Sinne der PSD2) gelten. Nur so können gleiche Wettbewerbsbedingungen für die verschiedenen Geschäftsmodelle erreicht werden.

Zur Vereinfachung von Registrierungsvorgängen für Zahlungsdienste wollen Sie den Austausch von Legitimations- beziehungsweise KYC-Daten zwischen Zahlungsdiensteanbietern ermöglichen. Schafft das nicht auch neue Risiken und Missbrauchsmöglichkeiten?

Aktuell müssen sich Kunden bei jeder neuen Registrierung für Zahlungsdienste individuell gegenüber dem Anbieter legitimieren. Das sollte einfacher gehen. Warum ist es nicht möglich, Legitimations- beziehungsweise KYC-Daten zwischen lizenzierten Zahlungsdiensteanbietern auszutauschen? Dies setzt allerdings (mittelfristig) eine Standardisierung der Inhalte, Formate und Aktualisierungszyklen auf EU-Ebene voraus. Unter dieser Voraussetzung unterliegen dann auch alle Anbieter den gleichen hohen gesetzlichregulatorischen Anforderungen zur Legitimierung. Neue Risiken und Missbrauchsmöglichkeiten kann man so minimieren.

Wozu brauchen verbreitete unbare Zahlverfahren die Anerkennung als gesetzliche Zahlungsmittel?

Gemeint sind in diesem Fall Zahlverfahren an Kassen sowie Terminals und es geht uns hier vor allem um Funktionalität - für Kunde, Bank und Handel. Es sollte überdacht werden, ob in Zukunft Händler zusätzlich zu Bargeld mindestens ein weiteres unbares Zahlverfahren anbieten müssen (zum Beispiel Girocard oder Kreditkarten).

Befeuert eine solche Forderung nicht den Widerstand gegen die befürchtete Abschaffung des Bargelds und ist insofern eher kontraproduktiv?

Nein. Die Banken orientieren sich selbstverständlich weiterhin an den Bedürfnissen der Kunden. Dazu gehört neben einem breiten Angebot an unbaren Zahlungsmitteln auch die Versorgung mit Euro-Scheinen und Münzen. Gerade wir Deutschen sind da ja sehr bargeldaffin. Dem tragen wir Banken natürlich Rechnung.

In Sachen Bargeldversorgung fordern Sie unter anderem die Aufhebung kartellrechtlicher Schranken bei bankübergreifenden Kooperationen oder solchen mit Dritten. An welcher Stelle behindern solche Schranken bislang neue Ansätze?

Es geht uns hier in erster Linie um Funktionalität und Komfort für die Kunden. Das heißt in diesem Fall: Verbraucher sollen weiter günstig und ortsnah an Bargeld kommen (zum Beispiel auch in Tankstellen, Supermärkten). Dazu sollten Banken weitreichende Kooperationen offenstehen, sowohl bankübergreifend als auch mit Dritten.

Ist die Bargeldversorgung 2020 noch eine Kernaufgabe der Kreditwirtschaft?

Deutschland ist nach wie vor "Bargeldland". Und Barzahlungen werden hierzulande noch über Jahre einen signifikanten Anteil am Zahlungsmix ausmachen. Bei der Bargeldversorgung entstehen vielfältige Kosten, die zu einem großen Teil bei den Banken hängen bleiben.

Gestiegene regulatorische Anforderungen und eine perspektivisch abnehmende Nachfrage verlangen, dass die Banken bestehende Strukturen immer wieder infrage stellen und anpassen, innovative Geschäftsmodelle entwickeln und neue Kooperationen eingehen. Klar ist: Eine Abschaffung des Bargelds, etwa um geldpolitische Ziele durchzusetzen, ist nicht in unserem Sinne.

Für das mobile Bezahlen fordert der Bankenverband, für Zahlungsdiensteanbieter ein Zugangsrecht zu denjenigen Komponenten ihrer Produkte, die für M-Payments benötigt werden. Die Forderung scheint konsequent. Aber ist es nicht wahrscheinlich, dass eine Verpflichtung der Hersteller mobiler Endgeräte, Drittanbietern einen solchen Zugang zu gewähren, endlose Rechtsstreitigkeiten mit den großen Anbietern provozieren würde? Und könnte das Mobile Payment unter solchen Bedingungen wirklich davon profitieren?

Nein, das sehen wir nicht. Die neue europäische Zahlungsdiensterichtlinie PSD2 macht doch vor, wie es gehen kann: In ihr werden bei Banken dezidierte Schnittstellen für Drittanbieter geöffnet und klar definiert.

Braucht das mobile Bezahlen auch Standards für mobile Endgeräte wie Fingerabdruckscanner oder NFC-Fähigkeit? Oder setzen sich solche Entwicklungen nicht vielmehr von selbst durch?

Zum Teil existieren entsprechende Standards (etwa NFC) bereits, die sich derzeit Schritt für Schritt im Markt verbreiten. Die Digitalisierung erhöht hier das Umsetzungstempo massiv. Die privaten Banken investieren hier hohe Summen, um eigene Entwicklungen oder mit Fintechs gemeinsam erarbeitete Anwendungen voranzubringen.

Welche Maßnahmen sind erforderlich, um das Vertrauen der Verbraucher in das digitale und besonders das mobile Bezahlen zu stärken, ohne die Nutzerfreundlichkeit zu beeinträchtigen?

Wer das Vertrauen der Verbraucher in digitales Bezahlen steigern will, sollte dies zum einen durch Mindestsicherheitsstandards für Endgeräte und zum anderen durch verbraucherfreundliche, alternative Formen der starken Authentifizierung (zum Beispiel verhaltensbasierte, passive Verfahren) tun. Nur wenn die Kunden mobile Bezahlverfahren akzeptieren, werden sich diese auch am Markt durchsetzen.

Bei Instant Payments ist nach Einschätzung des Bankenverbands keine regulatorische Intervention erforderlich. Warum?

Die Entwicklung eines paneuropäischen Verfahrens wird von öffentlichen Instanzen und Branchenakteuren bereits kooperativ vorangetrieben. Einsatzgebiete für dieses Verfahren, aber auch für alternative Echtzeitzahlsysteme, werden sich dabei am tatsächlichen Verbraucherbedarf und -nutzen orientieren. Entscheidend ist hier, dass eine Infrastruktur aufgebaut wird, die alle Banken untereinander erreichbar macht. Nur dann entsteht hinreichender Kundennutzen. Wir erwarten, dass Echtzeitzahlverfahren die heutigen Sepa-Verfahren für Überweisungen und Lastschriften in Situationen ergänzen werden, in denen diese Verfahren den Bedarf des Verbrauchers unzureichend decken; zum Beispiel bei Zahlungen von Person an Person - P2P.

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