Europa - Last und Chance zugleich

Swantje Benkelberg, Quelle: Fritz Knapp Verlag

Bei der Bankenregulierung ist der Höhepunkt überschritten. Dieser Aussage stimmten bei der Befragung für den Branchenkompass Banking von Steria Consulting 58 Prozent der Banker voll oder eher zu. Das heißt freilich nicht, dass Regulierung und Compliance die Branche nicht weiterhin massiv beschäftigten würden. Vor allem die regionalen Kreditinstitute in Deutschland dürfen sich mit einem gewissen Recht als Bauernopfer betrachten, das auf dem Altar Europas dargebracht wird. Dabei erwiesen sich gerade Volksbanken und Sparkassen in Zeiten der Finanzkrise als stabiles Element des Bankgewerbes. Dennoch leiden auch (und teilweise sogar vor allem) sie unter der Last der Regulierung, die - vorrangig mit Blick auf die großen, systemrelevanten Institute - dazu gedacht ist, die europäische Finanzindustrie wetterfest zu machen.

Proportionalität in der Bankenregulierung ist zwar mittlerweile ein klar formuliertes politisches Ziel. Doch noch ist diesbezüglich viel zu wenig an Erleichterungen geschaffen worden, noch immer fühlen sich die kleinen und mittleren Institute wiederum zu Recht überproportional belastet. Ein Problem dabei ist sicherlich, dass es den europäischen Institutionen ein Stück weit am Verständnis für die Bankenstrukturen in Deutschland fehlt. Wer stark konzentrierte Bankenmärkte mit wenigen großen Playern als Norm nimmt, der kommt nicht auf die Idee, dass nicht alle Institute über einen Kamm zu scheren sind. "Deutschland ist overbanked", lautete allzu lange das KO-Schlagwort, mit dem derartige Einwände vom Tisch gefegt wurden - nach dem Motto: selber schuld mit Eurer Kleinstaaterei.

Auch durch die Zinspolitik der EZB werden gerade die kredit- und einlagenlastigen deutschen Kreditinstitute aufgrund der schwach ausgeprägten Wertpapierkultur im Land besonders belastet. Dabei haben diese selbst auf dem Höhepunkt der Finanz- und Wirtschaftskrise dafür gesorgt, dass die Unternehmensfinanzierung immer gewährleistet blieb - anders als in einer Reihe anderer Märkte. Dennoch müssen auch sie sich nun mit den Konsequenzen der Niedrigzinspolitik herumschlagen, die einer Wiederholung der Kreditknappheit vorbeugen und der europäischen Wirtschaft neuen Schwung verleihen soll.

Hinzu Kommt: Wenn nun Lebensversicherungen, die die Institute ihren Kunden einst in gutem Glauben verkauft haben, an Rentierlichkeit einbüßen, wenn Kontoführungsentgelte auf ein in anderen Märkten seit jeher übliches Niveau angehoben oder wenn auf große Einlagenvolumina "Verwahrentgelte" erhoben werden, um die "Strafzinsen" der EZB auszugleichen, dann erntet die Branche dafür selten Verständnis, meist Schelte. Am Horizont droht zudem weiteres Ungemach. Eine neue EU-Kommission, die sich das Thema Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben hat, und eine EZB, die diesen Aspekt sogar in die Geldpolitik einarbeiten will, verheißen neuerliche Vorgaben für die Branche, die das Geschäft nicht einfacher machen dürften.

Das alles ist wenig geeignet, Begeisterung für Europa zu wecken. Und doch ist Europa auch für die Bankenbranche mehr als nur Last und Frust. Am Beispiel des Zahlungsverkehrs wird deutlich, dass Europa enger zusammenrücken muss, um den neuen Wettbewerbern aus den USA und Asien etwas entgegensetzen zu können. Die Rufe nach einem echten europäischen Zahlungsscheme sind nur zu berechtigt, will man nicht den Bigtechs das Feld überlassen. Und der Angriff im Zahlungsverkehr dürfte nur der Anfang sein. Die Herausforderung besteht also darin, einen echten europäischen Binnenmarkt zu schaffen, ohne gleichzeitig die bestehende Vielfalt im Bankgewerbe zu gefährden und stabile Strukturen zu zerstören. Gelingt das, kann Europa auch für die vielen deutschen Institute zur Chance werden. Ein gutes Beispiel ist der Datenschutz. Ein hohes europäisches Datenschutzniveau gibt europäischen Anbietern einen gewissen Vertrauensvorsprung. Gleichzeitig erschwert die DSGVO es den Bigtechs, in Europa Geschäftsmodelle auszurollen, bei denen Datenschutzverletzungen quasi die Grundlage darstellen.

Wie regionale Banken in diese neue Gemengelage passen, das muss sich in den nächsten Jahren herauskristallisieren. Helfen kann sicher die Zusammenarbeit mit Fintechs. Denn diese verfolgen großenteils einen grenzüberschreitenden Ansatz. In der Kooperation mit ihnen bietet sich also auch regionalen Kreditinstituten ein Türöffner in den großen Markt Europa.

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