"Banken müssen lernen, mehr zusammen zu machen"

Swantje Benkelberg

sb Selten haben Payment-Themen mehr Schlagzeilen gemacht als im Spätsommer 2018: Wirecard überholt die Deutsche Bank beim Börsenwert und verdrängt kurz darauf die Commerzbank aus dem Dax. Die Payment-Fintechs Lendstar und Cringle melden Insolvenz an. Und EZB-Direktoriumsmitglied Yves Mersch beklagt die mangelnde Interoperabilität der nationalen Kartensysteme sowie das Fehlen eines europäischen Schemes und - dadurch bedingt - die Abhängigkeit von nicht-europäischen Anbietern sowie die Tatsache, dass Europa im Payment keine vergleichbar signifikante Rolle spielt wie US-amerikanische und zunehmend auch asiatische Anbieter. Diese Schlagzeilen zeigen nicht nur die Dynamik im Payment-Markt, sondern auch, wie wichtig die Thematik derweil geworden ist.

Europäisches Payment Scheme nicht in Sicht

Ein einheitliches europäisches Payment-Scheme, wie es sich auch die Politik wünscht, wird wohl auch weiterhin ein Wunschtraum bleiben. Das haben die bisherigen vergeblichen Bemühungen - zum Beispiel die um Monnet 2010/2011 - nur allzu deutlich gemacht.

Ganz gleich ob man es über den Aufbau eines ganz neuen Systems oder lieber die Zusammenführung bestehender Systeme im Hintergrund versucht, für die die jeweiligen Spezifikationen zu vereinheitlichen wären: Ein europäisches Payment-System wäre nur mit erheblichem Aufwand zu realisieren. In einem Umfeld mit stark gedeckelter und tendenziell eher weiter sinkender Interchange, in dem obendrein - Stichwort PSD2 - die (privatwirtschaftlich aufgebaute) Payment-Infrastruktur als eine Art öffentliches Gut betrachtet wird, sind dafür die Anreize und finanziellen Möglichkeiten begrenzt. Die Forderung nach dem Aufbau eines europäischen Payment-Schemes müsste deshalb konsequenterweise stets mit der Frage nach dessen Finanzierung verknüpft werden. Antworten auf diese Frage bleibt "Europa" bisher jedoch schuldig.

Im E-Commerce geht es voran

Das heißt aber nicht, dass es nicht voran geht und europäische Anbieter im Payment-Geschäft keine signifikante Rolle spielen. Das betrifft freilich weniger die Kundenschnittstelle mit den Bezahlmöglichkeiten, wo Paypal oder künftig Google, Apple, Facebook, Amazon und vielleicht auch bald Alibaba und Tencent auch in Europa eine immer größere Rolle spielen werden.

Im Hintergrund, in der Abwicklung, geht es in Sachen Europa jedoch voran. Nicht nur, dass die Payment-Dienstleister sich durch Fusionen und Kooperationen immer europäischer aufstellen. Zumindest im E-Commerce tragen sie - wo immer möglich - dazu bei, den außereuropäischen Anbietern etwas entgegenzusetzen, indem sie die diversen nationalen Bezahlsysteme in ihre Angebotspalette aufnehmen - wie zuletzt BS Payone durch die Integration des belgischen Bancontact.

Überall dort, wo nationale Bezahlsysteme wie die Girocard (noch) nicht online-fähig sind sowie am PoS im Ausland, können die Dienstleister die Lücke bei den verfügbaren Verfahren nicht schließen. Hier bleibt es bei der von Yves Mersch beklagten Abhängigkeit von außereuropäischen Anbietern. Die große Bedeutung von Paypal im deutschen E-Commerce ist sicher kein Zufall.

Man wird aber auch fragen müssen, ob die Verbraucher diese Abhängigkeit wirklich als so bedenklich empfinden. Es mag solche Momente geben - etwa wenn berichtet wird, Visa und Mastercard hätten Kundendaten an Facebook verkauft. Im Großen und Ganzen spricht das Nutzungsverhalten jedoch nicht dafür, dass das Fehlen eines europäischen Systems schmerzlich empfunden wird - im Gegenteil. Wären etwa deutsche Verbraucher der Abhängigkeit von Paypal und Co. wirklich überdrüssig, dann würden sie überall dort, wo Paydirekt implementiert ist, ausschließlich damit bezahlen oder gar solche Shops meiden, wo das nicht möglich ist. Die Wirklichkeit sieht anders aus.

Einheitliche Strukturen schaffen

Das heißt aber nicht, dass in der Payment-Infrastruktur alles bleiben kann und sollte, wie es ist. Gerade weil diese Infrastruktur mehr denn je als öffentliches Gut betrachtet wird und weil sich im Payment alles um Skaleneffekt dreht, sagt DZ-Bank-Vorstand Ullrich: "Die Kreditwirtschaft muss lernen, mehr zusammen zu machen". Wenn sich Banken längerfristig nicht zu reinen Infrastrukturanbietern degradieren lassen wollen, so sein Credo, dann müssten sie mehr einheitliche Strukturen auf wettbewerbsneutralen Plattformen schaffen, um sich dann an der Kundenschnittstelle mit neuen Services ganz individuell zu positionieren. Neu ist dieser Gedanke nicht. Aber das Zusammenrücken ist dringlicher als je zuvor. Vielleicht bieten Instant Payments die Chance, zu mehr Einheitlichkeit zu kommen.

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