Im Gespräch

"Der Deal mit Ingenico ist ein guter Deal" – Interview mit Niklaus Santschi

Niklaus Santschi

Qulle: BS Payone

Die Vereinbarung der DSV-Gruppe mit Ingenico ist für beide Seiten vorteilhaft, ist sich Niklaus Santschi sicher. Für die Sparkassen ist sie wichtig, weil sie einen Technologiepartner bekommen, der Payone die Zukunftsfähigkeit sichert, sich aber gleichzeitig ein Mitspracherecht bei wichtigen Entscheidungen sichern. Die Konzentration der neuen Payone auf die DACH-Region passt, weil auch viele Entscheidungsträger bei Kunden Verantwortung für diese Region tragen. Santschi schließt aber auch nicht aus, dass Payone künftig weiter konsolidiert oder Teil eines globalen Players werden wird. Red.

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Wie bewerten Sie die Vereinbarung des DSV mit Ingenico?

Es ist für alle Parteien ein guter Deal - für die Ingenico-Gruppe, weil sie zu einem sehr großen Asset findet, ohne Cash einbringen zu müssen, für die Sparkassen, weil sie einen Partner bekommen, der industriell und strategisch viel beiträgt, und für Payone, weil er das langfristige Bestehen sichert.

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Der DSV bezeichnet die Gründung des Joint Ventures mit Ingenico als Ausbau des Payment-Geschäfts. Wie passt das damit zusammen, dass die Mehrheit an der künftigen Payone GmbH an Ingenico abgegeben wird?

Das erschließt sich in der Tat nicht sofort. Wenn die Sparkassen im Händlergeschäft bleiben wollen und einen Partner finden, der zu den führenden Anbietern von Technologie gehört, dann ist allein schon das Zusammengehen ein Schritt in Richtung Ausbau. Zweitens bringt der Partner in Deutschland interessante Marktsegmente mit. Drittens gibt der DSV zwar die Mehrheit ab, behält sich aber wichtige Rechte für den Sparkassensektor vor, übergibt aber den Lead für die Weiterentwicklung einem Strategen. Insofern bauen die Sparkassen das Payment-Geschäft mit einem intelligenten Einsatz von Ressourcen aus.

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Welche Rechte haben sich die Sparkassen vorbehalten?

Zu Einzelheiten kann ich mich nicht äußern. Es ist aber so, dass alle Gremien paritätisch aufgesetzt sind, obwohl Ingenico die Mehrheit hält. Die Konsolidierung erfolgt bei Ingenico. Bei wichtigen geschäftlichen Entscheidungen und insbesondere in Bezug auf die Sparkassen kann der DSV seinen Einfluss geltend machen und verfügt über entsprechende Rechte. Aus meiner Sicht sind diese gut aufgesetzt, weil sie die Interessen der Sparkassen vorteilhaft abbilden, aber für das zukünftige Unternehmen in seiner Gänze nicht geschäftsbehindernd sind.

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Wie kann die größere Payone helfen, das Akzeptanzgeschäft der Sparkassen ausbauen?

Payone hat hier bereits einige Vorarbeit geleistet. Im Rahmen der sparkassenübergreifenden Strategie, die Girokonto-, Karten- und Zahlungsverkehr der Sparkassen adressiert, haben wir für Firmenkunden eine Strategie entwickelt, die wir jetzt implementieren. Im Wesentlichen geht es darum, den Betrieb zwischen Payone, den Sparkassen und ihren Kunden zu optimieren, Prozesse zu digitalisieren und zu vereinfachen und spezielle Produktsets für Sparkassenkunden zu definieren. Hier sind wir auf einem guten Weg.

Ingenico ist Weltmarktführer bei PoS-Terminals, aber auch bei Kassensystemen und Netzwerkgeschäften. Für Großkunden haben sie sehr interessante Plattformen, die Transaktionen bündeln können. Diese Technologie in ihrer Gesamtheit wird jetzt bei Payone konzentriert und wird damit auch für den Sparkassensektor nutzbar.

Aus unserer Strategiearbeit mit den Sparkassen sehen wir, dass viele Sparkassen das Thema Akzeptanz gar nicht auf dem Radar hatten. Hier setzt sich die Erkenntnis durch, dass man in diesem Kontext durchaus Erträge, Loyalität und Kundenbindung erzeugen kann. Wir haben zum Beispiel ein Konzept "Aus der Region für die Region" entwickelt. Hier kann die Sparkasse über eine App ihre lokalen Händler anbinden, sodass deren Endkunden von unterschiedlichen Angeboten profitieren können. So können die Sparkassen ihre Privat- und Firmenkunden miteinander verbinden. Solche Dinge wurden bisher noch zu wenig angegangen.

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Werden durch die Neuaufstellung einige der bisher eingeleiteten Maßnahmen obsolet?

Nein. Die Maßnahmen, die wir eingeleitet haben, sei es Automatisierung von Prozessen, die Digitalisierung von Kundenprozessen oder Angebotsveränderungen, sind auch im Joint Venture wichtige Pfeiler für die Zukunft.

Aber natürlich ist es die Zielsetzung, die zwei Netzbetreiber und zwei Acquirer zu verschmelzen auf jeweils ein Netzbetriebs- und Acquiringsystem und eine Corporate IT. Damit entstehen auch Synergien auf den Plattformen. Derzeit sind wir dabei, eine Roadmap aufzustellen, welches System in Zukunft das Leadsystem sein und wie die Überführung vonstattengehen soll.

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Welche Gesellschaften gehen im Einzelnen in der neuen Payone auf?

Bei dieser Frage ist wichtig zu verstehen: Ingenico hat zwei Business Units. Die eine nennt sich "Banks and Acquirer" und produziert und vertreibt Terminals. Diese Geschäftseinheit ist von dem Joint Venture überhaupt nicht betroffen.

Die zweite Business Unit "Retail" bietet im Wesentlichen Händlerkundenservices. In dieser Sparte gehört in Deutschland die ehemalige Easycash dazu, heute Ingenico Payment Services, außerdem Ingenico Marketing Services und Ingenico Collecting Services. Zudem werden alle Assets und zum Teil auch Gesellschaften aus dem DACH-Raum, die den Endkunden adressieren mit eingebunden. Von der BS-Payone-Seite kommen alle Gesellschaften dazu.

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Weshalb wird die technische Plattform von Ogone nicht mit integriert?

Ogone hat seine Kernmärkte im Benelux-Raum. Ingenico will diesen Bereich ausbauen. Die Plattform von Payone ist speziell in Bezug auf Deutschland moderner und differenzierter und damit geeigneter für die Zukunft. Damit ist sie auch als Lead-Plattform gesetzt.

Mit Global Collect hat Ingenico eine weitere Plattform für globale Händler mit Sitz in Holland. Die Zielkunden sind aber ganz andere als in unserem Fall. Was auf den ersten Blick wie ein Sammelsurium aussieht, bedeutet: Kundensegmente werden über Technologie gestellt.

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Weshalb die Konzentration auf Benelux auf der einen und Deutschland, Österreich, Schweiz auf der anderen Seite anstelle eines paneuropäischen Ansatzes?

Das Joint Venture für die DACH-Region lässt sich vielleicht mit der Opportunität erklären. Hätte Ingenico nicht die Chance gehabt, das Joint Venture mit Payone zu bilden, hätte man das Geschäft wahrscheinlich europäisch ausgerollt.

Die Chance, mit einem erfahrenen Player in Deutschland und den Sparkassen etwas zu realisieren, war aus Sicht von Ingenico vermutlich besser, um langfristig in diesem Markt erfolgreich zu sein, als dies mit dem eigenen Brand zu tun. Insofern glaube ich, dass die Gründung des Joint Ventures nicht initial aus strategischen Gründen ins Auge gefasst wurde, sondern auf Basis einer Analyse, was möglich und sinnvoll ist. Für den Wirtschaftsraum DACH ist die gefundene Lösung sicher eine der vielversprechendsten.

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Ist das Potenzial in der Region groß genug, um die nötigen Skaleneffekte zu realisieren?

Das Marktpotenzial in Deutschland ist nach wie vor sehr groß. Durch Spezifika wie die Girocard natürlich auch ein sehr spezieller Markt. In der Schweiz beträgt die Population zwar nur ein Zehntel von der in Deutschland, dafür ist die Kartenzahlungsrate sehr hoch. Auch Österreich hat noch ein hohes Potenzial. In der Region gibt es wie in Deutschland noch tausende Händler, die gar keine bargeldlosen Zahlungen akzeptieren. Insofern gibt es für die nächsten Jahre noch eine Menge Transformationspotenzial.

Sicher ist: Die Konsolidierung hört nicht auf. Ich schließe deshalb nicht aus, dass Payone irgendwann eine sinnvolle Ergänzung eines globalen Players werden oder selber weiter konsolidieren wird. Das passiert aber selten auf einer technischen Plattform. Sondern hier wird man mit europäischen oder regionalen Plattformen arbeiten. Zum Beispiel werden wir langfristig sicher versuchen, die Kreditkartenabwicklung mit anderen Plattformen von Ingenico zusammenzuführen, während der Netzbetrieb eine deutsche Angelegenheit ist, bei der es keinen Sinn macht, ihn mit Frankreich zusammenzulegen.

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Wie hoch sind die Synergieeffekte, die sich durch das Joint Venture ergeben?

Wir gehen davon aus, dass wir in den nächsten vier Jahren etwa 30 Millionen Euro an Synergien generieren werden. Der dominante Anteil entfällt auf Systemplattformkosten, außerdem gibt es Personal- und Wachstumssynergien sowie investitionsseitige Synergien.

Zu letzterem gehören zum Beispiel Sicherheitssysteme, die wir nur noch einmal entwickeln müssen. Und schließlich ergibt sich auch durch das Zusammenlegen von Lizenzen weiteres Synergiepotenzial.

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Die Plattform wird sicher die von Ingenico sein?

Es wird nicht so sein, dass das Joint Venture alleinig Ingenico-getrieben sein wird. Wir werden die zukunftsfähigsten Komponenten wählen und eine neue Plattform daraus bauen. Mehr kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht dazu sagen.

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Kann die Konzentration auf die DACH-Region auch ein Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb sein?

Das ist richtig: Die Konzentration auf den Markt bringt eindeutig Vorteile. Der Nachteil: Kunden, die global über den DACH-Raum hinaus agieren wollen, verliert man mittel- bis langfristig. In Zukunft haben wir die Möglichkeit, genau diese Kunden innerhalb des Ingenico-Konzerns zu vermitteln, um die globale Betreuung zu gewährleisten.

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Wie passt der etwas spezielle deutsche Markt mit Österreich und der Schweiz zusammen?

Das ist ein guter Punkt. Die Schweizer haben ein ganz anderes Zahlungsprotokoll, das viel offener und für den Acquirer einfacher nutzbar für weitere Leistungen ist. Auch Österreich hat unterschiedliche Protokolle, denen man mit passender Technologie begegnen muss. Das erhöht zugegebenermaßen die Kosten. Im Gegenzug wiegt der Vorteil der gemeinsamen Sprache, zum Beispiel beim Aufsetzen von Verträgen, einiges auf, auch wenn bei Marketing- und Vertriebsunterlagen in der Regel landestypische Anpassungen vorzunehmen sind.

Entscheidend aber ist, dass viele größere Kunden, sich auch entsprechend organisieren, sodass die Entscheidungsträger oft Verantwortung für den DACH-Raum tragen.

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Wie stehen Sie zur Girocard?

In meiner Rolle als Geschäftsführer eines Händlerdienstleisters beurteile ich die Girocard zurückhaltend. Im Grunde sind wir hier nur Abwickler. Aus Banken und Sparkassensicht ist die Betrachtung eine ganz andere, denn diese bekommen attraktive Entgelte. Insofern kann ich die Banken gut verstehen, dass sie das System schätzen, das gut eingeführt und ertragreich ist und kontinuierlich wächst. Auch aus Händlersicht ist es ein gutes Produkt.

Für uns als Händlerdienstleister ist es ein Commodity-Produkt, aber mit wenig Chancen, daran etwas zu verdienen. Darum bin ich kein großer Girocard-Fan. Die Girocard ist aus unserer Perspektive nur dann interessant, wenn wirklich Masse darüber abgewickelt wird. Entscheidend ist aber auch hier wieder: Der Konsument schätzt die Girocard, und damit ist es auch für uns ein Schlüsselprodukt.

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Wo sehen Sie mehr Differenzierungsmöglichkeiten?

Wir sehen uns klar auf dem Weg zu einem Digital Merchant Service Provider, also einem digitalen Händlerdienstleister, der neben diversifizierten Payment-Produkten, sein "Key Set" in Leistungen sieht, die dem Händler sein Leben erleichtern. Wir wollen zukünftig noch mehr im Sinne unserer Kunden denken und uns an deren Bedürfnissen, die ihren Geschäftsalltag erleichtern, ausrichten. Das können neben alternativen Zahlungsmitteln und -methoden auch Risiko Management Services, Kassen und Buchhaltungssysteme oder auch Marketinginstrumente sein.

Das hat am Ende nur noch wenig mit klassischem Zahlungsverkehr zu tun. Die zukünftige Hinwendung in Richtung anderer Geschäftsfelder wird die Zusammenarbeit mit den Sparkassen deutlich intensivieren: Wir sind beispielsweise momentan dabei, eine KMU-Händlerkasse mit integrierten Lösungen zu entwickeln, die die wichtigsten Funktionen des "Daily Business" für kleinere Unternehmen abdeckt.

Diese Lösung wird die Grundlage für weitere Services sein, die die Sparkassen ihren Händlern als Kundenbindungsinstrument an die Hand geben können. Sie können damit ihren KMU-Kunden ein attraktives Package aus Zahlungsverkehr, Finanzierung und anderen Dienstleistungen aus dem Sparkassenumfeld schnüren, solange der Händler in einer gewissen Dimension bleibt und die "KMU-Schallmauer" nicht durchbricht.

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Wie weit sind sie auf diesem Weg?

Weit. Derzeit laufen die Piloten. Im nächsten Jahr wird das Konzept dann an den Markt gebracht.

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Ziel ist es, im Händlergeschäft Marktführer in der Region zu werden. Wie sieht der Stand heute aus?

Das hängt davon ab, woran man die Sichtweise festmacht. Im Acquiring gehören wir schon heute zu den führenden Unternehmen. Mit etwa 300 000 Terminals am Netz, verfügen wir sicher über den größten Bestand in Deutschland.

Das künftige Joint Venture hat die Chance, in unterschiedlichen Disziplinen Marktführer zu werden. In der Breite des Angebots werden wir als Payone sicher der Dienstleister die umfassendsten Lösungen bieten.

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Auf welche Wettbewerber schauen Sie am meisten?

In der Schweiz und Österreich ist das sicher Six/Worldline, die dort absolut dominant ist. In Deutschland sind Concardis, Telecash und Intercard starke Wettbewerber, dann aber auch Six, Adyen, die im E-Commerce stark sind, und nicht zuletzt Wirecard. Durch die große Bedeutung des Kaufs auf Rechnung kommen weitere Anbieter wie Sofort oder Klarna hinzu.

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Wie steht es um die Wechselfreudigkeit der Kunden? Sinkt die mit der neuen Komplexität?

Das ist noch schwer zu sagen. Je mehr Partner involviert und je integrierter Lösungen sind, desto aufwendiger wird es für Kunden zu wechseln, da die Hürden größer werden. Die meisten größeren Unternehmen fahren deshalb eine Zwei-Partner-Strategie, weil sie nicht abhängig sein wollen. Es gibt aber auch Kunden, die ganz systematisch alle zwei oder drei Jahre wechseln.

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Welchen Anteil an den Erträgen machen Zusatzservices heute aus - und welcher Anteil ist noch möglich?

Das ist eine gute Frage. Verdienen kann man mit DCC-, Tax-Free- und Reporting-Lösungen, aber auch mit Buchhaltungs-Abgleich, zum Beispiel bei E-Commerce-Kunden, die ganz bewusst hohe Retouren in Kauf nehmen. Der Anteil solcher Erträge beträgt heute schon über zehn Prozent. Wenn wir die Kassenthemen angehen, lässt er sich aber sicher auf 20 bis 25 Prozent steigern, um mit der Zeit ein anderes Kerngeschäft aufzubauen. Die Zahlungsabwicklung an sich wird immer unwichtiger.

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Stichwort DCC: Wie praktikabel sind hier die neuen Regulierungspläne der EU-Kommission?

Jeder Issuer kann die Gebühren festlegen, wie er will. Deshalb ist es gar nicht machbar, all diese Aufschläge bereits am Terminal auszuweisen. Die EU-Kommission müsste vielmehr bei der Regulierung der Bankgebühren ansetzen. Aus Verbrauchersicht ist es nicht legitim, den Fremdwährungszuschlag zweimal zu berechnen. Allerdings ist die Bankenlobby größer als die der Acquirer.

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