Karten-Technik

BiometrischeKarten: Sicherheitsbedürfnis als Türöffner

Noch ist der flächendeckende Einsatz biometrischer Erkennungssysteme an Geldautomaten Zukunftsmusik. Doch das könnte sich angesichts steigender Betrugszahlen bald ändern. Laut Bundeskriminalamt meldeten die Banken in Deutschland im ersten Halbjahr 2008 bereits so viele Manipulationsfälle bei Geldautomaten und Zahlungskarten wie im gesamten Vorjahr. Um diese Entwicklung zu stoppen, suchen die Institute nach neuen Sicherheitsmaßnahmen. Der Biometrie kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Sie nutzt individuelle persönliche Körpermerkmale zur Authentifizierung und verspricht dadurch einen Quantensprung in der Absicherung von Geldgeschäften. Experten rechnen damit, dass sich die neue Technik in den nächsten zehn Jahren im Kartenzahlungsverkehr und an Geldautomaten etabliert. Das zeigt die Studie "Zukunftsfaktoren 2020" von Steria Mummert Consulting, Lünendonk und der Future Management Group.

80 Prozent der deutschen Banken erwar ten, dass ihre Sicherheitsysteme durch die steigende IT-Kriminalität zunehmend bedroht wird. Schon 2007 entstand durch Manipulationen an Geldautomaten und Zahlungskarten ein Schaden von 21 Millionen Euro. Besonders das sogenannte "Skimming" treibt die Fallzahlen nach oben. Innovative Sicherheitsmaßnahmen wie biometrische Identifikationssysteme wecken daher immer stärker das Interesse der Kreditinstitute.

Biometrische Identifikationsverfahren besitzen entscheidende Vorteile gegenüber den herkömmlichen Verfahren. Sie können nicht wie eine Kreditkarte oder PIN-Nummer weitergegeben oder gestohlen werden. Die Authentifizierung erfolgt anhand von physiologischen Merkmalen, wie beispielsweise der Gesichtsgeometrie, Hand- und Fingerabdrücken, der Handschrift, Stimmfrequenz, Irisstruktur oder Bewegungserkennung. Diese persönlichen Merkmale lassen sich zum Beispiel für die Zugangsberechtigung beim Onlinebanking oder an den Geldautomaten nutzen.

Hohes Potenzial für Handvenenscanner

Besonders großes Potenzial unter den biometrischen Lösungen versprechen dabei die Handvenenscanner. Dabei wird das Venenmuster der Handfläche per Nahinfrarotstrahlung erfasst. Das Muster ist sehr komplex und bleibt im Laufe eines Lebens unverändert. Das Verfahren hat sich in Japan schon vor mehreren Jahren erfolgreich durchgesetzt. Nach Angaben von Fujitsu kommen dort bereits über 10 000 der Handvenen-Sensoren in Banken, privaten Wohnanlagen, Universitäten und Krankenhäusern zum Einsatz. Weitere Projekte sind bei der Citibank Singapore und der größten brasilianischen Bank Bradesco in der Umsetzung.

Da sich das Venenmuster im Inneren des Körpers befindet, wird beim Scannen ein sicherer Schutz vor Missbrauch und Manipulation oder Veränderung, beispielsweise durch Verletzungen, gewährleistet. Es werden zudem nicht nur die Venen, sondern auch die Blutzirkulationen gescannt, sodass die Lebenderkennung gesichert ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein solches System unbefugten Personen trotzdem Zugang gewährt, liegt signifikant unter der von Systemen, die sich allein auf den Fingerabdruck stützen.

Diese positiven Eigenschaften werden von deutschen Bankmanagern honoriert. Laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation planen bereits 20 Prozent der Institute, die IT-Ausgaben für die biometrische Kundenidentifizierung zu steigern. Knapp die Hälfte von ihnen erwartet zudem, dass sich bis zum Jahr 2015 die Biometrie in der Sicherheitsarchitektur der Unternehmen etabliert hat. Allerdings berührt ihr Einsatz auch sensible Themen wie Datenschutz und Privatsphäre.

Akzeptanz bei Kunden ungewiss

Wie Bankkunden in Deutschland die neuen Verfahren annehmen werden, kann insbesondere vor diesem Hintergrund noch nicht abgeschätzt werden. Schätzungen zufolge haben zirca 80 Prozent der Deutschen große bis sehr große Bedenken hinsichtlich des Missbrauchs per sönlicher Daten. So könnten beispielsweise beim Irisscan Rückschlüsse auf die Gesundheit gezogen werden. Außerdem gewähren biometrische Daten, die man an unterschiedlichen Orten hinterlässt, Einblicke in Aufenthaltsorte und ermöglichen so individuelle Bewegungsprofile. Die Furcht der Kunden, zum "gläsernen Menschen" zu werden, könnte die Abwehr haltung gegenüber biometrischen Systemen verstärken.

Viele Kunden sind andererseits bereit, Identitätsprüfungen mittels ausgewählter biometrischer Verfahren zu akzeptieren. 62 Prozent votierten für Fingerscan, 48 Prozent für Irisscan, 43 Prozent für Gesichtsscan und immerhin noch 26 Prozent für Handvenenscan. Gestützt wird diese Aussage durch Anwendungsbeispiele aus dem Handel. So stellt bei ausgewählten Edeka-Filialen in Baden-Württemberg der Einsatz biometrischer Autorisierungsverfahren via Fingerscan für die Kunden bereits eine akzeptable Lösung dar.

Transparenz im Vordergrund

Die Banken sind gefragt, das Spannungsverhältnis zwischen Sicherheitsbedürfnis und persönlichem Datenschutz aufzulösen. Transparenz spielt dabei eine zentrale Rolle.

Die Kunden sollten von ihrer Bank genau informiert werden, wie und zu welchem Zweck ihre Daten gespeichert werden.

Um datenschutzrechtliche Bedenken auszuräumen, wäre es denkbar, dass die biometrischen Informationen nicht zentral in einer Datenbank gespeichert werden, sondern dezentral. Dies könnte dadurch geschehen, dass die Identifikation der Person über eine direkt auf dem Chip befindliche Software der Bank- oder Kreditkarte stattfindet. So wäre nur eine lokale Datenverifizierung erforderlich, da die zu vergleichenden biometrischen Daten nur mit dem auf der Karte gespeicherten Referenzmerkmal verglichen werden müssten.

Chancen für die Banken

Die Biometrie bietet den Banken enorme Chancen. Da die Lösungen in erster Linie die Sicherheit und den Komfort erhöhen, können Kreditinstitute sich mit der Einführung entsprechender Systeme von ihren Wettbewerbern absetzen. Die Banken befriedigen das gewachsene Sicherheitsbedürfnis ihrer Kunden, erhöhen die Bedienerfreundlichkeit und sparen durch die Senkung der Betrugsschäden enorme Kosten.

Neben dem Einsatz am Geldautomaten verschaffen biometrische Identifikationsverfahren im Onlinebanking ein Plus an Qualität und Komfort. So bietet die öster reichische Oberbank dieses Verfahren den Vielnutzern unter ihren Kunden bereits an. Als Ersatz für das bisherige PIN/TAN-Verfahren eröffnet die Technik zusätzliches Vertriebspotenzial. Beispielsweise, wenn Kunden bereit sein werden, für ein Mehr an Sicherheit oder Komfort zu bezahlen und sicherheitsaffine Kundengruppen erschlossen werden können. Außerdem gilt: Wem es gelingt, das Vertrauen des Bankkunden zu diesem sehr sensiblen Thema zu gewinnen, wird ihn langfristig binden.

Die biometrische Karte

Allerdings sind auch der Biometrie Grenzen gesetzt. Dadurch, dass sich der Kunde derzeit bei jedem Anbieter separat registrieren lassen muss, der ein nicht kartenbasiertes, biometrisches Zahlungsverfahren betreibt, wird die flächendeckende Verbreitung gebremst.

Wahrscheinlicher ist die Kombination biometrischer Verfahren mit Karte und PIN oder als zusätzliche Alternative zur PIN. Das ist besonders unter dem Gesichtspunkt der Kompatibilität sinnvoll. Schließlich können Kunden dann auch Geld an Automaten abheben, die nicht mit biometrischen Lösungen ausgestattet sind. Noch steckt die Umsetzung in den Kinderschuhen. Eine grundlegende Voraussetzung ist die Definition allgemein verbindlicher Standards, die die Umsetzung vorantreiben. Die enormen Kosten, die bei einer flächendeckenden Einführung biometrischer Verfahren auf die Banken zukommen, bedingen eine genaue Prüfung der Wirtschaftlichkeit. Doch die Biometrie wird sich als Zugangs- und Identifikationsverfahren weiter etablieren. Die Zuverlässigkeit wird zunehmen und eine stärkere Nachfrage nach diesen Technologien zu deutlichen Kostensenkungen bei der Herstellung, Nutzung und Wartung führen. Für die Banken heißt das: Dranbleiben.

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