Handel

" Kleve soll nicht das kleine gallische Dorf werden" Interview mit Ute Marks

Ute Marks

Seit Februar dieses Jahres versucht der Einzelhandel in Kleve, nach niederländischem Vorbild durch Auf- oder Abrunden jeweils auf den nächsten 5-Cent-Betrag die Kosten für die Bearbeitung von 1- und 2-Cent-Münzen zu senken. Bisher beteiligt sich die Hälfte der Händler an dem Konzept. Insbesondere bei Filialisten wird die Umsetzung durch das Fehlen einer Rundungstaste im Kassensystem gehemmt, so Ute Marks. Seitens der Kunden wird das Runden größtenteils akzeptiert. Auswirkungen etwa in Form häufigerer Kartenzahlung gibt es bisher offenbar nicht. Red.

Weshalb hat sich der Einzelhandel in Kleve für das Rundungsmodell entschieden?

Das Thema wird bereits auf höherer Ebene diskutiert - beispielsweise im Arbeitskreis Bargeldlogistik des Handelsverbands. Es hat sich nur bisher keiner getraut, es umzusetzen.

Kleve liegt nahe der niederländischen Grenze. Deshalb bekommen wir seit Jahren mit, wie dort das Rundungsmodell praktiziert wird. Insofern war es angesichts der steigenden Gebühren für die Bargeldbehandlung naheliegend, darüber nachzudenken, das genauso zu tun.

Der Gedanke kam im Herbst 2015 im Rahmen einer Versammlung des Klever City Netzwerks auf. Im Januar 2016 haben die Vorbereitungen begonnen, im Februar war der Kickoff. Ziel ist es, das Barzahlen für den Handel, aber auch für den Kunden zu vereinfachen.

Das ginge ja im Grunde auch über "glatte" Preise ...

Darüber wird der Handel sicher in Zukunft noch einmal nachdenken. Professoren von der Bochumer Universität haben inzwischen empirisch herausgefunden, dass die Mär von der psychologischen Wahrnehmung der "krummen" Preise beziehungsweise der Preissschwellen etwa von 1,99 auf 2 Euro gar nicht mehr stimmt. Sondern der Kunde rundet automatisch im Kopf.

Bargeld ist in Deutschland gesetzliches Zahlungsmittel. Das Rundungsverfahren funktioniert somit nur auf freiwilliger Basis?

Es ist eine freiwillige Maßnahme - übrigens auch in den Niederlanden. Dort ist das Verfahren jedoch Standard, der Kunde wird gar nicht erst gefragt, ob er dazu bereit ist. Das ist in Kleve anders. In den meisten teilnehmenden Geschäften werden die Kunden gefragt, ob sie mit dem Runden einverstanden sind. Das heißt der Kunde kann natürlich weiterhin mit Cent-Münzen bezahlen. Die Erfahrung aus den Niederlanden und anderen europäischen Ländern zeigt jedoch, dass das Volumen an Münzen tendenziell immer weiter abnimmt.

Welcher Anteil der Händler muss denn mitmachen, damit ein solches Konzept überhaupt funktionieren kann?

Aus unserer Sicht wäre es sinnvoll, wenn der Ansatz von Kleve aus noch mehr Verbreitung finden würde. Kleve soll ja auf Dauer nicht das kleine gallische Dorf werden.

In Kleve hat im Moment über die Hälfte der Mitglieder des City-Netzwerks eine aktive Teilnahme bekundet. Das Organisationsteam ist jedoch derzeit dabei, hier noch einmal nachzuarbeiten und die Mitglieder dazu zu gewinnen, sich an dem Konzept zu beteiligen.

Das City Netzwerk ist natürlich daran interessiert, in Kleve zu einer 100-Prozent Abdeckung zu kommen. Das ist wahrscheinlich nicht realistisch, weil die großen Lebensmittelketten andere Strukturen haben als der kleine Einzelhändler. Die Lebenstmittelketten zum Beispiel wollen ihren Kassierern – insbesondere in Stoßzeiten – nicht zumuten, das Runden im Kopf zu machen.

Gibt es dafür keine technische Lösung über das Kassensystem?

Mit einigen größeren Händlern gerade aus dem Lebensmittelbereich wollen wir darüber sprechen, wie eine technische Umsetzung möglich ist. 2017 wird es ohnehin neue Kassen geben.

In den Niederlanden gibt es bereits Kassen mit einer Rundungstaste, die den gerundeten Betrag darstellt. Auch in Kleve hat eine Bekleidungskette, die unter anderem auch eine Filiale in Bottrop unterhält, eine Kasse mit einer solchen Funktion eingerichtet, sodass am Ende des Tages ein sauberer Kassenabschluss vorgewiesen werden kann.

Ist die Rundungsdifferenz bei Kassen ohne eine solche Rundungsfunktion steuerrechtlich relevant?

Bei kleinen Einzelhändlern ist das sicher vergleichsweise einfach. In Kleve gibt es zum Beispiel einen niederländischen Käsehändler, der seit jeher zugunsten der Kunden abrundet und diesen Verlust auch gegenüber dem Finanzamt darstellt. Auch im deutschen Steuerrecht ist vieles darstellbar.

Es gibt jedoch bei den Rundungsdifferenzen noch einen anderen Aspekt: Wenn Unternehmen ihre Kassierer in größerem Stil daraufhin überprüfen, ob sie sauber abgerechnete Kassen übergeben, muss man klären, welche Differenzen es durch Rundungsmodelle geben könnte, um von diesen statistischen Werten abweichende Differenzen bewerten zu können.

Diese Schwierigkeiten müssen jetzt angegangen werden. All diese Fragen werden unter anderem mit Vertretern des Wirtschaftsministeriums oder des Handelsverbands diskutiert.

Stand heute gibt es noch keine anderen Gemeinden, die sich angeschlossen haben?

Bisher ist mir nichts bekannt, obwohl die Resonanz in den Medien enorm war - größer übrigens als in der Stadt selbst. Der Handel beobachtet das Projekt sehr interessiert, der HDE in Düsseldorf hat das Runden auch seinen Mitgliedern empfohlen. Noch scheint man jedoch abzuwarten. Der HDE in Berlin wünscht sich eine europäische Lösung. Doch die ist sicher Zukunftsmusik.

Gibt es schon Erkenntnisse dazu, wie sich das Runden auf die Kosten der Bargeldbearbeitung auswirkt?

Nein. Dazu haben wir noch keine Analysen. Dies muss man sich jedoch noch genauer anschauen. Im Moment ist geplant, in Zusammenarbeit mit der Hochschule Rhein-Waal in Kleve eine Untersuchung den bei Händlern vor Ort durchzuführen.

Dabei geht es zum Beispiel auch darum, herauszufinden, welche Differenz am Ende des Tages durch das Runden unter dem Strich herauskommt und wie sich das Runden auf die Münzbewegungen auswirkt. Dazu gibt es übrigens auch eine Untersuchung der Bundesbank vom Mai 2015.

Wie ist es um die Akzeptanz seitens der Kunden bestellt? Ist es wirklich die Ausnahme, dass Kunden auf centgenauer Abrechnung bestehen?

Ja. Die Akzeptanz ist erwartungsgemäß groß. Auch die Niederländer sind schließlich ein Volk von Pfennigfuchsern. Wenn die Niederländer das Runden akzeptieren, tun es die Deutschen auch.

Natürlich gibt es auch Einsprüche von Kunden, die sich sorgen, ob das Runden nicht zu einer schleichenden Inflation führt. Eine weitere Argumentation ist die Befürchtung einer Abschaffung des Bargelds. Doch das ist gar nicht unser Ansatz.

Führt das Runden zu häufigeren Kartenzahlungen? Und wäre das ein erwünschter Nebeneffekt?

Ich glaube, hier wird die Entwicklung ihren Lauf nehmen. Ob das Runden auf die Kartennutzung einen Einfluss hat, vermag ich heute noch nicht zu sagen. Gerade kleineren Händlern ist ja auch die Kartenakzeptanz zu teuer.

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