Rechtsfragen

ec-Kartenzahlverfahren - Schadensersatz für Händlergebühren?

Tim Reher, Rechtsanwalt, CMS Hasche Sigle Partnerschaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern mbH, Hamburg

Hinter den medienwirksam angekündigten "Milliardenklagen" gegen zu viel gezahlte Händlerentgelte bei ec-Karten beziehungsweise Girocard-Transaktionen stehen noch viele Fragezeichen, so die Autoren. Dass die Anspruchssteller eine außergerichtliche Lösung anstreben, kann dafür als Indiz gelten. Ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht ist nicht festgestellt worden. Darüber hinaus dürfte ein Großteil der Ansprüche längst verjährt sein. Und selbst, wenn sie es nicht sind, wird es nicht einfach werden, den entstandenen Schaden nachzuweisen - sofern dieser nicht auf dem Weg über die Preiskalkulation des Handels dem Verbraucher entstanden ist. In der Summe heißt das: Händler, die auf Schadensersatz hoffen, brauchen einen langen Atem. Red.

Das "Gebühren-Gerangel" zwischen dem Handel und der deutschen Kreditwirtschaft nimmt Fahrt auf. Händler und Tankstellenbetreiber prüfen aktuell, ob sie für die von deutschen Banken in der Vergangenheit verlangten einheitlichen Händlergebühren bei der Zahlung per Girocard (früher ec-Karte) Schadensersatz verlangen können.

Wenn Klägerkanzleien "Schadensersatzklagen in Milliardenhöhe" ankündigen, mögen sich viele Händler vorschnell die Hände reiben. Ein Anspruch auf Schadensersatz ist indes zweifelhaft und die Durchsetzung ist mit einem erheblichen Aufwand und großen Risiken verbunden.

Hintergrund dieser Forderungen ist eine Entscheidung des Bundeskartellamts aus dem Jahr 2014. Darin äußerte die Wettbewerbsbehörde vorläufige wettbewerbliche Bedenken gegen das ec-Kartenzahlsystem der deutschen Kreditwirtschaft.

Beanstandet wurde, dass der Bundesverband deutscher Banken, der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, der Deutsche Sparkassen- und Giroverband und der Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands für jeden Zahlungsvorgang per ec-Karte ein vom kartenakzeptierenden Händler zu zahlendes Entgelt festgelegt hatten. Die Höhe lag einheitlich bei 0,3 Prozent des jeweiligen Umsatzes, mindestens aber bei 8 Cent pro Zahlung. Bei Transaktionen an Tankstellen galt ein verringerter Satz von 0,2 Prozent und mindestens 4 Cent. Nach der Zusage der Banken, das einheitliche Entgelt aufzuheben, wurde das Verfahren eingestellt. Bußgeldbescheide wurden nicht erlassen.

Schadensersatzauslösender Kartellrechtsverstoß nicht festgestellt

Das electronic-cash-Verfahren wurde 1990 flächendeckend eingeführt und ist das mit Abstand führende Kartenzahlungssystem auf dem deutschen Markt. Bei der bargeldlosen Zahlung im stationären Handel steht es insbesondere mit dem elektronischen Lastschriftverfahren im Wettbewerb. Die vom Händler nachgefragte Leistung besteht in beiden Fällen im Wesentlichen in der Absicherung der Transaktion gegen Zahlungsausfall. Die Händlergebühr ist damit der Preis für die vom Kartenherausgeber gegenüber dem Kartenakzeptanten erbrachte Garantieleistung.

Grundlage einer Händlerklage auf Schadensersatz wäre, dass der einzelne Händler aufgrund eines Kartellverstoßes der Kreditinstitute in der Vergangenheit ein zu hohes Händlerentgelt bezahlt hat.

Daran ist problematisch, dass ein schadensersatzauslösender Verstoß der Banken gegen Vorschriften des europäischen oder deutschen Kartellrechts vom Bundeskartellamt nicht festgestellt wurde. Die von der Wettbewerbsbehörde geäußerten Bedenken sind für deutsche Zivilgerichte nicht bindend. Ein Fehlverhalten der Banken steht nicht fest. Der klagende Händler müsste einen Kartellverstoß darlegen und beweisen.

Ein Großteil der Ansprüche bereits verjährt

Gelingt es den Klägern, die Gerichte vom Vorliegen eines Kartellverstoßes zu überzeugen, stellt sich als nächstes die Frage der Verjährung. Im Unterschied zu einem klassischen Lehrbuch-Kartell, das heimlich wettbewerbswidrige Absprachen trifft, waren die einheitlichen Händlerentgelte den Kunden seit der Einführung des electronic-cash-Verfahrens Ende 1990 bekannt. Der Einzelhandel hat seit jeher über zu hohe Händlerentgelte geklagt - allerdings ohne zu klagen!

Kartellrechtliche Ansprüche verjähren innerhalb von drei Jahren nach ihrer Entstehung, wenn die den Anspruch begründenden Umstände bekannt sind. Ein Großteil der Ansprüche wird also bereits verjährt gewesen sein, bevor das Kartellamt im Januar 2011 sein Verfahren einleitete.

Die Schadenssumme zu plausibilisieren ist eine hohe Hürde

Falls die Ansprüche noch nicht verjährt sind, müssen die Kläger in einem weiteren Schritt konkret und detailliert den eigenen Schaden darlegen, der ihnen durch die Zahlung von kartellbedingt überhöhten Händlerentgelten entstanden ist. Die eigene Schadenssumme zu plausibilisieren stellt in jedem Kartellschadensersatzverfahren eine hohe Hürde dar.

Ein klagender Händler muss argumentieren, dass er ohne die einheitliche Festlegung der ec-Kartengebühr einen nied rigeren Satz bezahlt hätte, zum Beispiel aufgrund bilateraler Preisverhandlungen mit den Kartenemittenten. Dabei ist der Sachverhalt allein aufgrund der Vielzahl der Zahlungsströme komplex. Händler müssen sich fragen, für welche Zeiträume und für welche Art von Transaktionen sich durch die gezahlten Händlergebühren überhaupt noch nachweisen lassen.

Die Frage, ob für diese Transaktionen ein kartellierter Aufpreis bezahlt wurde, müssen ökonomische Gutachten beantworten. Ein Argument der Kläger wird sein, dass die Gebühren signifikant gesunken sind, seit sie frei verhandelt werden. Um wie viel sie gesunken sind, konnte aber nicht einmal das Bundeskartellamt im Rahmen einer Nachprüfung konkret feststellen.

Wirtschaftlicher Schaden eher beim Verbraucher

Schließlich dürfte ein Händler die finanzielle Mehrbelastung nicht an seine eigenen Kunden durch Preiserhöhungen weitergewälzt haben (sogenanntes "passing-on"). Denn dadurch hätte der kartenakzeptierende Händler gar keinen Schaden erlitten. Eine solche Weiterwälzung des Schadens ist vorliegend sehr wahrscheinlich.

Auch im Falle der abgesprochenen Interbankenentgelte zwischen Mastercard und Visa hat die EU-Kommission in verschiedenen Veröffentlichungen darauf hingewiesen, dass letzten Endes die Verbraucher den wirtschaftlichen Schaden getragen hätten. Nach einer bald in Kraft tretenden Gesetzesänderung könnten die Händler insoweit zur Herausgabe von Beweismitteln verpflichtet werden, zum Beispiel zur Offenlegung von Umsatzzahlen und Preistabellen.

Alles in allem stehen hinter den angekündigten "Milliardenklagen" noch viele Fragezeichen. Es verwundert nicht, dass auch die Anspruchssteller eine außergerichtliche Lösung anstreben. Ob sich die Banken darauf einlassen werden, ist zu bezweifeln. Die Händler brauchen einen langen Atem.

Zu den Autoren Tim Reher und Frédéric Crasemann, beide Rechtsanwälte CMS Hasche Sigle Partnerschaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern mbH, Hamburg
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