Auswirkungen der Kreditnehmereinheiten gemäß § 19 Abs. 2 KWG

Millionenkreditmeldung

Abbildung 1: Anwendung KNE versus GvK* Quelle: In Anlehnung an Demmelmair, Nikolaus: Die Großkredit-, Millionenkredit- und Organkreditvorschriften (2014), S. 283

Christoph Schmidt - Durch die Novelle der Bankenaufsicht zum 1. Januar 2014 wurde mit der Verabschiedung und Umsetzung der Capital Requirements Regulation (CRR) der Begriff "Kreditnehmereinheiten" neu definiert. Aus der Reduzierung der Millionenkreditgrenze zum 1. Januar 2015 auf eine Million Euro resultieren auch für Leasing- und Factoring-Gesellschaften Auswirkungen.

Für die rechtskonforme Anwendung ist eine korrekte Zuordnung von Kreditnehmereinheiten entscheidend. Durch die CRR wurden die Kreditnehmereinheiten neu definiert, was zu erheblichen Unterschieden in der praktischen Anwendung führt.1) Ausgehend von der alten Fassung des Begriffs der Kreditnehmereinheit ergibt sich seit Anfang 2014 für die Anwendung der neuen Definition eine Aufteilung, wie in Abbildung 1, Seite 65, dargestellt.

Für die Erörterung der Auswirkungen auf die Millionenkreditgrenze ist § 19 Abs. 2 Kreditwesengesetz (KWG) einschlägig. Um eine Abgrenzung zu ermöglichen wird zunächst Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 CRR kurz thematisiert. Da jedoch die Groß- und Organkreditvorschriften bei kleinen Leasing- und Factoring-Gesellschaften eine untergeordnete Rolle spielen, wird vor allem auf die Bildung von Kreditnehmereinheiten abgestellt.

Gruppe verbundener Kunden

Nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 CRR gelten zwei oder mehr natürliche oder juristische Personen, bei denen kein Kontrollverhältnis besteht, auch dann als Gruppe verbundener Kunden (GvK), wenn zwischen ihnen Abhängigkeiten bestehen, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass bei finanziellen Schwierigkeiten einer dieser Personen auch andere Personen auf Finanzierungs- oder Rückzahlungsschwierigkeiten stoßen. Diese wirtschaftliche Abhängigkeit kann einseitig oder wechselseitig bestehen oder aus einer gemeinsamen Refinanzierungsquelle resultieren.

Nach dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 CRR ist eine Zusammenfassung verschiedener Personen bei einer Beherrschung oder im Falle einer Risikogruppe erforderlich.2) Die Bildung von GvK kommt für den Regelungsbereich der §§ 13, 15, 18 KWG zur Anwendung. Demnach umfasst nach § 19 Abs. 3 KWG der Zusammenfassungstatbestand die Groß- und Organkreditvorschriften.3)

Kreditnehmereinheit

Mit der Neuregelung wird auch der Begriff der Kreditnehmereinheit (KNE) nach § 19 Abs. 2 KWG n. F. deutlich erweitert.4) Demnach gestalten sich die Zusammenfassungstatbestände, welche kumulativ5) zu sehen sind, wie in Abbildung 2, Seite 65, dargestellt.

Gemäß § 19 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 KWG gelten zwei oder mehr natürliche oder juristische Personen oder Personenhandelsgesellschaften als ein Kreditnehmer im Sinne des § 14 KWG, wenn eine von ihnen einen unmittelbar oder mittelbar beherrschenden Einfluss auf die andere oder die anderen ausüben kann. Es reicht folglich die Beherrschungseigenschaft aus, um eine Zusammenrechnung zu bejahen. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Beherrschung tatsächlich ausgeübt wird.6)

Nachfolgend werden unterschiedliche Möglichkeiten eines beherrschenden Einflusses thematisiert, welche für eine Bildung einer Kreditnehmereinheit nach § 19 Abs. 2 KWG von entscheidender Bedeutung sind (vgl. Abbildung 3, Seite 66).

Beherrschung

Im Kreditwesengesetz (KWG) ist keine Legaldefinition der Beherrschung vorzufinden, sondern ist Satz 2 lit a - c zu entnehmen. Mit Verweis auf § 290 Abs. 2 Handelsgesetzbuch (HGB) ist die Beherrschung handelsrechtlich auszulegen.7) Folglich ist eine Beherrschung dann gegeben, wenn ein Unternehmen nach den handelsrechtlichen Vorschriften konsolidiert ist. Im Umkehrschluss ist bei keiner Konsolidierungspflicht auch keine Kreditnehmereinheit nach Abs. 2 lit. a zu bilden.8)

Eine Beherrschung im Sinne des § 290 Abs. 2 HGB ist vorhanden, sofern ein Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte an einem anderen Unternehmen hält. Dies setzt bei beiden Unternehmen die Unternehmenseigenschaft voraus. Liegt diese nicht vor, ist eine Kreditnehmereinheit zu verneinen.9)

Übt ein Unternehmen bei einem anderen Unternehmen das Recht der Bestellung und Abberufung der Mehrheit der Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgane aus, die die Finanz- und Geschäftspolitik bestimmen, ist nach § 290 Abs. 2 Nr. 2 HGB ein beherrschender Einfluss gegeben.10)

Liegt zwischen Unternehmen ein Beherrschungsvertrag vor oder ist eine Beherrschung satzungsgemäß geregelt, ist ein beherrschender Einfluss nach § 290 Abs. 2 Nr. 3 HGB stets vorhanden.11) Dies ist vor allem dann der Fall, sofern ein Unternehmen die Leitung eines anderen Unternehmens nach § 291 Abs. 1 S 1, 1. Alt AktG bestimmt. Mit dem Weisungsrecht des beherrschenden Unternehmens gegenüber dem Vorstand der beherrschten Gesellschaft besteht folglich ein beherrschender Einfluss.12)

Trägt ein Unternehmen bei wirtschaftlicher Betrachtung die Mehrheit von Chancen und Risiken, ist nach § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB stets von einem beherrschenden Einfluss auszugehen.13)

Ist das beherrschte Unternehmen verpflichtet, durch einen Gewinnabführungsvertrag nach § 291 Abs. 1 AktG seinen gesamten Gewinn an das beherrschende Unternehmen abzuführen, ist ebenso § 19 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 2 lit b KWG einschlägig.

Nach § 19 Abs. 2 S 1 Nr. 1 S 2 lit. c KWG ist bereits eine Kreditnehmereinheit vorhanden, wenn ein Unternehmen oder eine Person, unabhängig davon, ob diese Anteile im Rahmen eines Treuhandverhältnis verwaltet werden, 50 Prozent oder mehr der Stimmrechts- oder Kapitalanteile an einem anderen Unternehmen halten.14) Da die Fingierung der Beherrschung eine zentrale Rolle spielt, wird die praktische Anwendung anhand eines Beispiels in Anlehnung an Beck et al. (2014) Rn. 156 erläutert.

Beispiel 1: Ein Unternehmen A ist mit 50 Prozent an einem Unternehmen B beteiligt, welches seinerseits wiederum 20 Prozent an einem Unternehmen C hält. Das Unternehmen A ist ebenso am Unternehmen C mit 30 Prozent beteiligt. Welche Kreditnehmereinheit ist zu diesem Sachverhalt zu bilden?

- Lösung: Nach § 19 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 2 wird bei einer Beteiligung in Höhe von 50 Prozent eine Beherrschung fingiert. Folglich beherrscht A den B, sodass ihm im Millionenkreditbereich die 20 Prozent des B an C zugerechnet werden. Zusammen mit den gehaltenen 30 Prozent hat A insgesamt ebenso einen Anteil von 50 Prozent an C. Es ist somit eine KNE aus A+B+C zu bilden.

Persönliche Haftung

Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KWG sind Personenhandelsgesellschaften, Kapitalanlagegesellschaften oder Partnergesellschaften und für jeden Partner Kreditnehmereinheiten im Sinne des § 14 KWG zu bilden (vgl. Abbildung 4).

In Abhängigkeit zur Gesellschaftsform ist eine Zusammenrechnung nach § 19 Abs. 2 S. 1 KWG für eine OHG jeweils mit ihren Gesellschaftern, für eine KG und KGaA mit ihren Komplementären und die Partnerschaften mit ihren Partner vorzunehmen.15) Die Zusammenfassung hat über eine Mehrfachzuordnung der Gesellschaft zu ihren Gesellschaftern zu erfolgen. Bei einer Partnerschaftsgesellschaft X PartG mit den Partnern A und B ist somit folgende Zusammenfassung zu treffen16) : X PartG + A sowie X PartG + B. Eine Besonderheit der KNE kann sich bei der Kommanditgesellschaft durch einen Kommanditisten ergeben, der einen Anteil gegebenenfalls von über 50 Prozent hält. Trifft dies zu, ist zusätzlich mit den Kommanditisten nach § 19 Abs. 2 S 1 Nr. 1 S 2 lit c KWG eine KNE zu bilden.17)

§ 18 AktG

Nach § 19 Abs. 2 KWG in Verbindung mit § 14 KWG ist eine KNE für alle Unternehmen zu bilden, welche demselben Konzern angehören. § 18 Abs. 1 AktG nimmt dabei eine Trennung vor, wie Abbildung 5 zeigt.

Ein Unterordnungskonzern ist nach § 18 Abs. 1 AktG dadurch charakterisiert, dass ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere abhängige Unternehmen unter der Leitung eines herrschenden Unternehmens zusammengefasst sind. Voraussetzung hierzu ist nach § 17 Abs. 1 AktG ein Beherrschungs- oder Abhängigkeitsverhältnis.18) Weitere Bedingung ist ein herrschendes Unternehmen. Nach der BGH-Rechtsprechung kann diese Bedingung auch bei Privatpersonen erfüllt sein. Ein Unternehmen nach § 15 ff AktG ist dann gegeben, wenn die wirtschaftliche Interessensbindung eines Gesellschafters außerhalb einer Gesellschaft so stark ist, dass eine Gefahr besteht, dass sein Einfluss zum Nachteil der Gesellschaft ausgeübt werden kann.19) Ein herrschendes Unternehmen kann auch bei mehreren Personengemeinschaften unter der Voraussetzung von gleichen Interessen vorhanden sein. Fraglich ist, ob man einen Unterordnungskonzern auch bei Ehegatten vermuten kann. Nach Ansicht von Beck et al. (2014) Rn. 167 f. ist das "Ehegattenrundschreiben" standesneutral zu sehen. Das heißt, unabhängig vom Bestand einer Ehe kann von mehreren Personen ausgegangen werden, welche nicht mehr als einzelne Personen agieren, sondern als "ein" herrschendes Unternehmen.20)

Im Gegensatz versteht man unter einem Gleichordnungskonzern nach § 18 Abs. 2 AktG, wenn rechtlich selbstständige voneinander unabhängige Unternehmen unter einer einheitlichen Leitung zusammengefasst werden. Dies setzt voraus, dass kein Abhängigkeitsverhältnis vorhanden ist, aber das Unternehmen unter einer einheitlichen Leitung geführt wird.21) Für das Vorliegen einer einheitlichen Leitung ist bereits die Abstimmung einer gemeinsamen Geschäftsstrategie ausreichend.22) Die einheitliche Leitung ist in vielen Fällen in Geichordnungsverträgen festgelegt.23)

Anwendungsbeispiele

Für die Millionenkreditmeldung ist § 19 Abs. 2 KWG einschlägig, die vor allem bei kleinen Instituten zur Anwendung kommt. Aus der seit Anfang 2014 geltenden Neuregelung und der Absenkung der Millionenkreditgrenze auf eine Million Euro ergeben sich für die Praxis Änderungen, welche anhand zwei weiterer ausgewählter Beispiele näher betrachtet werden.

Beispiel 2: Eine Leasing-Gesellschaft schließt mit dem Kunden A einen Leasing-Vertrag in Höhe von zwei Millionen Euro ab. Mit einem Kunden B wird ein weiteres Engagement in Höhe von drei Millionen Euro abgeschlossen. Darüber hinaus haben beide Kunden mit ihrer A-B GbR (gesamtschuldnerische Haftung) ein zusätzliches Engagement in Höhe von einer Million Euro. Wie ist vorliegender Fall der Kreditnehmereinheiten zu behandeln?

- Lösung: Zunächst ist für jeden Kunden eine entsprechende Meldung abzugeben. Des Weiteren ist aufgrund der gesamtschuldnerischen Haftung auch eine Anzeige in Höhe von einer Millionen Euro für die A-B GbR zu erstellen.

Beispiel 3: Eine Leasing-Gesellschaft schließt mit der M-F GmbH und der F-M-GmbH jeweils zwei getrennte Leasing-Verträge in Höhe von jeweils von 500 000 Euro ab. M ist an M-F-GmbH mit 51 Prozent und an F-M-GmbH mit 49 Prozent beteiligt, F dagegen im umgekehrten Verhältnis. Beide GmbH sind im gleichen Umfeld tätig. Sowohl M als auch F sind bei beiden GmbH einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer. Wie ist vorliegender Fall hinsichtlich der Zusammenfassung von Kreditnehmereinheiten zu behandeln?

- Lösung: M ist mit der M-F GmbH und F mit der F-M GmbH zusammenzufassen. Aus dem Beteiligungsverhältnis an sich ergibt sich noch kein Indiz für eine Zusammenrechnung nach § 19 Abs. 2 KWG. Allein, dass beide Parteien Ehepartner sind, reicht dafür nicht aus. Fraglich ist, ob sich aus dem Umstand der Geschäftsführung etwas anderes ergeben kann.

Ein Tatbestand im Sinne der KNE mangels Beherrschungsmacht schei det aus, jedoch greift im vorliegenden Beispiel § 19 Abs. 2 S. 3 KWG. Das heißt, beide GmbH werden als Gleichordnungskonzern angesehen. Aufgrund der in § 19 Abs. 2 KWG geforderten kumulativen Zusammenfassung würden sich daraus folgende Kreditnehmereinheiten ergeben: Für den Gesellschafter M liegt eine Beherrschung wegen Kapitalmehrheit vor. Nimmt man für die M-F-GmbH einen Gleichordnungskonzern an, ergibt sich daraus eine KNE 1: M+M-F-GmbH + F-M-GmbH. Für Gesellschafter F würde sich ebenso wegen der Beherrschung an der F-M-GmbH folgende KNE 2 ergeben: F+F-M-GmbH+M-F-GmbH.

1) Vgl. Demmelmair, Nikolaus: Die Großkredit-, Millionenkredit- und Organkreditvorschriften (2014), S. 283.

2) Vgl. Beck et al. (2014), Rn. 188.

3) Vgl. Beck et al. (2014), Rn. 184.

4) Vgl. Demmelmair, Nikolaus: Die Gruppe verbundener Unternehmen nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 CRR. In: S-Firmenberatung. 2013, S. 8.

5) Vgl. Beck et. al. (2014), S. 3.

6) Vgl. Beck et al. (2014), Rn. 104.

7) Vgl. Beck et al. (2014), Rn. 105.

8) Vgl. ebda. Rn. 114.

9) Vgl. ebda. Rn. 116.

10) Vgl. ebda. Rn. 131.

11) Vgl. ebda. Rn. 140.

12) Vgl. ebda. Rn. 141.

13) Vgl. ebda. Rn. 144.

14) Vgl. ebda. Rn. 147.

15) Vgl. Beck et al. (2014), Rn. 157.

16) Vgl. ebda. Rn 158.

17) Vgl. ebda. Rn 159.

18) Vgl. ebda. Rn. 161.

19) Vgl. ebda. Rn. 166.

20) Vgl. ebda. Rn. 167.

21) Vgl. ebda. Rn. 169.

22) Vgl. ebda. Rn. 170.

23) Vgl. Demmelmair, Nikolaus: Die Großkredit-, Millionenkredit- und Organkreditvorschriften (2014), S. 347.

DER AUTOR:

Christoph Schmidt LL.M, Viechtach, ist Gründer und Inhaber von One More Consulting, einer auf Corporate Governance, Risikomanagement und Compliance spezialisierten Unternehmensberatung.E-Mail:christoph.schmidt[at]one-more[dot]eu

Dr. Christoph Schmidt , Inhaber, One More Consulting, Viechtach

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