(Zu) laues Bekenntnis

Quelle: Girocard

sb - Es war sicher ein unerfreuliches Novum, als die Zahlen zur Girocard-Nutzung für 2015 erstmals einen Rückgang anstelle des gewohnten Wachstums auswiesen. Dann die Erleichterung: Schon die ersten Monate 2016 deuteten darauf hin, dass dies ein Ausreißer in der Statistik sein würde. Und tatsächlich hat sich die Debitkarte der deutschen Kreditwirtschaft im ersten Halbjahr 2016 eindrucksvoll zurückgemeldet:

Bei den Transaktionszahlen weist die Statistik ein Plus von 6,3 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum 2015 auf, bei den Umsätzen sind es 1,5 Prozent mehr. Auf den ersten Blick ist also Aufatmen angesagt.

Noch immer ist die Girocard die am weitesten verbreitete Kartenmarke in Deutschland. Nur ihre Bekanntheit beim Verbraucher hält sich immer noch in Grenzen. Und von der "Girocardisierung" ist in der Fläche noch nicht allzu viel angekommen. Um das zu erreichen, sind die Budgets vermutlich viel zu klein. Hier müsste die Branche wohl klotzen, nicht kleckern. Natürlich ist das in Zeiten knapper Kassen leichter gesagt als getan. Doch liegt es wohl nicht nur an der Geldfrage, dass aus einer wirklich intensiven Girocard-Kampagne noch immer nichts geworden ist, sondern das Bekenntnis zumindest der beiden Verbünde zur Girocard als Marke ist bestenfalls halbherzig. Inhaltlich unterstützen Genossenschafts- und Sparkassenorganisation das Debitverfahren der deutschen Kreditwirtschaft voll und ganz. Und völlig zu Recht treiben sie ihre technische Weiterentwicklung voran. Wenn es aber um die Marke geht, hält sich der gemeinsame Impetus in Grenzen. Dass es nicht angehen kann, dass Verbraucher noch viele Jahre nach der Umbenennung immer noch von der "ec-Karte" sprechen - darin ist man sich einig. Doch andererseits halten Genossenschaftsbanken wie Sparkassen energisch ihre jeweils eigene Marke hoch: Girocard ist zwar drin. In der institutseigenen Kommunikation ist aber doch weitaus häufiger von der Bankcard beziehungsweise der Sparkassen Card die Rede. Das ist verständlich, gilt doch die Karte, die der Kunde immer wieder zur Hand nimmt, als ein ganz wesentliches Instrument, um die eigene Marke in dessen Bewusstsein zu halten und so die Kundenbindung zu stärken. Der Stärkung der Marke Girocard tut es aber nicht gut.

Am stationären PoS ist das bisher nicht weiter schlimm. Jeder Kassierer versteht, was gemeint ist, wenn Kunden "mit ec-Karte" (oder nur "mit Karte") zahlen möchten. Bei der Anwenderauswahl am PoS könnte dies schon anders aussehen - denn da wird weder "ec-Karte" noch "Bankcard" oder "Sparkassen Card" angezeigt, sondern Girocard, Lastschrift oder Maestro beziehungsweise V-Pay. Das kann zu Irritationen führen - führt aber auch zu Lerneffekten. Spätestens, wenn die Girocard in die digitale Welt transferiert wird, braucht es die eine Marke, die allen Kunden bekannt ist. Denn wie will man Online-Shops von der Einbindung der Girocard überzeugen, wenn nur einem Bruchteil der Kunden überhaupt bekannt ist, dass sie eine Karte mit dieser Marke in der Tasche (oder ihrer digitalen Brieftasche) haben? Hier tut mehr Engagement in Sachen Marke not. Vielleicht kann das Zahlungskontengesetz mit seinen Regelungen zur sprachlichen Vereinheitlichung der Girocard an dieser Stelle helfen.

In Sachen Technik muss es auf jeden Fall weitergehen. Der (weitgehende) Alleingang der Sparkassenorganisation bei Girogo hat dem Bezahlverfahren der deutschen Kreditwirtschaft sicher nicht gutgetan - hat doch das intensive Engagement für Girogo Ressourcen gebunden, die man an anderer Stelle (beispielsweise Girocard kontaktlos oder mobile oder auch Paydirekt) möglicherweise nützlicher hätte einsetzen können. Jetzt gilt es Obacht zu geben, dass die Girocard im Wettbewerb nicht zu stark zurückfällt. Sonst bleibt der Nutzungsrückgang im Jahr 2015 womöglich kein Ausreißer in der Statistik. Als Weckruf an die Branche war er möglicherweise sogar ganz nützlich - zeigt er doch, dass die starke Marktposition des Debitverfahrens der deutschen Kreditwirtschaft keine in Stein gemeißelte Selbstverständlichkeit ist.

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