Internet der Dinge: Erkenntnisgewinn statt Datensammelwut

Handlungsempfehlungen für den strategischen Start

Sven Dohemann, Düsseldorf, International Lifecycle Asset Manager, De Lage Landen Leasing GmbH (DLL)

Quelle: DLL

Das Internet der Dinge (Internet of Things - IoT) nutzt vernetzte Geräte, um einen Informationskreislauf aufzubauen und die gewonnenen Daten gezielt auszuwerten. Zugleich können Unternehmen dadurch neue Umsatzfelder erschließen. Der Beitrag gibt konkrete Einsatzbeispiele und Handlungsempfehlungen, um die Chancen des Internets der Dinge besser zu erkennen und zu nutzen. Wer diese Entwicklung hingegen verpasst, lässt neue Möglichkeiten für eine verbesserte Kundenansprache und effizientere Geschäftsprozesse verstreichen. (Red.)

Das IoT ist längst mehr als ein viel diskutierter Trend. Das aktuelle Vodafone-IoT-Barometer kommt in diesem Zusammenhang beispielsweise zu dem Schluss, dass bis 2020 mindestens 20 Milliarden Geräte und Maschinen Daten austauschen werden. 74 Prozent der befragten Unternehmen sehen das Internet der Dinge außerdem als entscheidend für künftige Geschäftserfolge.

Diese Entwicklung tangiert Firmen jeder Branche und Größe und bietet ein riesiges Potenzial - auch für Hersteller, Dienstleister und Kunden im Leasing- und Finanzierungsumfeld. Wichtige Voraussetzung: Sie müssen schon bei der Entwicklung neuer Produkte und Lösungen bereit sein, enge Kooperationen einzugehen.

Zudem geht es vermehrt darum, über die Grenzen der eigenen Unternehmensabläufe hinauszublicken und bei Bedarf externe Spezialisten zurate zu ziehen. Das gut orchestrierte Zusammenspiel von Industrie, Finanzdienstleistern und IT-Branche wird künftig im Wirkungsfeld des IoT eine zentrale Rolle für nachhaltige Erfolge spielen.

Hersteller und Dienstleister sind im heutigen Geschäftsumfeld stets mit neuen Technologien konfrontiert, die ihnen versprechen, die Art und Weise, wie sie Geschäfte tätigen und Umsätze generieren, zu revolutionieren. Aktuelle Toptrends wie Big Data, Digitalisierung und Machine-to-Machine-Konnektivität (M2M) basieren dabei auf einer gemeinsamen Grundlage: Daten.

Das Internet der Dinge ist ein gutes Beispiel dieser immer datenzentrierteren Technologien. Es nutzt vernetzte Geräte, um Kunden und Unternehmen zu unterstützen und somit Mehrwerte zu schaffen. Hersteller können beispielsweise durch strategische Datenanalyse ihren Kundendienst optimieren, neue und innovative Produkte entwickeln und ihren Wettbewerbsvorteil ausbauen. Dafür ist es jedoch essenziell, im Vorfeld das Potenzial des IoT für das jeweilige Geschäftsumfeld umfassend zu durchleuchten und Herangehensweisen genau zu definieren.

Vernetzung und Daten als Wachstumstreiber

Sensoren sind der zentrale Motor des Internets der Dinge. Heutzutage lässt sich alles messen und mit Zahlen und Fakten untermauern. Unternehmen werden so in die Lage versetzt, nicht länger nur Vermutungen anstellen zu müssen, welche Auswirkungen reale Situationen auf ihr Geschäft haben könnten. Stattdessen können sie sich auf akkurate und aktuelle Informationen und Messungen in Echtzeit verlassen.

Prozesse und Produkte werden so genau auf die Anforderungen und Wünsche ihrer Kunden angepasst. Diese Daten liefern ihnen Sensoren. Via GPS können Hersteller beispielsweise den jeweiligen Standort eines Gerätes oder einer Maschine via Fernzugriff feststellen. Andere Sensoren messen wiederum Temperaturen unterschiedlicher Lager- und Standorte oder geben ortsunabhängig Aufschluss über Stundenzähler und andere einsatzbezogene Messgrößen. Jedes Gerät, das sich mit Sensoren ausstatten lässt, kann mit dem Internet verbunden werden und bietet so neue Geschäftsmöglichkeiten. Egal, ob Baugewerbe, Büroausstatter, Gesundheitswesen, Landwirtschaft, Trans portwesen oder Lebensmittelindustrie: Jede Branche nutzt das IoT anders.

Daher lohnt es sich, mögliche Einsatzszenarien für den jeweiligen Sektor zu recherchieren und strategisch festzulegen, ob und wie sich das Internet der Dinge für den individuellen Geschäftseinsatz eignet. Insbesondere im Hinblick auf Services wie Predictive Maintenance und Telematik-Dienste sind neben den Herstellern auch Finanzierungs- und Leasing-Anbieter gefordert, ihr Portfolio entsprechend neuer IoT-Chancen und -Möglichkeiten aufzufrischen. Denn so versetzen sich diese Unternehmen in die Lage, die Erwartungen ihrer Kunden noch besser als bisher zu erfüllen.

IoT umfassender als M2M-Kommunikation

Das Internet der Dinge definiert DLL als "die Technologie, die Geräte mit einem Netzwerk verbindet, die die daraus gewonnenen Daten nutzund analysierbar macht und Informationen für die Entscheidungsfindung zur Verfügung stellt". Während M2M-Konnektivität lediglich den Vorgang beschreibt, bei dem ein Gerät Informationen an ein anderes Gerät sendet, geht das Internet der Dinge weiter. Es vernetzt zahlreiche unterschiedliche Assets über ein Netzwerk, um diese Geräte so vergleichbar zu machen. Zudem können Unternehmen nun von ihren Assets lernen und sie verbessern.

IoT-Lösungen basieren in diesem Zusammenhang auf fünf aufeinander folgenden Schritten. Jeder Abschnitt dieses IoT-Informationskreislaufes für vernetzte Geräte beschreibt, was Unternehmen benötigen, um sich das Potenzial des IoT für ihre automatisierte oder manuelle faktenbasierte Entscheidungsfindung zunutze zu machen. Der Kreislauf umfasst generell den Eintritt eines Ereignisses, die Erhebung der gesammelten Daten, die anschließende Speicherung, die Aggregation der gesammelten Informationen sowie letztendlich die Interpretation zur Prozessoptimierung (siehe Abbildung 1).

Kreislauf für vernetzte Geräte

Der IoT-Informationskreislauf für vernetzte Geräte beginnt mit einem Ereignis oder Vorkommnis, das von einem Sensor des jeweiligen Assets festgestellt und gemessen wird. Ein Beispiel: Der Sensor erkennt den Verschleißgrad eines reparaturbedürftigen Systems und alarmiert dessen Nutzer, welches Teil ausgewechselt werden muss. In einem nächsten Schritt folgt die Datensammlung. In dieser Phase senden die Sensoren ihre Informationen an den Computer des jeweiligen Geräts, zumeist ein Programmable Logic Controller (PLC) oder eine Multidrop-Bus-Schnittstelle. Diese Verbindung ist entweder verkabelt oder auch kabellos (wireless). Allerdings setzen Hersteller noch immer vermehrt auf die verlässlichere verkabelte Option.

Um die Daten dann an eine Datenbank übermitteln zu können, muss das jeweilige Gerät mit einer zusätzlichen Hardware, normalerweise einem Modem, ausgestattet werden. Dadurch können die Informationen des Gerätes in eine transferier- und lesbare Datei übersetzt werden. Das Modem wählt sich über eine SIM-Karte ins Netzwerk ein oder schickt die Informationen über eine Wi-Fi-Verbindung. Dabei ist eine Zusammenarbeit mit Modem-Herstellern und Netzwerkanbietern vonnöten. In einem nächsten Schritt werden die Daten dann zu einer Datenbank gesendet und dort gespeichert. Diese Datenbank gehört entweder dem Hersteller oder wird von ihm gemietet.

Sind die Rohdaten vom Gerät übermittelt, müssen sie in einem nächsten Schritt sortiert und mit anderen relevanten Datenpunkten zusammengeführt werden. Nur so lassen sich die enthaltenen Informationen sinnvoll und nützlich für den Endnutzer übersetzen. In diesem Aggregationsprozess lassen sich die relevanten Daten mit denen anderer, mit Sensoren ausgestatteter Geräte sowie mit zuvor gesammelten Informationen aus anderen Quellen - wie beispielsweise den Asset-Daten aus einem Finanzierungsvertrag - vergleichen und analysieren.

Trend nicht hinterherlaufen

Last but not least steht die Interpretation an. Denn bevor die von den Geräten gesammelten Daten den Anwender auch wirklich bei seiner Entscheidungsfindung unterstützen können, müssen sie so dargestellt und visualisiert werden, dass sie leicht zu verstehen sind und keine Missverständnisse auftreten. Dies lässt sich durch den Einsatz webbasierter Portale bewerkstelligen, die die zusammengeführten Daten in einem anwenderfreundlichen Format anzeigen. So werden die Daten in Wissen übersetzt, um den manuellen oder auch automatischen Meinungsbildungsprozess zu unterstützen.

Ein Beispiel: Stellt der Nutzer einen immer wieder auftretenden Fehler bei mehreren Geräten einer bestimmten Produktserie fest, kann er eine Überarbeitung dieser Geräte ins Auge fassen. Für die betroffenen Assets können die Wartungsintervalle verkürzt werden. Oder der Teil des Geräts, der fehleranfällig ist, kann bereits in der Herstellung optimiert werden. Dieser gesamte beschriebene Kreislauf wiederholt sich immer dann, wenn das Gerät eine neue Aktivität feststellt. Die IoT-generierten Daten für Wissensvorsprung und

Entscheidungsfindung zu nutzen, wird von so manchem Unternehmen zwar ein Umdenken erfordern und beinhaltet zweifelsohne Aufwand und Herausforderungen. Es werden aber auch neue Dienstleistungen für Data Subscription Services, auch bekannt als Data as a Service, entstehen. Wer dem Trend hinterherhinkt oder zurückscheut, verpasst wichtige neue Möglichkeiten für die Verbesserung der Kundenansprache und effizientere Geschäftsprozesse.

Beispiel Schmitz Cargobull

Doch wie kann der Einsatz von IoT-Daten konkret aussehen? Beispiele aus dem Unternehmensalltag bekannter Firmen geben Aufschluss. Schmitz Cargobull, führender Anhänger- und Sattelaufliegerhersteller in Europa und Marktführer auf dem Gebiet der Telematik, liefert seinen Kunden auf Wunsch Informationen zu Reifendruck, Bremsabnutzung oder Kilometerstatus, um den Ausfall von Anhängern zu verhindern, die Fahrperformance zu verbessern und den Treibstoffverbrauch der Zugmaschine zu reduzieren. Zugleich bietet die Lösung von Schmitz Cargobull die Möglichkeit, die Temperatur in Kühlanhängern zu messen, um festzustellen, ob Waren zu den gewünschten Bedingungen transportiert werden.

Zudem besteht die Möglichkeit, Daten über Achslast oder Kupplungsbeanspruchung auszuwerten, um möglichen Schwierigkeiten während des Transports vorzubeugen. Über die GPS-Daten lassen sich außerdem alle Anhänger des Unternehmens weltweit orten.

Die Daten werden von Sensoren, mit denen die Trailer ausgestattet sind, gesammelt und alle 15 Minuten an die unternehmenseigene Datenbank geschickt. Diese Informationen werden dann aus der Datenbank herausgezogen und im Schmitz-Cargobull-Telematikportal dargestellt. Der Service Smart Trailer ist ein Meilenstein für die Transparenz und Verfügbarkeit digitaler Trailer-Daten in der Logistik.

Beispiel Mywellness-Cloud von Technogym

Ein weiteres Beispiel aus der IoT-Praxis ist Technogym. Der globale Marktführer in Sachen Fitness- und Wellnesslösungen unterstützt Fitnessstudiobesucher, Betreiber und Co. mit der cloudbasierten Customer-Relationship-Management (CRM)-Lösung Mywellness-Cloud: Sie ermöglicht es Gym-Mitgliedern, ihr persönliches Fitnesslevel zu kontrollieren.

Studio Manager und Trainer können zudem digital und ortsunabhängig den Fortschritt der Mitglieder überprüfen und die Funktion der einzelnen Geräte im Fitnessstudio überwachen. Arbeitet die Vibrationsplatte nicht länger zufriedenstellend oder weist der Crosstrainer technische Mängel auf, können diese nun deutlich schneller erkannt und behoben werden. René Schenkel, Network Manager bei Technogym, kommentiert: "Mithilfe der Mywellness-Cloud können Gym-Mitarbeiter genau erkennen, wer ihre Unterstützung benötigt - basierend auf Echtzeitinformationen statt Bauchgefühl."

Wie gelingt der IoT-Start?

Wie Firmen, die das IoT-Potenzial für ihre Belange bestmöglich nutzen wollen, vorgehen sollten, zeigt Abbildung 2, Seite 226. Zunächst geht es darum, die individuelle Relevanz zu bestimmen. Anschließend steht das Herausarbeiten einer Value Proposition an: Welche Werte und Möglichkeiten stecken in den von IoT-Assets gesammelten Daten? Danach sollten Firmen das nötige Technologieumfeld schaffen und Partnerschaften aufbauen.

Schaltkreise, Sensoren und Batterien werden immer kleiner, leistungsstärker und energieeffizienter. Gleichzeitig nehmen die Möglichkeiten, Geräte mit dem Internet zu verbinden, tagtäglich zu. Außerdem haben heute sowohl Unternehmen als auch Verbraucher günstig und problemlos Zugriff auf skalierbare Datenspeicher und Cloud-Lösungen. Diese Entwicklung verändert die Art und Weise, wie Produkte und Dienstleistungen angeboten und genutzt werden von Grund auf. Hersteller sind nicht länger alleinige Produzenten und Geräteanbieter.

Neue Umsatzfelder erschließen

Mit Unterstützung des IoT beeinflussen und forcieren sie auch verstärkt ergänzende Dienstleistungen und die Entwicklung passender Sensoren für unterschiedliche Anwendungsfälle. Vor allem da, wo die Geräte für den Endnutzer geschäftsentscheidend sind, eröffnet das IoT neue Umsatzfelder für Hersteller, denn sie können nun auch Gerätedaten als Service anbieten.

Darüber hinaus helfen die Geräteinformationen, Produktdesign und Kundenservice zu verbessern. Mithilfe erfahrener Partner und externer Experten lassen sich IoT-Entwicklungsprozesse auslagern und effizienter gestalten. Auch der Leasing- und Finanzierungsbranche bietet das IoT zahlreiche Chancen, die es zu nutzen gilt. So lassen sich Finanzlösungen beispielsweise mit Telematikdiensten anreichern, die wiederum von Industriepartnern zur Verfügung gestellt werden und abermals Mehrwerte für Hersteller, Händler, Endanwender und Dienstleister umfassen. Die Devise 2017 lautet: Keine Angst vor dem IoT. Strategisch geplant und gemeinschaftlich lässt sich aus dem Vernetzungstrend für jede Partei so einiges herausholen.

Weitere Einsatzbeispiele aus Landwirtschaft oder Healthcare zum Potenzial des IoT finden sich im DLL-Whitepaper "Das Internet der Dinge - Chancen und Potenziale".

DER AUTOR: Sven Dohemann, Düsseldorf,ist International Lifecycle Asset Manager bei De Lage Landen Leasing GmbH (DLL) und verantwortet die globale Entwicklung innovativer Finanzierungsprodukte entlang des ökonomischen Lebenszyklus der finanzierten Objekte.E-Mail: sven.dohemann[at]dllgroup[dot]com

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