"Conversational Commerce" - noch viele Fragen offen

Swantje Benkelberg

sb - Mit dem Aufkommen des Internet hat sich der Handel gewandelt. Erst war es der E-Commerce, dann der M-Commerce und der nächste Trend könnte der "Conversational Commerce" sein - also das Bestellen von Gütern oder Dienstleistung per Sprachbefehlt über Sprachassistenten. Diesen Trend erwartet zumindest Mastercard und beruft sich damit auf die im Februar dieses Jahres veröffentlichte Studie "The power of Talk" von Cap Gemini.

Dieser Untersuchung zufolge nutzt bereits eine knappe Mehrheit der Verbraucher in den USA, Großbritannien, Deutschland und Frankreich Sprachassistenten, zumeist über das Smartphone (81 Prozent). Von den insgesamt etwa 5 000 Befragten tätigen die Nutzer solcher Sprachassistenten heute etwa drei Prozent ihrer Ausgaben per Sprachbefehl, in drei Jahren könnten es 18 Prozent sein. Selbst bei den heutigen Nichtnutzern könnte der Anteil in drei Jahren bei 7 Prozent liegen.

Bequemlichkeit versus Sicherheit

Hauptgrund dafür: die Bequemlichkeit, die 52 Prozent der Nutzer als Grund angeben. Auch die Begründung, die Hände frei zu haben (48 Prozent) fällt im Grunde in diese Kategorie. Gegenargument Nummer eins unter den Nichtnutzern ist die Sorge bezüglich der Sicherheit persönlicher Daten (65 Prozent). Und genau dies macht auch Mastercard als bislang noch als Hemmschuh des "Conversational Commerce" aus. Wie so oft, gilt es auch hier den Spagat zwischen Bequemlichkeit einerseits und Sicherheit andererseits zu finden, die die Grundlage für das Vertrauen der Kunden darstellt.

Die Zahlung darf nicht unsichtbar werden

Das Problem dabei: Transaktionen per Interaktion mit Sprachassistenten setzen Speicherung und Verarbeitung von Daten voraus. Vor allem im Kontext mit künstlicher Intelligenz dürften hier noch viele Fragen zu beantworten sein. Mastercard macht an dieser Stelle sicher zu Recht einen limitierenden Faktor für die Entwicklung aus. Die Grundlagenarbeit dafür, dass Verbraucher Sprachservices akzeptieren, so das Mastercard-Whitepaper, müssen aber schon heute gelegt werden.

Für den Payment-Bereich bedeutet das aus Sicht der Kartenorganisation: Es gilt sicherzustellen, dass die Zahlung nicht "unsichtbar" ist. Sondern es braucht transparente und klare Prozesse, die den Verbrauchern das Gefühl geben, die Kontrolle zu behalten und informiert zu sein. Das akustische Branding, wie es Visa bereits vorgestellt hat, geht dabei vermutlich in die richtige Richtung. Denn auch der Nutzer von Sprachassistenten hört dann, wenn eine Zahlung ausgelöst beziehungsweise eine Transaktion vollzogen wird.

Ein neuer Paradigmenwechsel?

Dass Zahlungen nicht unsichtbar werden dürfen, erfordert möglicherweise auch beim Handel ein gewisses Umdenken, war es doch bisher vielfach gerade das Ziel, den Bezahlvorgang möglichst weit in den Hintergrund zu drängen, um den Verbraucher von der Tatsache abzulenken, dass er die gewünschten Güter oder Leistungen auch bezahlen muss. Bringt der "Con versational Commerce" also einen neuerlichen Paradigmenwechsel mit sich?

Spannend werden dürfte auch die Frage nach der Authentifikation des Zahlenden. Bei Bestellungen und Zahlungen via Sprachassistenten wäre vermutlich die Stimme das Authentifikationsmittel der Wahl. Als biometrisches Identifikationsmerkmal käme sie auch infrage, die nötige Technologie ist theoretisch verfügbar. Aber ist sie sicher genug? Und wie stellt man sicher, dass die jeweils genutzte Technik tatsächlich nicht nur über Spracherkennung, sondern zugleich über zuverlässige Stimmerkennung verfügt, um unberechtigte Transaktionen abzuweisen?

Diese Frage bewegt nicht zuletzt die Automobilbranche, die zu den Vorreitern beim Internet der Dinge gehört. Vernetzte Fahrzeuge werden dann über kurz oder lang zu digitalen Brieftaschen, über die die Fahrer bei Bedarf Leistungen buchen und bezahlen können, sei es die Freischaltung der eingebauten Sitzheizung, seien es Park- oder Mautgebühren. In welchen Fällen kann es automatisierte Zahlungen geben, die das Fahrzeug quasi selbstständig freigibt? Wann bedarf es einer Authentifikation - und wie kann und soll sie erfolgen? Das ist im Fahrzeug möglicherweise noch wichtiger als bei anderen Anwendungen - zumindest solange Autos nicht autonom unterwegs sind. Zahlungen sollen auch hier nicht "unsichtbar sein", sie sollen den Fahrer aber auch nicht vom Verkehr ablenken. PIN oder Passwort sind da sicher nicht das Mittel der Wahl.

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