Die Fortsetzung der Stellungnahme IDW RS HFA 9 zur Rechnungslegung

"Todesstoß" für das Reverse Factoring?

Wolf Stumpf

Wolf Stumpf, Sven A. Clausnitzer - Der Hauptfachausschuss des IDW hat dem Reverse Factoring am 13. Mai 2016 einen heftigen Stoß versetzt - den "Tod" des Produkts dürfte dies jedoch nicht bewirken. Die hier dargestellten Überlegungen geben einen ersten Überblick über derzeit diskutierte Ansätze für eine IFRS-konforme Produktgestaltung und zeigen auf, dass es dabei noch Spielräume gibt.

Reverse Factoring ist nach wie vor ein führendes Produkt für die Einkaufsfinanzierung. Im Unterschied zum Finetrading, das als finanzwirtschaftliches Streckengeschäft organisiert ist, eignet sich das Reverse Factoring insbesondere dann, wenn es um große Einkaufsvolumina und eine Vielzahl von anzubindenden Lieferanten geht. Dementsprechend groß ist die Zahl derjenigen Nutzer, die nach IFRS bilanzieren.

Am 13. Mai 2016 hat das Institut der Wirtschaftsprüfer eine Fortsetzung seiner Stellungnahme zur Rechnungslegung IDW RS HFA 9 verabschiedet.1) Deren Schwerpunkt liegt auf der bilanziellen Abbildung von Reverse-Factoring-Transaktionen, speziell der Frage des Abgangs finanzieller Verbindlichkeiten nach IAS 39. Der folgende Beitrag stellt zunächst den neuen Abschnitt zu IDW RS HFA 9 dar, untersucht die Auswirkungen auf das Reverse Factoring und versucht schlussendlich, unter Analyse verbleibender Möglichkeiten für eine IFRS-konforme Vertragsgestaltung eine Antwort auf die eingangs gestellte Frage zu geben.

Reverse Factoring2) ermöglicht dem Abnehmer die Nutzung längerer Zahlungsziele unter gleichzeitiger Inanspruchnahme von Skonti. Wie beim "normalen" Factoring fakturiert der Lieferant an den Abnehmer. Abhängig von der jeweiligen Vertragsgestaltung bestätigt der Abnehmer entweder das Bestehen der Forderung vor Ankauf durch den Factor oder zwischen Abnehmer und Factor wurde vereinbart, dass der Abnehmer etwaige Einwendungen aus und im Zusammenhang mit der Forderung ausschließlich im Verhältnis zum Lieferanten geltend machen wird. Daraufhin erwirbt der Factor die Forderung und überweist den Rechnungsbetrag unmittelbar an den Lieferanten. Am Ende des Zahlungsziels, mit dessen langem Lauf sich der Lieferant mit Blick auf den ihm zeitnah zufließenden Kaufpreis in der Regel bereits vor Unterzeichnung des Reverse-Factoring-Vertrages einverstanden erklärt hat, zahlt der Abnehmer an den Factor den Rechnungsbetrag plus Vergütung.

Folgen des neuen Abschnitts

Die Fortsetzung der Stellungnahme des IDW RS HFA 9 beschäftigt sich mit der Frage, wie die vom Factor angekaufte Forderung in der Bilanz des Abnehmers ("Kunden") abzubilden ist. Dafür ist grundsätzlich ein dreistufiges Verfahren vorgesehen:

- In einem ersten Schritt soll geprüft werden, ob eine neue schuldrechtliche Verpflichtung begründet und der Abnehmer von der ursprünglichen Verpflichtung "rechtlich entbunden" wird. Falls ja, soll die ursprüngliche Verbindlichkeit aus Lieferung und Leistung auszubuchen und eine neue finanzielle Verbindlichkeit zu erfassen sein.

- Ist dies nicht der Fall, soll im zweiten Schritt geprüft werden, ob eine neue schuldrechtliche Verpflichtung begründet wird, die neben die (weiter bestehende) Verpflichtung des Abnehmers gegenüber dem Lieferanten tritt. In dieser Konstellation seien zwei Verbindlichkeiten zu bilanzieren. Indes "wird der Buchwert der ursprünglichen Verbindlichkeit (...) regelmäßig null sein".3)

- Greift keine der beiden vorgenannten Konstellationen ein, soll im dritten Schritt die Frage einer "substantiellen Änderung der Vertragsbedingungen" zu prüfen sein. Herbei soll neben einer quantitativen Veränderung der Zahlungsströme (Barwerttest)4) auch eine qualitative Änderung der Vertragsbedingungen geprüft werden. Selbst wenn die Barwerte der Zahlungsströme um weniger als zehn Prozent abweichen, könne es mit Blick auf substantielle Änderungen in qualitativer Hinsicht sachgerecht sein, die bisherige Verbindlichkeit aus Lieferung und Leistung auszubuchen und anstelle dessen eine neue finanzielle Verbindlichkeit einzubuchen.

Die am Markt befindlichen Supply-Chain-Finance-Modelle sehen - soweit ersichtlich - keine Entlassung des Abnehmers aus der ursprünglichen Verbindlichkeit vor. Von Banken im Rahmen der Einkaufsfinanzierung angebotene Forderungskaufprogramme sehen oftmals ein abstraktes Schuldanerkenntnis des Abnehmers vor. Ob der Marktgängigkeit dieser Produkte ohne Modifikationen der Vertragsstruktur ist - jedenfalls hinsichtlich potenzieller Kunden, die nach IFRS bilanzieren - Skepsis angebracht. Im Fokus dieses Beitrages stehen die Auswirkungen der IDW-Stellungnahme auf die Marktgängigkeit von Reverse-Factoring-Modellen, die von Finanzdienstleistungsinstituten angeboten werden. Diese enthalten in aller Regel kein abstraktes Schuldanerkenntnis.

Der Deutsche Factoring-Verband e. V. hatte in seiner Stellungnahme zum Entwurf des neuen Abschnitts gegenüber dem IDW unter anderem darauf hingewiesen, dass Schuldanerkenntnisse nicht dem Verkauf von Forderungen dienen und daher nicht als Variante des Reverse Factoring dargestellt werden sollten.5) Diesen Hinweis hat die verabschiedete Fortsetzung der IDW RS HFA 9 leider nur eingeschränkt berücksichtigt.

Ungeeignete Kriterien

Der neue Abschnitt enthält unter Tz. 255 verschiedene Kriterien, die als Indizien einer substantiellen Veränderung der Vertragsbedingungen in qualitativer Hinsicht zu würdigen sein sollen. Einige davon sind schon deshalb ungeeignet, weil sie auch bei der rechtlichen Ausgestaltung des "normalen" Factorings als Instrument der Absatzfinanzierung zu finden sind. Dies betrifft insbesondere folgende Punkte.

Einredeverzicht des Kunden: Die gewählte Formulierung ist unpräzise. Denkbar ist zunächst, dass hiermit tatsächlich Einwendungen gegen die jeweilige Forderung aus Lieferung und Leistungen selbst ausgeschlossen sein sollen. In diesem Fall wäre der Einredeverzicht eine Art deklaratorisches Schuldanerkenntnis, mithin würden hierdurch rechtliche und tatsächliche Einwendungen des Schuldners gegen die Forderung selbst für die Zukunft ausgeschlossen, soweit er sie bei der Erklärung kannte oder zumindest mit ihnen rechnete. Denkbar wäre aber gleichermaßen, dass der angesprochene Einredeverzicht lediglich einen Verzicht des Abnehmers auf die Möglichkeit darstellt, dem Factor als neuem Gläubiger nach § 404 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Einwendungen entgegensetzen zu können, die gegenüber dem bisherigen Gläubiger begründet waren; § 404 BGB ist indes - auch in AGB - grundsätzlich abdingbar.6)

In den am Markt befindlichen Reverse-Factoring-Modellen finden sich beide Varianten. Es spricht jedoch - in der Synopse der Tz. 249 und 255 der IDW-Stellungnahme - viel dafür, dass das IDW mit "Einredeverzicht" ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis gemeint hat. Auch damit würde allerdings keine Besonderheit des Reverse Factoring aufgegriffen. Deklaratorische Schuldanerkenntnisse des Abnehmers finden sich auch beim Grundmodell des echten Factorings, etwa in Form von Saldenbestätigungen.

Auch Vereinbarung von Zinszahlungen zwischen den Vertragspartnern sind keine Besonderheit des Reverse Factorings, sondern Bestandteil der grundlegenden Risiko-, Kosten- und Gewinnkalkulation jedes Factorings. So stellt der Factor dem Lieferanten für die Bevorschussung der Forderungen etwa die nach ihrer Laufzeit banküblichen Zinsen in Rechnung.7)

Ankaufspflicht mit festem Volumen

Auch dieser Aspekt ist per se in jedem Factoring-Modell vorhanden, da - schon aus Risikogesichtspunkten - üblicherweise eine Obergrenze für den maximalen Ankauf vorgesehen ist. Auch die Ankaufspflicht, die mit der Andienungspflicht des Debitors korrespondiert,8) ist grundlegender Bestandteil des echten Factorings als Absatzfinanzierung.

Die vorgenannten Merkmale prägen mithin bereits das Grundmodell des Factorings. Ein weiteres Kriterium, aus dem sich nach dem IDW eine qualitative Änderung ersehen lassen soll, ist die Änderung der Preise der zugrunde liegenden Waren beziehungsweise Dienstleistungen. Dieses Kriterium erschließt sich nicht, da die Preisgestaltung allein Inhalt der Vereinbarungen zwischen Lieferant und Abnehmer ist und auf dem Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung (Lieferung der Ware/Erbringung der Dienstleistung) und Gegenleistung (Zahlung der Vergütung) beruht.

Verlängerung des Zahlungsziels

Als weitere Kriterien für qualitative Änderungen benennt das IDW unter anderem die Verlängerung des Zahlungsziels. Zwar ist dies ein charakteristisches Kriterium für Reverse Factoring-Modelle. Allerdings lässt die Stellungnahme insoweit erneut eine Präzisierung vermissen, welche Ausgestaltung konkret eine substantielle Änderung der Vertragsbedingungen darstellen kann. Der Umstand, dass der Lieferant seinem Schuldner ein längeres Zahlungsziel gewährt, kann jedenfalls für sich allein kein relevanter Umstand sein. Andernfalls müsste konsequenterweise auch beim Lieferantenkredit jedes längere Zahlungsziel zur Ausbuchung der bisherigen Verbindlichkeit aus Lieferung und Leistung und zur Einbuchung einer neuen finanziellen Verbindlichkeit führen. Dies gilt erst recht mit Blick auf neue Formen der Einkaufsfinanzierung, wie das als finanzwirtschaftliches Streckengeschäft ausgestaltete Finetrading.

Soweit der neue Abschnitt - offenbar als Korrektiv - auch darauf abstellt, ob das neu vereinbarte Zahlungsziel "bezogen auf den konkreten Schuldner beziehungsweise eine geeignete Vergleichsgruppe als üblich anzusehen ist"9) , erweist sich dieses Kriterium als unscharf. Es bleibt abzuwarten, ob und wie dies in der Praxis mit Leben gefüllt werden kann. Als Vergleichsgruppe ließe sich zum Beispiel auf die Hauptkonkurrenten des betreffenden Abnehmers abstellen. Auch dies kann in der Praxis freilich mit Schwierigkeiten behaftet sein (etwa, wenn deren Einkaufsmacht unterschiedlich groß ist).

Ob die "Üblichkeit" eines Zahlungsziels für den konkreten Abnehmer ein geeignetes Kriterium darstellt, ist ebenfalls zu hinterfragen. Bezieht dieser in das Reverse Factoring (nahezu) alle seiner Lieferanten ein, könnte das von ihm mit diesen dann vereinbarte Zahlungsziel bereits als üblich anzusehen sein. Gänzlich offen bleibt nach dem neuen Abschnitt auch, ob es darauf ankommt, zwischen welchen Parteien die Zahlungszielverlängerung vereinbart wird - zwischen Lieferant und Abnehmer oder zwischen Abnehmer und Factor? Im ersteren Falle spricht gegen eine Heranziehung, dass hier die Vertragsparteien des Liefervertrages das Äquivalenzgefüge ihrer Leistungen ändern und hierbei regelmäßig ihre eigenen wirtschaftlichen Ziele vor Augen haben werden. Erfolgt die Zahlungszielverlängerung hingegen durch Vereinbarung des Factors mit dem Abnehmer, mag im Einzelfall eine andere Betrachtung möglich sein.

Zeitpunkt entscheidend?

Von besonderer Bedeutung dürfte künftig Tz. 258 der Stellungnahme sein. Dort wird ausgeführt, dass bei nach Abschluss einer Reverse-Factoring-Rahmenvereinbarung entstehenden Verbindlichkeiten eine qualitative Veränderung im oben beschriebenen Sinne nur dann vorliegt, wenn die Verbindlichkeiten auch nach Abschluss des Reverse-Factoring-Vertrages "zunächst unter den ursprünglichen Konditionen entstehen und eine Änderung der Vertragsbedingungen ausschließlich durch die Auswahlentscheidung" (das heißt die Einbeziehung in das Reverse Factoring) herbeigeführt wird.

Wie vorstehend aufgezeigt, "passt" der neue Abschnitt an sich nicht zum Produkt Reverse Factoring, da er dessen Charakteristika nur unzureichend Rechnung trägt und Grundstrukturen des Factorings irrigerweise als Besonderheiten des Reverse Factorings behandelt. Die teils unscharf verwendeten Rechtsbegriffe tragen ebenfalls zur Verwirrung bei. Dennoch werden auch künftig weder Anbieter von Reverse-Factoring-Modellen noch potenzielle Interessenten an der Auseinandersetzung mit dem neuen Abschnitt vorbeikommen.

Künftige Vertragsgestaltung

Wie kann die Vertragsgestaltung mit Abnehmern, die nach IFRS bilanzieren, zukünftig aussehen? Aufgrund der vorstehend beschriebenen Probleme erscheint die Frage angebracht, ob die derzeit am Markt befindlichen Reverse-Factoring-Modelle ohne Modifikationen unverändert fortgeführt werden können. Angesichts der teils stark interpretationsbedürften Aussagen zur Frage der Zahlungszielverlängerung und dem Einwendungsverzicht scheint jedenfalls eine kritische Überprüfung des jeweiligen Vertrages und seiner Grundstruktur angebracht:

Der neue Abschnitt geht in Tz. 243 davon aus, dass Reverse Factoring nicht vom Lieferanten, sondern vom Abnehmer oder von einer Bank initiiert wird. Dabei lässt das IDW unberücksichtigt, dass auch und gerade der Lieferant vom Reverse Factoring profitiert. Durch die Bereitschaft des Abnehmers, seine wirtschaftlichen Kennzahlen gegenüber dem Factor offenzulegen, ist dem Factor eine bessere Bewertung des Ausfallrisikos möglich. Hiervon profitiert der Lieferant durch günstigere Konditionen beim Factoring, weshalb im Einzelfall die Initiative für Reverse Factoring auch von ihm ausgehen kann.

Es empfiehlt sich deshalb, derartige Vorteile und das hieraus folgende Eigeninteresse des Lieferanten am Reverse Factoring zu dokumentieren und den betreffenden Abschlussprüfer des Abnehmers frühzeitig auf diesen Umstand hinzuweisen. Gleichermaßen ist diesen Umständen durch eine entsprechende Vertragsgestaltung Rechnung zu tragen.

Die Vorteilhaftigkeit des Reverse Factorings für den Lieferanten kann zudem bedeutsam sein, um eine etwaige Überschreitung gesetzlicher Höchstfristen (vgl. dazu §§ 271a BGB, 308 Nr. 1a BGB) durch die Vereinbarung entsprechender Zahlungsziele unter Berücksichtigung der Belange des Gläubigers zu rechtfertigen.

Der neue Abschnitt "stört" sich vor allem an Veränderungen der "ursprünglichen" Verbindlichkeit, die zwischen Lieferant und Abnehmer entsteht. Eine Vertragsgestaltung, die hingegen allein alle künftigen Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung zwischen Abnehmer und Lieferant erfasst, hat keine Auswirkung auf bereits existente Verbindlichkeiten und lässt deren rechtliche Ausgestaltung daher de iure unverändert.

Fälligkeit und Einwendungsverzichte

Wird etwa - unabhängig von und zeitlich vor - dem Abschluss eines Reverse-Factoring-Vertrages ein gegenüber den bisherigen Bedingungen verlängertes Zahlungsziel zwischen Lieferant und Abnehmer vereinbart, entstehen alle künftigen Forderungen aus dem zugrunde liegenden Liefervertrag mit diesem "verlängerten" Zahlungsziel.

Gleiches gilt für einen etwaigen Einwendungsverzicht, der zwischen Lieferant und Abnehmer in Ansehung künftiger Forderungen vereinbart wird. Eine nachträgliche Modifikation bereits existenter Verbindlichkeiten liegt damit zivilrechtlich nicht vor. Dass diese Vorgehensweise auch bilanziell unschädlich sein dürfte, legt Tz. 258 des neuen Abschnitts nahe.

Sieht das konkrete Reverse-Factoring-Modell vor, dass nicht auf die Einwendungen aus dem Liefergeschäft selbst, sondern lediglich auf deren Geltendmachung im Verhältnis zum Forderungserwerber verzichtet wird (Abbedingung des § 404 BGB), kann auch dies im Verhältnis zwischen Lieferant und Abnehmer unmittelbar zugunsten des Factors vereinbart werden.10)

Wie bereits dargelegt, kann der Verzicht auf Einwendungen zweierlei bedeuten: Einerseits kann damit tatsächlich der Verzicht auf jegliche Einwendungen aus dem Grundgeschäft gewollt sein. Andererseits kann sich der Verzicht auch lediglich auf einen Teil des Personenkreises beziehen, demgegenüber Einwendungen erhoben werden können.

Letzterer Gesichtspunkt dürfte aus den obigen Gründen für die bilanzielle Beurteilung unbeachtlich sein, weil dem Abnehmer die Einwendungen erhalten bleiben und er diese gegenüber seinem Vertragspartner auch weiterhin geltend machen kann. Diesbezüglich ändert sich für den Abnehmer also nichts.

Wird ein Einwendungsverzicht lediglich zugunsten des finanzierenden Factors erklärt und eine Verlängerung des Zahlungsziels auf ein branchenübliches Maß unabhängig von einem etwaigen Ankauf der Forderungen vereinbart, spricht daher auch künftig vieles dafür, dass die ursprünglichen Verbindlichkeiten nicht infolge einer wesentlichen Änderung auszubuchen wären.11)

Soweit tatsächlich ein Verzicht auf Einwendungen aus dem Liefergeschäft auch gegenüber dem Lieferanten erfolgen soll, setzt dem das AGB-Recht ohnehin gewisse Grenzen. Hiervon abgesehen empfiehlt es sich, frühzeitig den Abschlussprüfer des Abnehmers einzubinden und ihm die rechtliche Bedeutung der beabsichtigten Regelung zu erläutern; dies gilt insbesondere, um die Abgrenzung zu einem (abstrakten) Schuldanerkenntnis sicherzustellen.

Alternativen zur Risikobegrenzung

Lässt sich im Einzelfall der Abschlussprüfer des Abnehmers nicht von der "Unschädlichkeit" des Einwendungsverzichts überzeugen, kann es sich empfehlen, nach Gestaltungsalternativen zu suchen, die ebenfalls zu einer Risikobegrenzung für den Factor führen. Als Alternative erscheint insoweit etwa eine gesamtschuldnerische Haftung des Abnehmers für Ansprüche des Factors aus der Veritätsgarantie des Lieferanten überlegenswert. Die Veritätshaftung des Forderungsverkäufers ist Grundlage eines jeden Factoring-Modells und keine Besonderheit des Reverse Factorings. Die gesamtschuldnerische Haftung des Abnehmers hat zudem den Vorteil, dass sie zu keinerlei inhaltlichen Modifikation der verkauften Forderung aus Lieferung und Leistung führt. Der Schuldgrund für den Abnehmer ergibt sich in diesem Fall vielmehr aus dem Beitritt zu einer fremden Verbindlichkeit.

Eine weitere Überlegung könnte darin liegen, über die Begründung eines Auftragsverhältnisses nachzudenken, in dessen Rahmen der Factor im Auftrag und auf Anweisung des Abnehmers Zahlung an den Lieferanten leistet. Unter aufsichtsrechtlichen Aspekten wie auch unter Risikogesichtspunkten scheint dieser Ansatz für den Factor jedoch weniger vorteilhaft.

Es gibt noch Spielräume

Die hier dargestellten Überlegungen können naturgemäß nur einen ersten Überblick über derzeit diskutierte Ansätze für eine IFRS-konforme Produktgestaltung geben. Sie zeigen allerdings, dass die Spielräume noch nicht ausgeschöpft sind. Das IDW hat dem Reverse Factoring einen Stoß versetzt - den "Tod" des Produkts dürfte dies jedoch nicht bewirken.

1) Fortsetzung der IDW-Stellungnahme zur Rechnungslegung: Einzelfragen zur Bilanzierung von Finanzinstrumenten nach IFRS (IDW RS HFA 9) vom 13. 5. 2016, IDW Life 6/2016, 493 ff.

2) Vgl. Stumpf, Factoring - ein modernes und attraktives Finanzierungsinstrument zur Liquiditätssicherung, BB 2012, 1045, 1051.

3) IDW RS HFA 9, Tz 254.

4) IAS 39.AG62.

5) Schreiben des Deutschen Factoring-Verbandes vom 30.10. 2015, S. 3, abrufbar über die Homepage des IDW.

6) Vgl. Grüneberg in: Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 404 Rn. 7; and. § 496 Abs. 1 BGB.

7) Vgl. Martinek in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 102 Rn. 14.

8) Martinek in: a.a.O. Rn. 16.

9) IDW RS HFA 9, Tz 255.

10) Vgl. zu den verschiedenen Gestaltungsformen Roth/Kieninger in: Münchner Kommentar zum BGB, § 404 Rn. 19.

11) Vgl. Bardens/Geisel/Kuhn/Meurer, WPg 2015, 1281, 1288 (zum Entwurf IDW RS HFA 9).

DIE AUTOREN: Wolf Stumpf, Frankfurt/M.,ist Rechtsanwalt und Partner der internationalen Sozietät Noerr LLP. Zu seinen Schwerpunkten zählen Bankrecht, Compliance und Geldwäscheprävention. Er verantwortet die Betreuung von Factoring-Unternehmen.E-Mail: wolf.stumpf[at]noerr[dot]comSven A. Clausnitzer, Frankfurt/M.,ist Rechtsanwalt der internationalen Sozietät Noerr LLP und schwerpunktmäßig im Bereich des Bankrechts und des Factorings sowie des allgemeinen Zivil- und Zivilprozess rechtes tätig.E-Mail: sven.clausnitzer[at]noerr[dot]com
Wolf Stumpf , Rechtsanwalt und Partner , Noerr Partnerschaftsgesellschaft mbB, Frankfurt am Main

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