sb - Vor 25 Jahren war für den Bankvertrieb von Versicherungen die Welt noch in Ordnung. Die Lebensversicherung war für die private Altersvorsorge gewissermaßen gesetzt. Das Geschäft kam nahezu von selbst. Dass der Vertriebskanal Bank im Geschäft mit Schaden- und Unfallversicherungen deutliche Defizite aufwies, war deshalb fast zu vernachlässigen. Wie sehr sich dies Jahre später als fataler Fehler erweisen würde, war noch nicht abzusehen. Dann kam die "Dotcom-Blase" und mit ihr die Diskussion um die Rentierlichkeit der Lebensversicherung. Im Vergleich mit den Technologieaktien konnte die Assekuranz mit ihrer konservativen Anlagepolitik nur schlecht abschneiden. Trotzdem hat es die Branche damals versäumt, darauf hinzuweisen, dass es bei Produkten, die auch das biometrische Risiko der Langlebigkeit absichern, auf mehr ankommt als die Rendite. Die Saat des Zweifels war damit gesät. Dann folgten die schlechten Nachrichten reihenweise: Abschaffung des "Steuerprivilegs", Diskussionen um Vertriebspraktiken und Provisionen, Rückkaufwerte und Überschussbeteiligungen sowie die Finanzkrise mit all ihren Konsequenzen auch für die Versicherungsbranche wie sinkenden Ablaufleistungen und der Abkehr von den klassischen Garantiemodellen.
Die Lebens- beziehungsweise Rentenversicherung, über lange Zeit hinweg ein verlässlicher Provisionsbringer für Banken und Sparkassen, ist damit stark geschwächt. Zudem wird das bislang wenig komplexe Produkt mit den neuen Garantiemodellen zu einem aufwendigen Beratungsthema. An dieser Stelle schlummern für die Vertriebe Risiken, die sich bisher kaum einschätzen lassen. Denn natürlich wird in der Beratung das mit der stärkeren Kapitalmarktorientierung verbundene Risiko thematisiert. Der Kunde, der sich dennoch zum Abschluss entschließt, dürfte in aller Regel aber eher die Chancen im Kopf haben. Sollten die damit verknüpften Erwartungen am Ende der Laufzeit oder auch zwischenzeitlich nicht erfüllt werden, wenn es zu Marktkorrekturen kommt, dann ist Unzufriedenheit vorprogrammiert und es könnte erneut zu Rechtsstreitigkeiten um die Beratungsqualität kommen.
Auch im Kompositgeschäft sieht es nicht rosig aus, auch wenn die Kreditwirtschaft dieses Standbein des Versicherungsvertriebs in den letzten Jahren ausgebaut hat. Hauptgrund hier ist die Digitalisierung. Im Kfz-Bereich sind Banken schon lange aus dem Markt gedrängt. Hier läuft das Geschäft zum überwiegenden Teil über das Internet. Aber bei Annexprodukten, wie beispielsweise der Restkreditversicherung beim Ratenkredit oder der Wohngebäude- und Hausratversicherung in Verbindung mit einer Immobilienfinanzierung, bieten sich (bislang) gute Vertriebspotenziale. Doch wenn ein Ratenkredit oder eine Baufinanzierung online abgeschlossen wird, dann kommt der Kunde sicher auch für die Versicherung nicht mehr in die Filiale. Das wiederum heißt: Der viel zu lange vernachlässigte Online-Vertrieb von Versicherungen muss dringend ausgebaut werden. Dass die an dieser Stelle lange zurückhaltende R + V in diesem Jahr eine Digitalisierungsinitiative ausgerufen hat, spricht für sich. Damit das alles funktioniert, müssen Banken und Sparkassen aber auch umdenken, nicht nur im Neugeschäft, sondern auch in der Bestandskundenbetreuung. Wer etwa Kunden eine Anpassung ihrer Verträge vorschlägt, aber sich nicht imstande sieht, diese Änderungsvorschläge in schriftlicher Form digital zur Verfügung zu stellen, sondern - unter Berufung auf rechtliche Vorgaben für den Versicherungsvertrieb - die Anpassung nur im Rahmen eines persönlichen Beratungsgesprächs vornehmen kann, der schlägt sich selbst KO. Der Kunde ist auf die Idee gebracht worden, dass Handlungsbedarf besteht. Und er wird sicher Anbieter finden, zu denen er nicht in die Beratung kommen muss. Was die Bankassurance braucht, sind deshalb nicht nur Online-Abschlussmöglichkeiten und neue digitale Produkte, wie die Anbieterseite sie zunehmend im Köcher hat, sondern mindestens so dringend digitale Beratungsprozesse, mit denen sich regulatorische Anforderungen an den Versicherungsvertrieb in einer digitalen Welt umsetzen lassen.