BANKKARTEN-FORUM

Es gibt ein starkes Interesse an einer europäischen Payment-Lösung

Christian Schäfer, Foto: Deutsche Bank AG

In Sachen Payment ist Europa nach wie vor stark fragmentiert. Dass es bislang nicht zu einer europäischen Payment-Lösung gekommen ist, liegt nach Einschätzung von Christian Schäfer nicht zuletzt an Partikularinteressen. Hier den Konsens herzustellen, sieht Schäfer als die Herausforderung der nächsten sechs Monate. Er ist dabei zuversichtlich, dass es gelingt. Denn es gebe in zwischen ein starkes gemeinsames Interesse zwischen Banken, anderen Providern im Ökosystem, Zentralbanken, Regierungen und Aufsichtsbehörden, in eine Richtung zu finden. Red.

Der Zahlungsverkehr in Europa funktioniert deshalb so gut, weil die verschiedenen Akteure im Ökosystem sehr gut zusammenarbeiten. In dieses Ökosystem kommen vermehrt Fintechs hinein, die sich sehr kreativ und agil an spezifischen Kundeninteressen ausrichten. Dabei stehen oft die Kundeninteressen und technischen Möglichkeiten im Vordergrund. Die Deutsche Bank hat auch sehr gute Erfahrungen in der Kooperation mit Fintechs gemacht. Wir sind für viele Fintechs Zahlungsverkehrsabwickler und kommen über sie in Geschäfte hinein, die wir zuvor so nicht für möglich gehalten hätten.

Die PSD2 war als Innovationsstimulus im Bereich Zahlungsinitiierung am Point of Interaction und im Bereich Kontoinformationsdienst gedacht. Zwei Monate nach dem eigentlichen Starttermin hat das Zielbild der "Cooptition" und des Komplementierens von traditionellen und neuen Akteuren noch Potenzial.

PSD2 wirkt nicht als Innovationstreiber

Das ist sehr bedauerlich, denn die deutsche Kreditwirtschaft hat sich sehr engagiert, die PSD2 im Sinne ihrer Intention umzusetzen. Wir haben uns frühzeitig zusammengetan, um zu standardisieren und gemeinsame Schnittstellen zur realisieren, um das Ökosystem zu öffnen. Deshalb war der Brief der BaFin mit den Nachforderungen schon recht frustrierend. Die zwei bis drei Features, die jetzt noch gefordert werden, werden bei den Banken noch erhebliche finanzielle Mittel binden.

Den Innovationsimpuls, den man sich von der PSD2 versprochen hat, sehen wir derzeit nicht. Stattdessen konzentriert sich die Diskussion auf den Fallback. Anstatt Innovation zu stimulieren, wirkt sich die PSD2 meines Erachtens aktuell eher innovationsdämpfend aus.

Europa bei Echtzeitzahlungen fragmentiert

Das liegt nicht zuletzt am unterschiedlichen Vorgehen in Europa. Ein Beispiel: Wenn die BaFin in Sachen Schnitt stellen Nachforderungen stellt, während die Aufsicht in Italien mit der gleichen Schnittstelle hoch zufrieden ist, ist das für einen Konzern wie die Deutsche Bank schwierig. Die verschiedenen Aufsichtsbehörden haben sich deshalb darauf geeinigt, dass die Aufsicht im Heimatmarkt entscheidet, wenn die Aufsichten zu unterschiedlichen Beurteilungen kommen. Das heißt: Die zum Unicredit Konzern gehörende Hypovereinsbank, deren zuständige Aufsicht in Italien sitzt, ist voll compliant, die Deutsche Bank, bei der die BaFin entscheidet, ist es mit vergleichbaren Schnittstelle nicht.

Ein gemischtes Bild in Europa ergibt sich auch bei SCT Inst. Die Deutsche Kreditwirtschaft hat ihre Hausaufgaben gemacht und eine sehr breite Adaption von SCT Inst realisiert. Es gibt aber auch viele Länder in der Eurozone, in denen SCT Inst noch nicht weit adaptiert ist und in denen man nur 40 Prozent der BICs erreichen kann. Auch die Perspektive der Banken auf SCT Inst ist in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich.

- In Deutschland sieht man SCT Inst wie in vielen anderem Märkten als Premiumprodukt im Zahlungsverkehr für Konsumenten. Es gibt eine Reihe von Anwendungsbeispielen in der Konstellation Konsument/Unternehmen, anhand derer der Mehrwert einfach zu verdeutlichen ist. Die Deutsche Bank arbeitet beispielsweise mit großen Händlern zusammen, um Kunden bei Retouren eine

- In anderen Ländern wie den Niederlanden oder Skandinavien ist SCT Inst das "new normal", das ganz normale Bezahlinstrument und die Basis der von der europäischen Kommission und der EZB geforderten europäischen Lösung, in dem man SCT Inst als Clearing- und Settlementmechanismus in einer europäischen Lösung nutzt.

Fakt ist: Auch im Bereich Echtzeitzahlungen ist Europa sehr fragmentiert. Es gibt nationale Clearing- und Settlementmechanismen und all das läuft sehr isoliert. Hier wird neben der Adaption vor allem die Interoperabilität, die große Herausforderung sein, der sich die Akteure kurzfristig und fokussiert stellen müssen.

Mehrwert an der Kundenschnittstelle bieten

Um auch zukünftig im Zahlungsverkehrsmarkt relevant zu bleiben, ist die Kundenerfahrung mehr als je entscheidend. Wir müssen Mehrwert an der Kundenschnittstelle bieten und die Kundenerfahrung muss Best in Class sein mit dem, was wir heute bei den einzelnen Bezahlmethoden sehen. Der European Retail und Payment Board hat sich Gedanken gemacht, wie sich die Investitionen, die in PSD2 und Instant Payments getätigt wurden, so ergänzen und komplementieren lassen, dass wir zu guten Kundenerlebnissen kommen. Hier ist der Weg nicht mehr so schrecklich weit.

Was wir an den Schnittstellen brauchen, ist eine Reihe von Zusatz- und Mehrwertleistungen. Damit das passiert, ist es dringend nötig, Wege zum fairen Austausch von Werten zwischen Händler und Konsumentenbanken zu finden. Nur dann wird der nächste Innovationsschritt folgen und einfache Hemmnisse können beseitigt werden. Ein Beispiel ist die Möglichkeit, dass die Konsumentenbank die Gebühren für eine Instant- Payment-Bank an den Händler geben kann. Nur so lässt sich vermeiden, dass der Händler Entgelte für Echtzeitzahlungen dem Kunden belastet. Hier muss es dringend eine Möglichkeit geben, die Gebühren an denjenigen zu transferieren, der den Vorteil hat.

Sorge vor Abhängigkeiten

Die Europäische Zentralbank und die Kommission liegen in ihrer Analyse des Umfelds völlig richtig. Wir befinden uns in einem Umfeld, in dem - je nach Land - 80 bis 90 Prozent der Zahlungen am PoS stattfinden, 10 bis 20 Prozent im E- und M-Commerce und vielleicht ein Prozent im Bereich der Peer-to-Peer-Zahlungen. Schaut man sich an, wo und wie Innovationsfelder besetzt werden, muss man schon Sorge haben, ob Banken und Sparkassen mit ihren Bezahlverfahren, insbesondere im E- und M Commerce, wo das Wachstum am stärksten ist, eine gute Positionierung haben. Auch mit Blick auf Paypal, Apple Pay und Google Pay besteht am PoS immer mehr Risiko, aus den bisherigen Rollen herausgedrängt zu werden.

Ferner besteht das Problem - und hier stimmen wir mit der EZB, der Kommission und der Bundesbank völlig überein - dass die Plattformökonomie sehr stark von der "The Winner takes it all"-Situation geprägt wird: Es gibt ein Paypal, ein Google, ein Airbnb. Das ist der Punkt, an dem einerseits die Kreditwirtschaft die Sorge hat, an Relevanz zu verlieren. Andererseits haben auch die Kommission und die deutsche Politik erhebliche Sorgen, dass wir zu sehr in Abhängigkeiten geraten - von US-amerikanischen Bezahldiensten oder künftig von chinesischen Playern.

Angesichts der Verschiebung der geopolitischen Machtverhältnisse verstärkt sich diese Sorge - vor allem, wenn man den Blick auf die zunehmend vernetzte Gesellschaft mit Maschine-zu-Maschine Kommunikation wie beispielsweise das voll vernetzte Auto richtet. Hier möchte niemand in eine Situation kommen, in der beispielsweise ein Zahlungssystem, auf das europäische Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden keinen Einfluss haben, ein Fahrzeug stilllegen kann.

Gemeinsamer Wunsch nach einer europäischen Lösung

In diesem Kontext besteht ein starker gemeinsamer Wunsch, als Industrie gemeinsam eine europäische Lösung zu etablieren, um nicht von Bezahlverfahren abhängig zu sein, die Gesetzgeber und Aufsichten in Europa nicht beeinflussen können.

Im Bereich Payments gibt es seitens der Aufsichtsbehörden und der Politik eine hohe Wertschätzung für das, was Banken tun und wie sie international zusammenarbeiten. Mein persönlicher Eindruck aus Gesprächen mit allen relevanten Institutionen ist: Man wünscht sich, dass die Banken dieses Problem selber lösen, weil sie das Ökosystem und ihre Kunden am besten kennen - sowohl auf der Firmen- als auch auf der Privatkundenseite. Ich nehme auch einen sehr starken Wunsch wahr, in einer europäischen Kooperation der Banken gemeinsam zum Ziel zu kommen.

Eine komplexe Herausforderung

Ist das einfach? Es ist leider nicht einfach. Wir können untereinander sehr gut kommunizieren, aber die Komplexität zeigt sich in verschiedenen Dimensionen. Das erste, was sehr schwierig ist, ist die Frage einer differenzierten Value Proposition: Welches ist das Produkt, mit dem man sich in den einzelnen Payment Use Cases - PoS, E-Commerce, M-Commerce - gegenüber dem Wettbewerb ausdifferenzieren kann? Rasch eine Lösung zu finden, die besser ist als existierende, wird sehr schwierig sein. Auch die Kartenerfahrung wird sich für den Konsumenten nicht ändern.

Die Industrie kann aber versuchen, über zwei Dimensionen Differenzierung zu schaffen: Das eine ist die Integration der verschiedenen Bezahlverfahren zu einem Bezahlverfahren in der Wahrnehmung der Konsumenten, das jedoch in allen Kanälen funktioniert. Das andere ist die Integration dieses Bezahlverfahrens mit bankspezifischen Leistungen. Ein offensichtliches Beispiel ist der Geldautomat. Diese Lösung zu imitieren, wird für andere schwierig sein. Ein anderes Beispiel: Ein Internet-Bezahldienstleister bietet jetzt auch Ratenkredite an - zum Schnäppchenzinssatz von nicht minus 0,4 Prozent, sondern von 9,99 Prozent. Auch an dieser Stelle können Banken über eine Integration deutlich bessere Lösungen anbieten - und das durch die holistische Sicht auf den Kunden mit besserem Risikomanagement und damit besseren Konditionen.

Gute Ausgangsbasis

Überall, wo Menschen zusammenarbeiten, hat man das Problem persönlicher Befindlichkeiten. Eine wesentliche Herausforderung wird es sein, eine Lösung zu finden, die wettbewerbsfähig und attraktiv für den Kunden ist, die zeitnah geliefert wird und die die Partikularinteressen überwinden kann. Hier den Konsens in der Kreditwirtschaft und im weiteren Ökosystem herzustellen, um zu einer europäischen Alternative zu finden, wird die Herausforderung der nächsten Monate sein.

Das wurde wiederholt erfolglos versucht. Die Rahmenbedingungen haben sich jedoch seitdem verändert. Zum einen gibt es die notwendige Infrastruktur für eine europäische Lösung und europäische Gremien, in denen man gewohnt ist, zusammenzuarbeiten. Es gibt auch eine deutliche Veränderung der Wahrnehmung der Politik auf die Banken - gerade im Payment-Bereich. Die Zentralbanken sind mittlerweile ein starker Advokat der Banken in diesem Umfeld, da auch sie ein Interesse daran haben, dass Banken und Zahlungsverkehr in Europa weiter funktionieren. Es gibt ein starkes gemeinsames Interesse zwischen Banken, anderen Providern im Ökosystem, Zentralbanken, Regierungen und Aufsichtsbehörden, gemeinsam in eine Richtung zu finden, um eine Lösung zu finden. Von daher bin ich zuversichtlich, was die Zukunft unserer Branche angeht. Nächstes Jahr werden wir es deutlich besser wissen.

Der Beitrag basiert auf einem Vortrag des Autors auf dem Bankkarten-Forum 2019.

Christian Schäfer, Director, Head of Payment Products & Solutions, Initiative Director - Group wide PSD2 project, Deutsche Bank AG, Frankfurt am Main
Christian Schäfer , Director, Head of Payment Products & Solutions, Initiative Director - Group wide PSD2 project, Deutsche Bank AG, Frankfurt am Main
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