IM GESPRÄCH

"Das Level Playing Field ist durch die Regulierung in Unwucht geraten" Interview mit Sonja Scott

S. Scott, Foto: American Express

In Sachen Akzeptanz hat American Express von der Interchange-Regulierung profitiert. Ansonsten kann Sonja Scott der Regulierung wenig abgewinnen. Von der anstehenden Evaluation erhofft sie sich endlich gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer, vor allem durch die Abschaffung des Surcharging. Ebenfalls skeptisch blickt sie auf die 2-Faktor-Authentifikation. Der Handel müsse aber noch einen Gang zulegen, um bis September für die neuen Vorschriften vorbereitet zu sein. Als bereit bewertet sie den deutschen Markt mit Blick auf des Mobile Payment. Apple Pay entwickelt sich dynamisch - und ist auch aus Emittentensicht profitabel. Red.

Wo steht American Express heute in Deutschland?

American Express hat sich in den vergangenen Jahren sehr positiv entwickelt. Im Kartengeschäft fahren wir zweigleisig: Mit der Payback American Express Karte, mit der wir ein breiteres Segment adressieren, wachsen wir immer noch sehr stark. Mit Centurion, Platinum und Gold-Karten richten wir uns an eine andere Zielgruppe. Hier wachsen wir besonders stark im Platinum-Geschäft. Die Resonanz einer großen Online-Akquisitions-Kampagne für Platinum hat uns unlängst sehr positiv überrascht.

Bei den Firmenkarten sind die kleinen und mittelständischen Unternehmen das am stärksten wachsende Segment. Hier wollen wir das Angebot von American Express bekannter machen, damit der Mittelstand weiß: Amex ist mehr als nur eine Karte. Wir können zum Beispiel verlängerte Zahlungsziele oder Working-Capital-Optimierungen bieten. Gerade im KMU-Bereich helfen Partnerschaften, sich bekannter zu machen.

Auf der Akzeptanzseite haben wir in den letzten Jahren sehr viele Händler hinzugewonnen, darunter große wie Ikea, Media Markt, Aldi Süd und Nord, Lidl, Netto Marken-Discount und die Handelskette Netto in Norddeutschland. Nach diesen Fortschritten wollen wir uns in den nächsten Jahren wieder auf die kleineren Händler konzentrieren, hauptsächlich in den Großstädten und der Restaurantbranche, um dem Segment der Corporate-Card-Kunden gerecht zu werden. Hier sehe ich noch Nachholbedarf.

Kannibalisiert Payback ein Stück weit das klassische Geschäft?

Das können wir nicht feststellen. Wir bedienen zwei unterschiedliche Zielgruppen. Mit der Payback American Express Karte erreichen wir Kunden, die wir sonst nicht gewonnen hätten. Das liegt am Produkt selbst und dem damit verbundenen Loyalty-Programm - einerseits Payback, andererseits Membership Rewards. Payback zielt auf einen breiteren Kundenkreis ab und ergänzt unser bestehendes Portfolio hervorragend.

Ein wichtiges Argument für die Amex-Akzeptanz war immer der im Vergleich zum Wettbewerb höhere Durchschnittsbon. Verwässert das durch Payback?

Natürlich gilt dieses Argument vor allem für die klassischen Karten, angeführt von den Premium-Karten. Aber auch über das gesamte Portfolio hinweg liegt der Durchschnittsbon immer noch höher als bei den anderen Anbietern.

Wird 2019 der schon so häufig vorausgesagte Durchbruch des mobilen Bezahlens in Deutschland kommen?

Ich denke schon. Der Bedarf ist da. Und nach der bisherigen Resonanz auf Apple Pay scheint es, als würde da tatsächlich etwas in Deutschland in Bewegung kommen. Das bargeldlose Bezahlen ist endlich auf dem Vormarsch.

Welche Resonanz verzeichnen Sie bisher bei Apple Pay?

Mit Apple Pay sind wir im Dezember gestartet und sind sehr positiv überrascht über die hohe Resonanz. Wenn man die Länder in Europa betrachtet und die Anzahl der Amex-Karten vergleicht, die dort jeweils in der ersten Woche nach dem lokalen Start von Apple Pay hinterlegt wurden, ist Deutschland in der Amex-Welt führend. Daraus lässt sich schließen, dass wir hierzulande inzwischen so weit sind. Auch die Transaktionszahlen bei Apple Pay sind beeindruckend. Vielleicht liegt dies nicht zuletzt daran, dass das Bezahlen mit der Transaktionsfreigabe per Fingerabdruck so einfach ist.

Sehen Sie in der Transaktionsfreigabe per Fingerabdruck die Zukunft - auch im Hinblick auf die Zwei-Faktor-Authentifikation?

Wenn die Kunden dafür affin sind, ist das sicher ein Weg, der für alle Seiten einfach ist. Es gibt jedoch immer noch genug Kunden, die nicht über ein Handy mit Fingerabdrucksensor verfügen oder die das schlicht nicht möchten. Hier muss man andere Lösungen finden - und zwar bald.

Die Zwei-Faktoren-Authentifikation greift im September 2019. Zeit, einen Schritt zuzulegen. Dem E-Commerce muss der enge zeitliche Rahmen bewusst sein, damit die Transaktionen am Ende nicht durch den Kartenherausgeber abgelehnt werden müssen.

Für wie realistisch halten Sie ein solches Worst-Case-Szenario?

Ich habe Bedenken. Teile des Handels haben sich der Thematik sehr spät angenommen. Hier müssen jetzt alle Teilnehmer inklusive der Payment Service Provider an einem Strang ziehen. Es gibt immer noch technische Details und Ausnahmeregelungen, die im Zusammenspiel von Kartenindustrie und dem Handel geklärt werden müssen.

Wie ist Amex dafür aufgestellt?

Das ganze Thema Strong Customer Authentification kam ja aus der Fraud-Thematik. Als 3-Parteien-System haben wir sehr niedrige Fraud-Raten. Somit haben wir eine sehr günstige Ausgangssituation.

Wie kann sich American Express aufgrund der Struktur als Drei-Parteien-System sonst noch vom Wettbewerb differenzieren?

Das gelingt immer dort, wo es darum geht, Kunden gezielt anzusprechen. Solche Servicethemen können wir aus einer Hand anbieten. Diesen direkten Zugang zum Kunden haben andere Anbieter nicht.

Ein Beispiel ist Amex Offers - eine Weiterentwicklung unseres Loyalty-Programms. Nutzer der Amex-App können dort jetzt Angebote von teilnehmenden Händlern einsehen. Das macht die Nutzung der App für Karteninhaber interessanter und bietet einen Mehrwert. Damit steigen die Nutzungszahlen. Auch Apple Pay ist ein "Booster" dafür.

Hilft Amex Offers auch bei der Gewinnung von Akzeptanzpartnern?

Dabei hilft ganz Vieles. Sehr geholfen hat zum Beispiel das kontaktlose Zahlen, gerade beim Lebensmitteleinzelhandel.

Auch Amex Offers ist sicher ein Faktor. Wir sehen, dass die Händler an der Möglichkeit, ihre Zielgruppe geografisch oder auf eine bestimmte Altersgruppe einzugrenzen, sehr interessiert sind. Über die App geht das alles sehr viel schneller als über das klassische E-Mail-Marketing. Angebote lassen sich besser steuern, nachjustieren oder auch auf eine bestimmte Anzahl an Kunden begrenzen. Auch die Reportings erfolgen sehr viel schneller. Die bisherigen Reaktionen sind sehr positiv.

Kann der Kunde über die App auch steuern, welche Angebote er überhaupt angezeigt bekommen möchte?

Derzeit sieht er alle Angebote. Das System ist aber ein lernendes System. Der Algorithmus kann aus dem Einkaufsverhalten schließen, welche Angebote für den Kunden interessant sind. Diese werden ihm dann bevorzugt angezeigt. In dem Maße, in dem mehr Angebote dazu kommen, wird man zwangsläufig selektieren müssen.

Gibt es auch standortbezogene Angebote, ähnlich wie zum Beispiel bei Alipay?

Im Zuge der App wird Amex Maps in den kommenden Monaten gelauncht, wo auf einer Karte die einzelnen Akzeptanzstellen mit den entsprechenden Angeboten angezeigt werden. Zu Beginn startet das Angebot mit Hotels und Restaurants.

Inwieweit hat die Interchange-Regulierung die Entwicklung auf der Akzeptanzseite beeinflusst?

Anfangs waren wir unsicher, was die Regulierung für American Express bedeuten würde. Inzwischen hat sich gezeigt: Die Akzeptanz für Kreditkarten ist beim Handel generell gestiegen. Davon konnte auch Amex profitieren. Natürlich sind auch bei uns die Preise nach unten gegangen. Unter dem Strich war die Bewegung für alle sehr positiv.

Konnten die sinkenden Preise durch mehr Umsatz kompensiert werden?

Bei uns ja. Amex hängt ja der Ruf nach, dass die Akzeptanz nicht so gut sei. Doch durch die vielen Akzeptanzstellen, die inzwischen neu gewonnen werden konnten, haben die Kunden nicht nur dort, sondern auch bei bereits bestehenden Händlern mehr Geld ausgegeben. Die Tendenz geht deshalb dahin, dass die Karten generell häufiger eingesetzt werden.

Wie bewerten Sie es, dass Mastercard und Visa der EU-Kommission eine Senkung der interregionalen Interchange angeboten haben? Bedeutet das, dass auch Amex die Preise weiter nach unten anpassen muss?

Das sehe ich nicht so. Die Interchange wurde zwar reguliert, aber dafür sind die Scheme Fees angestiegen. American Express hingegen hatte und hat immer nur eine einzige Gebühr, zu der keine weitere hinzukommt. Insofern blicke ich gelassen auf die Entwicklung.

American Express ist kein dominantes Scheme, um das ein Händler nicht herumkommt. Wenn ein Händler Amex akzeptiert, tut er das in der Regel bewusst, um eine bestimmte Zielgruppe zu adressieren.

Die Amex-Rate ist kompetitiv, sonst hätten nicht so viele neue Akzeptanzpartner gewonnen werden können. Bei den kleineren Händlern, bei denen der Satz momentan 1,9 Prozent beträgt, wird es aber wohl noch einmal einen Ruck geben.

Ich bin gespannt, was bei der Evaluation der Interchange-Regulierung herauskommt. Jetzt wird erst einmal gesammelt, wie die Regulierung in den einzelnen Mitgliedsstaaten umgesetzt wurde und was sich daraus ergeben hat. Das ist in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich. In Deutschland etwa ist Surcharging erlaubt, in anderen Ländern generell für Konsumentenkarten verboten. Ich würde mir wünschen, dass das Surcharging abgeschafft wird. Denn das ist nicht im Interesse des Kunden.

Die Intention der Kommission war es ja, den Verbraucher besser zu stellen. Wenn man heute zurückblickt, ist die gestiegene Akzeptanz das einzig Positive, was sich für den Verbraucher geändert hat. Der Verbraucher hat keine Preissenkungen gesehen.

Was wäre Ihre Erwartung an den Regulator?

Der Fokus muss darauf liegen, den Verbrauchern und Händlern eine echte Auswahl zu bieten und für gleiche Wettbewerbsbedingugnen zu sorgen. Die Regulierung hat den Zahlungsmarkt schwieriger gemacht. Es hat ein Eingriff stattgefunden. Manche Teile wurden reguliert, andere nicht. Wenn man einmal in den Markt eingreift, regelt er sich nicht mehr selbst. An diesem Punkt befinden wir uns jetzt. Das immer wieder angesprochene Level-Playing-Field ist durch diese Regulierung aus dem Gleichgewicht gekommen.

Für Teilnehmer wie American Express ist es schwierig, aus der Regulierung einen Nutzen zu ziehen. Bis auf die Tatsache, dass mehr Akzeptanz stattfindet, ist alles andere komplizierter geworden. In Europa hat sich American Express zum Beispiel aus dem Lizenzgeschäft zurückgezogen. Das hat zu weniger Wettbewerb geführt und einer Stärkung der großen Schemes. Die Zahl der Banken, die Mastercard, Visa und American Express ausgeben, ist in Europa erheblich gesunken.

Die ursprüngliche Intention der Kommission war es ja, die beiden großen Schemes zu regulieren und dadurch für mehr Wettbewerb zu sorgen. Was passiert ist, ist jedoch, dass American Express als Mitbewerber Nachteile erfahren hat. Drei-Parteien-Systeme sind zwar nicht reguliert, dafür kann bei Karten dieser Systeme Surcharging erhoben werden. So hat die Regulierung nicht dazu beigetragen, gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Genau das sollte aber eigentlich das Ziel sein.

Könnten Prepaid-Karten ein interessantes Geschäftsfeld für American Express sein?

Prepaid-Karten bietet American Express in Deutschland nicht an. Denn dafür bräuchte man eine besondere Lizenz. Ich glaube, das wäre kein Segment, in das wir einsteigen würden. Hier stellt sich die Frage, ob das Produkt so profitabel ist, dass es das wert ist, die regulatorischen Auflagen zu erfüllen. Belegt man die Karten mit einer entsprechenden Gebühr, leidet schließlich die Attraktivität für den Kunden.

Und wie sieht das bei P2P-Payments aus?

Hier muss man schauen, wie sich der Bereich entwickelt. Dieses Thema schauen wir uns durchaus an. In Schweden, wo ich auch für den Bereich Commercial Services verantwortlich bin, entwickelt es sich sehr dynamisch. Der Knackpunkt ist momentan die Profitabilität.

Wie sieht es denn damit in Schweden aus?

P2P-Payments sind dort weit verbreitet. Wenn man bei einem Schnellimbiss etwas kauft oder Zug fährt, kommt man heute ohne eine Bezahl-App oft nicht mehr weiter.

Schweden ist ja das europäische Paradeland, wenn es um den Verzicht auf Bargeld geht. Welche Erfahrungen aus Schweden lassen sich auf Deutschland übertragen, welche eher nicht?

Schweden ist auf dem besten Weg, sich zur bargeldlosen Gesellschaft zu entwickeln. Das liegt einerseits daran, dass der technische Fortschritt im Land stärker vorangetrieben wurde. Technische Lösungen wurden deutlich schneller zugänglich gemacht. Andererseits ist Schweden gesellschaftlich und kulturell deutlich offener für ein bargeldloses Leben. Convenience ist hier das Stichwort. Es gibt zum Beispiel Apps, um Parkplätze zu finden und gleichzeitig zu bezahlen. Parkautomaten gibt es nicht mehr.

Bargeldlose Bezahlmethoden vereinfachen den Alltag. Während die Schweden anerkannt haben, welche Chancen sich ihnen geboten hat, sind andere Länder reservierter.

Stichwort Internet der Dinge: Bieten die neuen Bezahlszenarien eher Chancen oder überwiegen die Risiken?

Man kann an solche Entwicklungen nicht mit Angst herangehen. Am Ende entscheidet immer der Kunde, ob er diese Dinge nutzt oder nicht. Die etablierten Anbieter sind ein Teil der gesamten Entwicklung und müssen sich entsprechend mitbewegen. Wir machen nicht alles mit, aber versuchen, immer einen Fuß in der Tür zu haben, weil niemand weiß, was sich zum Trend entwickelt.

Aber kostet die Entwicklung nicht auch Margen - heute bei Apple Pay und morgen vielleicht bei den in den Autos eingebauten Wallets der Kfz-Hersteller?

American Express wird keine Wege gehen, die für das Unternehmen nicht profitabel sind, das gilt auch für Apple Pay. Man muss ja auch sehen: Die

Kleinstbeträge, die früher in bar bezahlt wurden, kommen so auf die Karte. Und wenn der Kunde erst einmal bei diesen Kleinstbeträgen bargeldlos bezahlt, tut er das auch bei größeren Beträgen. Dieser Effekt schwappt über.

Durch neue Bezahlszenarien wird das Bezahlen zunehmend "unsichtbar". Besteht hier die Gefahr, den Kontakt zum Kunden zu verlieren, weil er zwar einmal seine Karte als bevorzugtes Bezahlverfahren hinterlegt hat, die Marke aber beim Bezahlen nicht mehr prominent in Erscheinung tritt?

Es ist dann unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der Kontakt zum Kunden nicht verloren geht. Künftig werden es mehr denn je die Mehrwerte sein, die dabei helfen, den Share of Wallet zu halten.

Sonja Scott, Country Manager, American Express Deutschland, Frankfurt am Main

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