Dem Fachkräftemängel erfolgreich begegnen durch Talentmanagement

Vom Hegen und Pflegen exzellenter Mitarbeiter

Kai-Otto Landwehr

Kai-Otto Landwehr - Unternehmen der Leasing-Branche müssen hoch qualifizierte und leistungsstarke Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnen, um in einem anspruchsvollen Markt langfristig erfolgreich zu bleiben. Hier sorgen Talentstrategien dafür, wichtige Kompetenzen zur richtigen Zeit verfügbar zu haben. Dabei ist Talentmanagement nicht mit Personalentwicklung gleichzusetzen, wie dieser Beitrag zeigt.

Mehr denn je hängt heutzutage der Unternehmenserfolg vom Einsatz hoch qualifizierter und leistungsstarker Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab. Dies gilt auch für die Leasing-Branche. Tief greifendes Know-how, Spezialwissen und die umfangreiche Erfahrung von Experten sind oft ausschlaggebend für Wettbewerbsfähigkeit und gute Geschäftsleistungen. Es reicht jedoch nicht aus, die besten Köpfe zu rekrutieren und dann keine weiteren Schritte zu unternehmen, um diese auch langfristig an die Firma zu binden. Gute Arbeitskräfte sollten in angemessener Weise gefördert werden, damit sie zu nachhaltigem

Wachstum in den Zielmärkten beitragen können. Eine ausgefeilte Talentmanagement-Strategie kann dabei ein wichtiges Entscheidungsmerkmal sein. Denn hoch qualifizierte Arbeitskräfte wollen bei der Karriereentwicklung auf die Unterstützung ihrer Organisation zählen können. Das gleiche gilt für Führungskräfte, die erfolgreiche und effiziente Teams aufbauen und leiten sollen. Unternehmen sollten daher Strategien entwickeln, um die richtigen Talente an Bord zu holen und auch langfristig halten zu können.

Stiefkind Talentmanagement

Obwohl Personalentwicklung und Talentmanagement als wichtige Bestandteile der Unternehmensstrategie anerkannt sind, wird der Bereich in vielen Firmen noch vernachlässigt. Dieses Defizit zieht sich weltweit durch alle Industriebereiche: Im Rahmen einer internationalen Befragung unter mehr als 1 000 Chief Executive Officers (CEOs) sagten 93 Prozent, in ihrem Unternehmen bestehe Änderungsbedarf bei der Strategie, mit der Spitzenkräften gewonnen und an das Unternehmen gebunden werden.1) Gemäß einer Studie der Talent- und Karriereberatung von Rundstedt fördert nur jedes dritte deutsche Unternehmen seine Beschäftigten gezielt entsprechend ihrer Wünsche und Kompetenzen. Lediglich 55 Prozent der befragten Organisationen weisen flexible und transparente Karrieremöglichkeiten auf.2) Das kann negative Auswirkungen auf die Motivation der Mitarbeiter haben. Mögliche Folgen sind Unzufriedenheit im Beruf, schwächere Leistungen und Kündigungen. Insbesondere bei Spitzenkräften, die für Führungspositionen vorgesehen sind, können Unternehmen sich das nicht leisten.

Da sich die Wirtschaft weltweit erholt, suchen Organisationen wieder verstärkt nach ausgezeichneten Arbeitskräften, um neue Chancen optimal nutzen zu können. Der demografische Wandel und Fachkräftemangel verschärfen zudem den "War for Talents". Das gilt auch für die Finanzbranche. Laut einer internationalen Studie3) des Beratungsunternehmens Pricewaterhouse Coopers (PwC) unter mehr als 300 CEOs aus der Finanzindustrie hat jedoch nur ein Viertel der Unternehmen ihre Talentstrategie bereits an diese Situation angepasst. Lediglich ein Drittel (35 Prozent) gab an, ihre Personalabteilung sei gut darauf vorbereitet, die notwendigen Veränderungen vorzunehmen. Fast 60 Prozent der befragten CEOs beklagten zudem, die begrenzte Verfügbarkeit von Nachwuchskräften würde ihre Wachstumsambitionen ausbremsen. Das stellt eine ernsthafte Herausforderung dar, der sich auch die Leasing-Branche umgehend stellen muss, um nicht ins Hintertreffen zu geraten.

Bausteine

Unternehmen sollten einen umfassenden Ansatz verfolgen, um hoch qualifizierte Mitarbeiter an Bord zu holen und langfristig für die Ziele der Organisation zu begeistern. Bei der Analyse erfolgreicher Talentmanagement-Programme sticht eine Reihe von Merkmalen hervor, durch die attraktive Arbeitgeber sich von ihren Wettbewerbern unterscheiden. Die Talentstrategie von Siemens Financial Services (SFS) beispielsweise kann in zwölf Kernprinzipien zusammengefasst werden, aus denen sich der formale Prozess ergibt.

- Ziele setzen: In Absprache zwischen dem Vorgesetzten definieren Mitarbeiter klare individuelle Performance-Ziele. So entwickeln sie ein Verständnis von den Erwartungen, die das Unternehmen an sie stellt. Außerdem fokussieren sie dadurch ihre Tätigkeiten auf die Bereiche, in denen sie einen wichtigen Beitrag zum Geschäftserfolg leisten können. Auf diese Weise können Firmen ihre Mitarbeiter positiv fordern und motivieren, ihr Potenzial zu entfalten und Spitzenleistungen zu erbringen.

- Review-Gespräche: Diese sollten in regelmäßigen Abständen erfolgen. Dabei bewerten Manager die Leistungen ihrer Teammitglieder für die zurückliegende Periode und definieren zukünftige Aufgaben sowie individuelle Entwicklungsmaßnahmen. Klare Kriterien zur Bewertung helfen den Mitarbeitern, die Qualität ihrer Leistung eigenständig zu beurteilen. Außerdem halten Führungskräfte sie dazu an, Herausforderungen proaktiv anzusprechen, damit sie gemeinsam Lösungsvorschläge erarbeiten können.

- Karrierepfade: Firmen sollten mögliche Karrierepfade nachvollziehbar definieren, denn das zeigt den Mitarbeitern, wie sie sich innerhalb der Organisation beruflich entwickeln können und dabei von ihrem Unternehmen unterstützt werden. Eine offene Kommunikation individueller Ziele und Möglichkeiten ermöglicht es der strategischen Personalentwicklung außerdem, den zukünftigen Einstellungsbedarf zu ermitteln.

- Meilensteine: Performance- und Entwicklungsziele sollten messbar sein und logisch aufeinander aufbauen. Strategische Meilensteine skizzieren den eingeschlagenen Karrierepfad und bieten dem Mitarbeiter Orientierung und Klarheit. Gleichzeitig sollten Unternehmen den Entwicklungsprozess flexibel anlegen, denn Mitarbeiter ändern möglicherweise ihre Karriereziele wegen neuer beruflicher Chancen und persönlicher Herausforderungen.

- Persönlichkeitsanalysen: Die Charaktereigenschaften von Mitarbeitern sind ebenso ausschlaggebend für die Karriereentwicklung wie ihre Fähigkeiten und Talente. Mithilfe von Persönlichkeitsanalysen kann die Personalabteilung in Kooperation mit dem Management Arbeitsbereiche identifizieren, die den Charakterstärken der Spitzenkräfte entsprechen. Diese sollten ihre Fähigkeiten und Kompetenzen gezielt in geeigneten Bereichen einsetzen können, damit sie größtmöglichen Erfolg für das Unternehmen erreichen und dabei persönlich sowie beruflich wachsen. Beides sind wichtige Voraussetzungen für eine hohe Arbeitszufriedenheit.

- Mentoring-Systeme: Die Anleitung durch Vorgesetzte verschafft angehenden Führungskräften wertvolle Einblicke in Unternehmensstrategie und Geschäftsziele. Im Idealfall sollte der Mentor wichtige Stationen auf dem Weg zur Seniorität selbst innerhalb der Organisation absolviert haben. So können Mitarbeiter eine eigene Karriereperspektive innerhalb ihres Unternehmens entwickeln.

- Strategien abstimmen: Das Unternehmen muss darüber informieren, in welche Richtung die Organisation sich strategisch ausrichtet. Andernfalls kann es dazu kommen, dass Mitarbeiter sich nur auf ihre spezifischen Aufgabenbereiche konzentrieren und dabei die Unternehmensziele aus den Augen verlieren. Individuelle oder im Team erbrachte Leistungen, durch die Mitarbeiter wichtige Ergebnisse erreicht haben, sollten durch Bonussysteme oder immaterielle Anerkennung gewürdigt werden. Dadurch kann ein Unternehmen auf positive Weise immer wieder die Gesamtperspektive hervorheben.

- Weiterbildung und Training: Gezielt eingesetzte Trainingsmaßnahmen vermitteln neue Fertigkeiten und helfen Mitarbeitern, bereits vorhandene Fähigkeiten auszubauen. Wichtig ist, Fortbildungen nicht als Formalität zu behandeln, sondern auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter abzustimmen. Wenn das Unternehmen strategisch wichtige Kompetenzen ausbildet, kann es effizient auf schnell wechselnde Marktdynamiken reagieren.

- Feedback: Anonymes Feedback vom Team gibt leitenden Angestellten ein Verständnis dafür, wie die Mitarbeiter den eigenen Führungsstil einschätzen. Ein Bewusstsein für positive und ausbaufähige Aspekte ihrer Management-Methoden hilft Führungskräften dabei, sich zu verbessern und die Effizienz des gesamten Teams zu steigern. Wichtig ist die Anonymität, damit die Mitarbeiter ihre Einschätzung und ihre Ansichten uneingeschränkt mitteilen können.

- Transparenz: Internationale Einsatzmöglichkeiten sollten beispielsweise im Intranet oder auf allgemein zugänglichen Jobboards publik gemacht werden. So beweist das Unternehmen eine hohe Mobilität innerhalb der Organisation und ermutigt talentierte Mitarbeiter, wertvolle Arbeitserfahrung im Ausland zu machen. Fallbeispiele von Angestellten, die solche internationale Berufschancen bereits wahrgenommen haben, verstärken die positive Wahrnehmung für diese Optionen.

- Klare Kriterien: Stellenausschreibungen sollten unmissverständlich formuliert sein, damit mögliche Kandidaten ihre Eignung für eine Vakanz selbst ermitteln können. Das gibt ihnen die Möglichkeit, gegebenenfalls Weiterbildungsangebote wahrzunehmen, mit denen sie ihre Chancen bei einer Bewerbung verbessern können. Außerdem vermittelt die Firma dadurch größtmögliche Fairness im Auswahlprozess und motiviert Mitarbeiter, sich innerhalb des Unternehmens zu entwickeln.

- Diskussionen fördern: Mitarbeiter sollten Zugang zu einer Plattform für interne Kommunikation haben, um dort wichtige Fragen der Unternehmens- und Arbeitsorganisation diskutieren zu können. So beweist die Firma, dass sie eine Kommunikationskultur in zwei Richtungen unterstützt und Feedback durch die Mitarbeiter ernst nimmt. Außerdem dienen solche Kanäle als Frühwarnsysteme. Wenn eine Mehrzahl der Angestellten Unzufriedenheit ausdrückt, können Personalabteilung und Management zeitnah gegensteuern.

Die passende Talentstrategie sieht für jedes Unternehmen anders aus. Programme für Personalentwicklung und Nachfolgemanagement müssen sich auf verlässliche Datenanalysen stützen, und nicht auf Annahmen oder Standardlösungen der Personaltheorie, damit sie die gewünschten Ergebnisse erzielen. Die Unternehmensstrategie muss genau geprüft werden, um Einstellungsbedarfe unter den Gesichtspunkten momentaner und zukünftiger Entwicklungen erfassen zu können. Das hilft dem Recruitment und der Personalabteilung, die richtigen Kompetenzen an Bord zu holen und passende Trainingsmaßnahmen zu implementieren.

Dabei sollten Unternehmen auch den Anforderungen der Arbeitnehmer ausreichend Beachtung schenken. Denn besonders die sogenannten "High Potentials" unter den Kandidaten sind wählerisch. In den letzten Jahren hat die Forschung einen Trend zu flacheren Hierarchien und größerer Flexibilität festgestellt, der unter dem Schlagwort der "Generation Y" wiederholt diskutiert wird.

Die besten Köpfe anziehen

Diesen Entwicklungen sollten Unternehmen mit Offenheit begegnen und sie genau beobachten, denn aus den Reihen der sogenannten "Millennials" rekrutieren sie die C-Level-Riege von morgen.4) Das heißt jedoch nicht, dass Firmen ihre Talentstrategien nur auf jüngere "High Potentials" ausrichten sollten. In den meisten Asset-Finance-Organisationen wird sich die Führungsebene in den kommenden fünf bis zehn Jahren aus den heute über 40-Jährigen zusammensetzen. Deshalb ist es wichtig, gemeinsame Nenner für alle Arbeitnehmergenerationen zu finden und die strategische Personalentwicklung darauf aufzubauen.

Damit Talentmanagement-Programme die gewünschte Außenwirkung entfalten können, müssen Firmen sie aktiv unter möglichen Bewerbern bekannt machen. Effektives Employer Branding sollte deshalb auf verschiedenen Kanälen zeigen, wie das Unternehmen talentierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fördert und entwickelt. Die Generation der "Digital Natives" möchte über virtuelle Plattformen angesprochen werden. Hoch qualifizierte Absolventen sehen sich auf Karrieremessen nach passenden Arbeitgebern um. Die Kommunikationsabteilung kann zu einem positiven Image als Arbeitgeber beitragen, indem sie das Unternehmen als Marktführer und Vordenker innerhalb der eigenen Industrie positioniert. Firmen, die fortschrittliche Produktlösungen auf den Markt bringen und neue Märkte erobern, ziehen talentierte Mitarbeiter an.5) Deshalb ist es wichtig, Leistungen und Erfolge des Unternehmens für ein breites Publikum sichtbar zu machen.

Auch Corporate Social Responsibility (CSR)-Programme, Freiwilligenarbeit und karitative Tätigkeiten können wichtige Unterscheidungsmerkmale darstellen, wenn Kandidaten sich für einen neuen Arbeitgeber entscheiden.6) Viele Menschen haben das Bedürfnis, einen wertvollen Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten. Wenn ein Unternehmen solche Aktivitäten unterstützt und fördert, trägt das zu einer positiven Wahrnehmung bei. Diese Komponenten sollte das Employer Branding in eine effektive Kommunikationsstrategie für die Arbeitgebermarke integrieren.

Investition in die Zukunft

Nicht zuletzt müssen die Erfolge im Talentmanagement messbar sein. Dabei haben sich Net-Promoter-Scores (NPS) - ursprünglich ein Tool zur Bestimmung der Kundenzufriedenheit - durchgesetzt. Bei dieser Methode wird der Anteil der Mitarbeiter, die ihre Firma im persönlichen Netzwerk als Arbeitgeber empfehlen würden, dem Anteil der Angestellten gegenüber gestellt, die eine negativ geprägte Meinung von ihrem Unternehmen haben.

Viele Organisationen haben sich öffentlich zu dem Ziel bekannt, hierbei sehr gute Bewertungen zu erzielen. Am besten lässt sich Erfolg jedoch mithilfe von Daten zur tatsächlichen Mitarbeiterbindung messen.

Unternehmen der Leasing-Branche müssen hoch qualifizierte und leistungsstarke Mitarbeiter gewinnen, um in einem anspruchsvollen Markt langfristig erfolgreich zu sein. Talentstrategien machen wichtige Kompetenzen zur richtigen Zeit verfügbar. Dabei ist Talentmanagement nicht mit Personalentwicklung gleichzusetzen. Denn während es bei der Förderung von Mitarbeitern darum geht, deren Fähigkeiten kontinuierlich zu verbessern und auszubauen, hat das Talentmanagement die Schlüsselpositionen im Fokus. Diese müssen mit hoch qualifizierten und leistungsstarken Mitarbeitern besetzt werden. Effizientes Nachfolgemanagement garantiert die Entwicklung von Spitzenkräften zu Führungskräften innerhalb des Unternehmens. Mitarbeiterbindung spielt dabei eine wichtige Rolle, denn hervorragend ausgebildete Arbeitskräfte sollen nicht zu Wettbewerbern wechseln.

Talentmanagement wird damit zu einem umfassenden Ansatz, der nicht ausschließlich durch die Personalabteilung abgewickelt werden kann, sondern Management, Unternehmenskommunikation, Recruitment und Marketing mit einbezieht. Solche Prozesse sind aufwendig und kostenintensiv.

Damit sie nicht ins Leere laufen, müssen sie sorgfältig auf Geschäftsstrategie und Unternehmensziele abgestimmt sein. Nur wenn Unternehmen der Leasing-Branche heute die richtigen Maßnahmen ergreifen, können sie sicherstellen, auch in Zukunft von den schlauesten Köpfen zu profitieren.

1) PwC 17th Annual Global CEO Survey: Transforming talent strategy, "The talent challenge - Adapting to growth", 2014.

2) Schwierz, Caterine, "Erfolgreiches Karrieremanagement - Die richtigen Leute für die wichtigen Jobs", von Rundstedt Whitepaper, Frühjahr 2014.

3) Vgl. PwC, "Remoulding your workforce for a new marketplace", Juni 2014.

4) Signium International/ Zukunftsinstitut GmbH, "Generation Y - Das Selbstverständnis der Manager von morgen", 2013.

5) LinkedIn, Talent Trends 2014, 2014.

6) Deloitte, 2013 Volunteer IMPACT Survey, 2013.

DER AUTOR:

Kai-Otto Landwehr, München, ist Leiter des Commercial-Finance-Geschäfts von Siemens Financial Services (SFS) in Deutschland und Geschäftsführer der Siemens Finance & Leasing GmbH. Bevor er im Jahr 2001 zu SFS wechselte war er unter anderem als Leiter Relationship Management für GE Capital tätig.E-Mail: communications.sfs[at]siemens[dot]com

Kai-Otto Landwehr , Leiter des Commercial-Finance-Geschäfts der Siemens Financial Services GmbH, München, und Vorsitzender der Geschäftsführung der Siemens Finance & Leasing GmbH
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