Regulierungs-Cocktail

Swantje Benkelberg

sb - Viel hilft viel - dieser Grundsatz ist beim Einsatz von Düngemitteln in der Landwirtschaft genauso falsch wie in der Medizin. Jeder Arzt wird, bevor er einem Patienten das nächste Medikament verschreibt, erst einmal überprüfen, wie das bisher verabreichte Mittel angeschlagen hat. Das ist in der Bankenregulierung anders. Hier folgt eine Behandlung auf die nächste, eine Evaluation der Maßnahmen wird gerne auf die lange Bank geschoben. Dass das so ist liegt im System begründet. Der "Patient" des Regulators kann sich kaum dagegen wehren. Und während der Arzt, der zu viele Mittel verschreibt, finanziell dafür abgestraft wird, müssen sich Politiker und Beamte keine Sorgen ums Budget machen. Eher im Gegenteil: Mit jeder neuen Vorlage rechtfertigen sie ihre Daseinsberechtigung. Für die Kosten kommen andere auf. Erschwerend kommt hinzu, dass die nationalen Regulatoren in den europäischen Regulierungs-Cocktail weitere Zutaten hineinrühren. Und wenn hier und da noch die deutsche Musterschüler-Mentalität zu einem über die EU-Vorgaben hinausschießenden "Gold-Plating" führt, macht das die Sache nicht besser.

Mittlerweile hat die Politik zwar erkannt, dass die Dosis an Regulierungsmaßnahmen vor allem kleinere Banken zunehmend überfordert. Ein anderes Problem wird aber nach wie vor vernachlässigt: Wirkung und damit auch Neben- und Wechselwirkungen der Maßnahmen werden viel zu wenig überprüft. In den Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD hat eine Evaluation zwar Eingang gefunden. In Angriff genommen wurde sie aber bislang nur beim Lebensversicherungsreformgesetz. Dabei hat die dem Verbraucherschutz dienende Regulierung durchaus unerwünschte Nebenwirkungen. Deutlichstes Beispiel dafür war die Wohnimmobilienkreditrichtlinie, wo der vermeintliche Verbraucherschutz ganze Verbrauchergruppen davor schützte, überhaupt einen Kredit aufnehmen zu können. Im Wertpapiergeschäft warnen Kreditwirtschaft und Fondsbranche ebenfalls vor unerwünschten Folgen. Das Horrorszenario, dass sich Banken und Sparkassen ganz aus der immer aufwendigeren Wertpapierberatung zurückziehen und nur noch die digitale Vermögensverwaltung anbieten, mag zwar überzogen scheinen. Allerdings haben die Maßnahmen durchaus das Zeug dazu, das Vertrauen in die Beratung weiter zu untergraben anstatt es zu stärken. Wozu sonst muss die telefonische Beratung aufgezeichnet werden, wenn nicht dazu, die Bank bei späteren Streitfällen abzusichern, wird sich der Kunde fragen. Wozu dienen die Berge an zusätzlichen Informationen, wenn nicht dazu, die Haken des Produkts im Informationswust zu verstecken? Wie hoch sind die Transaktionskosten wirklich, wenn zum gleichen Produkt Papiere mit abweichenden Berechnungsmodellen und deshalb unterschiedlichem Kostenausweis ausgehändigt werden? Soll das Transparenz sein? Das alles sind Fragen, die sich aus dem Regulierungs-Cocktail ergeben können und die Anlageberatung weder für die Kunden noch für Banken attraktiver machen. Berater sind zwar argumentativ fein raus - können sie sich doch auf die EU berufen, die das alles so vorschreibt. Dann sind sich Kunde und Berater im Kopfschütteln über "die in Brüssel" einig. Doch der Zweifel bleibt. Denn warum hätte die EU die ganze Regulierung in Gang setzen sollen, wenn mit der Bankberatung nicht doch etwas faul wäre? Dass ein Großteil der privaten Anleger eine Beratung braucht, darüber herrscht weitgehende Einigkeit. Gerade deshalb ist die Forderung nach einer baldigen PRIIPs-Überprüfung aus Verbraucherschutzsicht berechtigt.

Zunächst einmal steht jedoch die Überprüfung der Interchange-Regulierung im Kartengeschäft an. Was dabei herauskommt, steht beinahe im Voraus fest: Die Regulierung war prima, die Interchange-bedingten Kosten für Händler sind gesunken, die Kartenakzeptanz ist im Gegenzug gestiegen. Dass dafür der Zahlungsverkehr für viele Kunden teurer geworden ist, hatte die EU-Kommission schon im Voraus billigend in Kauf genommen. Entschärft werden wird die Regulierung deshalb mit ziemlicher Sicherheit nicht - eher im Gegenteil. Der Handel hat das Wunschkonzert in Richtung Firmenkarten und Drei-Parteien-Systeme bereits eröffnet. Gut möglich also, dass dem Regulierungs-Cocktail bald eine weitere Zutat hinzugefügt wird.

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