Strategieupdate

Philipp Otto, Chefredakteur, Foto: Fritz Knapp Verlag GmbH

Konjunkturelle Abkühlung, anhaltende Regulierungsdynamik, fragwürdige Eingriffe in Geschäftsmodelle durch Provisionsdeckel und Ähnliches, eine Verschärfung der ultralockeren Geldpolitik der EZB. Angesichts dieser Rahmenbedingungen steigt der Druck auf die Kreditwirtschaft zu Veränderungen, die hoffentlich zu einer Verbesserung der Profitabilität führen. Die nüchternen Zahlen der Deutschen Bundesbank zur Ertragslage der Kreditinstitute im Jahr 2018 zeigen, dass dieser Kampf vor allem über die Kostenseite geführt werden muss: Der kumulierte Jahresüberschuss vor Steuern aller erfassten deutschen Kreditinstitute verringerte sich gegenüber 2017 um 31,2 Prozent auf 12,2 Milliarden Euro. Und das obwohl der Zinsüberschuss erstmals seit einigen Jahren wieder zulegte, wenn auch nur leicht von 85,5 auf 87,2 Milliarden Euro. Dagegen verringerte sich der erwirtschaftete Provisionsüberschuss um 1 Milliarde auf 29,5 Milliarden Euro. Das Bewertungsergebnis hat sich bereits verdoppelt. Und die Kosten sind aufgrund eines ganz leichten Rückgangs des Personalaufwands bei stabilen allgemeinen Verwaltungsaufwendungen marginal gesunken.

Das belegt die zarten Erfolge der deutschen Banken und Sparkassen beim Gegensteuern gegen die Rahmenbedingungen. Das wird aber nicht reichen: Der längerfristige Trend zeigt klar sinkende Zinserträge, kaum steigende Provisionserträge, höhere Risikokosten und recht stabile Verwaltungsaufwendungen. Entsprechend liegt auf Letzterem der Fokus, wobei der Eindruck täuscht, die Verantwortlichen hätten hier die Zeichen der Zeit nicht erkannt: Zwischen 2016 und 2018 sank die Zahl der Institute vor allem durch Fusionen im Lager der Sparkassen und Kreditgenossenschaften um 121 Institute auf 1 603, die Zahl der Zweigstellen ging von 31 974 auf 27 834 Filialen zurück und die Zahl der Beschäftigten sank von 608 399 auf 571 084. Trotzdem steigen die Aufwand-Ertrags-Relationen weiter an.

Es braucht ein Strategieupdate, denn in einer Welt ohne Zinsen wird den Banken ihre bewährte Geschäftsgrundlage der Fristentransformation und der Anlage eigener und überschüssiger Mittel aus dem Kundengeschäft entzogen. Die Commerzbank will es fortan als "Multikanalbank mit Schwerpunkt auf mobilen und stationären Angeboten" versuchen. Dafür schließt sie 200 Filialen und baut mehrere Tausend Mitarbeiter ab. Ähnlich sieht es bei den Sparkassen und den Volksbanken und Raiffeisenbanken aus, wo der Fokus zwar auch mehr in Richtung Digitalisierung und Mobile Banking ausschlägt, das Filialgeschäft aber immer noch sakrosankt ist. Genau das ist aber das Problem. Filialen rentieren sich fast nur noch in Ballungszentren oder zumindest größeren Städten mit entsprechender Laufkundschaft. Auf dem Land, wo viele Menschen zwar auf diese Form des Bankgeschäfts angewiesen sein müssten, sinkt die Zahl der Filialbesuche seit Jahren stetig, auf teilweise nur noch einige wenige im ganzen Jahr. Doch statt knallhart betriebswirtschaftlich zu entscheiden, müssen gerade die beiden Verbünde hier ausgesprochen vorsichtig agieren, um Träger, Mitglieder und Kunden nicht nachhaltig zu verärgern.

Was ist nicht schon alles versucht worden: Kooperationen mit Kaffeeröstern und Bäckern, die Integration von SB-Stellen in Supermärkte, gemeinsame SB-Stellen von Sparkassen und Volksbanken. Nachhaltig von Erfolg gekrönt, zumindest in der Breite, war nichts davon. Im Rhein-Main-Gebiet gehen Taunus-Sparkasse und Frankfurter Volksbank noch einen Schritt weiter und legen Filialen an mehr als 50 Standorten zusammen, um sie fortan gemeinsam zu betreiben. Ob das funktioniert? Ob die Kunden das annehmen? Vielleicht hat die Naspa doch recht, wenn sie auf derlei verzichtet, unrentable Niederlassungen gleicht schließt, und sich damit dem Zorn der Träger und auch der Kritik aussetzt, warum diese Niederlassungen erst vor Kurzem noch aufwendig umgestaltet wurden.

Doch Vorsicht: Ganz ohne Filialen geht es im breiten Bankgeschäft heute und vermutlich auch in einigen Jahren nicht. Dafür muss man nur die polnische mBank betrachten. Diese gilt als eine der modernsten Banken Europas und hat die Anzahl ihrer Niederlassungen in den vergangenen fünf Jahren von 258 auf 346 erhöht. Kunden wollen ihre Bankgeschäfte schnell, sicher, flexibel und vor allem über verschiedene Kanäle abwickeln. Hier haben deutsche Banken und Sparkassen sicherlich noch Nachholbedarf. Aber man darf hoffen, dass die Lernkurve schnell und steil ansteigen wird.

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