RECHT

Pauschaler Schadensersatzanspruch gemäß § 288 Absatz 5 Satz 1 BGB

Eine unterschätzte Chance bei Zahlungsverzug des Leasing-Nehmers

Dr. Axel Siebert, Foto: Kanzlei Dr. Becker Dr. Siebert Rechtsanwälte Fachanwälte Partnerschaft mbB

Zahlungsverzögerungen nehmen mehr und mehr zu. Das erhöht den Druck auf Unternehmen. Werden Rechnungen nicht fristgerecht beglichen, kann es zu Liquiditätsengpässen, Arbeitsplatzverlusten und im schlimmsten Fall sogar zur Insolvenz kommen. Der pauschale Schadensersatzanspruch nach § 288 Absatz 5 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gesteht dem Gläubiger eine Aufwandsentschädigung zu. Der Autor gibt Hintergrundinformationen zum Gesetz, erläutert die Anspruchsvoraussetzungen und vertieft den Fall der mehrfachen Verzugspauschale. (Red.)

Trotz des Bestrebens des Bürgerlichen Rechts, Vertragstreue zwischen den Parteien zu erreichen und trotz der Ahndung vertragsbrüchigen Verhaltens, hat sich die mangelnde Zahlungstreue des Schuldners zu einer Unsitte der Gesellschaft entwickelt. Der durchschnittliche Zahlungsverzug - der Verzug und nicht die hinzuzurechnende Zahlungsfrist - in der Privatwirtschaft beläuft sich auf 57 Tage.

Dieses vertragsbrüchige Verhalten des Schuldners stellt kleine, mittelständische und auch große Unternehmen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten vor erhebliche Herausforderungen. So ist der Zahlungsverzug die Ursache für jede vierte Unternehmenspleite in der Europäischen Union (EU) und den Verlust von jährlich etwa 450 000 Arbeitsplätzen. Untersuchungen haben ergeben, dass europäische Unternehmen im Geschäftsjahr 2009 ausstehende Forderungen in einer Gesamthöhe von 270 Milliarden Euro nicht einziehen konnten. Dies entspricht 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU.1)

Zahlungsverzug in der Leasing-Branche

Entsprechend sind auch Leasing-Gesellschaften regelmäßig mit Leasing-Nehmern konfrontiert, die vereinbarte Zahlungsfristen nicht einhalten und sich hierdurch quasi einen Zwangskredit verschaffen. Dies entweder in der Form, dass Leasing-Nehmer die vertraglich geschuldeten Leasing-Raten überhaupt nicht beziehungsweise nicht regelmäßig begleichen oder in der Form, dass das Leasing-Gut nach Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit nicht herausgegeben, sondern dieses vielmehr weiter genutzt wird, ohne dass die geschuldeten Nutzungsgebühren entrichtet werden.

Dieser Beitrag befasst sich mit der Regelung des § 288 Absatz 5 Satz 1 BGB, wonach Gläubiger unter gewissen Voraussetzungen neben weiteren Verzugsschäden eine pauschale Verzugsentschädigung von 40 Euro geltend machen können. Hierbei steht insbesondere die Frage im Vordergrund, inwiefern die Verzugspauschale im Rahmen von Leasing-Verträgen auch mehrfach geltend gemacht werden kann, wenn der Schuldner mit mehr als einer Zahlung in Verzug gerät.

Regelungszweck

Im Folgenden soll der Regelungszweck des § 288 Absatz 5 BGB vorgestellt werden:

- Die EU-Richtlinie 2011/7/EU gilt der Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr,2) die vor einer Überschreitung der Zahlungsfristen abschrecken will. Durch die Neuregelung soll ein Wandel hin zu einer Kultur der unverzüglichen Zahlung erreicht werden. Hierzu soll ein rechtliches und wirtschaftliches Umfeld für mehr Zahlungsdisziplin im Geschäftsleben geschaffen werden, um die Liquidität, Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit von Unternehmen zu verbessern.3)

- Diese Intention des europäischen Gesetzgebers setzte der deutsche Gesetzgeber durch die Einführung des § 288 Absatz 5 BGB um. Die Regelung ist am 29. Juli 2014 in Kraft getreten. Unabhängig von einem tatsächlichen Verzugsschaden und ohne weitere Mahnung gewährt § 288 Absatz 5 Satz 1 BGB dem Gläubiger einen durch den Zahlungsverzug begründeten pauschalierten Zahlungsanspruch gegen den Schuldner. Die Pauschale soll die durch den Zahlungsverzug entstandenen Verwaltungskosten und internen Kosten ersetzen, also einen Ersatz für den eigenen oder den durch eigens zu vergütendes Personal erbrachten Arbeits- und Zeitaufwand darstellen.4)

- Ob dem Gläubiger tatsächlich ein Schaden entstanden ist, ist gleichgültig. Selbst wenn das Leasing-Unternehmen also mit Blick auf den eingetretenen Verzug überhaupt nicht tätig wurde oder nur geringe Kosten, wie beispielsweise Portokosten für den Versand der Zahlungserinnerung, angefallen sind, ist der Anspruch auf Ersatz der Pauschale in Höhe von 40 Euro begründet. Da es sich bei der Schadensersatzpauschale um eine nicht mehrwertsteuerpflichtige Leistung handelt, kann diese nur brutto geltend gemacht werden.

- Die Einführung eines solch pauschalierten Zahlungsanspruchs, der von dem Vorliegen eines tatsächlichen Verzugsschadens unabhängig ist, war und ist ein Novum des deutschen Rechts.5) Dieses kannte Schadensersatz als Geldersatz zuvor - abgesehen von vereinzelten Ausnahmen wie dem Ersatz von Schmerzensgeld - nur in Fällen tatsächlich eingetretener Vermögensverschlechterungen.

Anspruchsvoraussetzungen

§ 288 Absatz 5 Satz 1 BGB besagt: "Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro." Zur Geltendmachung der Schadensersatzpauschale müssen somit folgende vier Voraussetzungen erfüllt sein.

- Altverträge sind nicht erfasst: Zunächst ist zu berücksichtigen, wann der betroffene Vertrag geschlossen wurde. Gemäß Artikel 229 § 34 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) kann die Verzugspauschale gemäß § 288 Absatz 5 Satz 1 BGB nur bei solchen Leasing-Verträgen geltend gemacht werden, die nach dem 28. Juli 2014 abgeschlossen wurden. Auf Verträge, die zuvor geschlossen wurden, ist die Regelung dann anzuwenden, wenn die Gegenleistung nach dem 30. Juni 2016 erbracht wurde, das Leasing-Gut also nach dem 30. Juni 2016 übergeben wurde. Diese zweite Variante wird in der Praxis jedoch kaum eine Rolle spielen, sodass tatsächlich maßgeblich sein wird, ob der Vertrag vor oder nach dem 28. Juli 2014 geschlossen wurde.

- Vorliegen einer Entgeltforderung: Es muss sich bei der in Verzug befindlichen Forderung um eine Entgeltforderung handeln. Laut Bundesgerichtshof6) (BGH) handelt es sich dabei um eine Geldforderung, die die Gegenleistung für eine von dem Gläubiger erbrachte oder zu erbringende Leistung darstellt. Die durch den Leasing-Nehmer zu erbringenden Leasing-Raten sind als Entgeltforderung in diesem Sinne zu qualifizieren. Denn die Raten sind diejenigen vertraglich vereinbarten Gegenleistungen, die der Leasing-Nehmer für den Erhalt des Leasing-Gutes schuldet.

Gleichgültig ist sowohl die Höhe als auch die Währung der Entgeltforderung, mit der sich der Schuldner in Verzug befindet. Entsprechend kann auch eine Schadensersatzpauschale bei Leasing-Raten geltend gemacht werden, die auf eine andere Währung als Euro lauten oder - beispielsweise bei einer nur teilweise beglichenen Rate - die geringer als 40 Euro sind.7)

- Keine Anwendung gegenüber Verbrauchern: Der Anspruch auf Ersatz der Verzugspauschale nach § 288 Absatz 5 Satz 1 BGB kann nach dem klaren Wortlaut der Regelung nur gegenüber solchen Leasing-Nehmern geltend gemacht werden, die bei Abschluss des Leasing-Vertrages in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelten. Der Leasing-Nehmer darf also nicht Verbraucher im Sinne des § 13 BGB sein. Wird ein Leasing-Vertrag mit einer juristischen Person (zum Beispiel einer GmbH, AG, oder einem Verein) oder einer rechtsfähigen Personengesellschaft (zum Beispiel einer OHG, KG oder Partnerschaftsgesellschaft) geschlossen, so handelt es sich nie um einen Verbraucher im Sinne des Gesetzes. Gegenüber Nicht-Verbrauchern als Leasing-Nehmer findet die Regelung des § 288 Absatz 5 Satz 1 BGB daher Anwendung. Aufgrund des Ausschlusses gegenüber Verbrauchern wird der Anspruch auf pauschalen Schadensersatz am häufigsten ausscheiden. Umso mehr ist also im Einzelfall sorgfältig zu überprüfen, ob der Leasing-Nehmer tatsächlich als Verbraucher zu qualifizieren ist oder ob er möglicherweise doch in Ausübung seiner gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt.

- Verzug des Leasing-Nehmers: Grundstein des Anspruchs auf Ersatz der Verzugspauschale ist, dass sich der Leasing-Nehmer mit einer oder mehreren vertraglich geschuldeten Zahlungen in Verzug befindet. Rechtliche Schwierigkeiten werden sich bei dieser Voraussetzung jedoch eher selten ergeben. Da dem Leasing-Nehmer bei Abschluss des Leasing-Vertrages üblicherweise feste Zahlungsfristen für die jeweiligen Leasing-Raten mitgeteilt werden, beispielsweise mithilfe der ausgehändigten Allgemeinen Leasing-Bedingungen oder einer überlassenen Dauerleasingrechnung, kann relativ problemlos ermittelt werden, ob sich der Leasing-Nehmer mit der geschuldeten Zahlung in Verzug befindet. Einer gesonderten Mahnung bedarf es gemäß Artikel 6 Absatz 2 Richtlinie 2011/7/EU nicht, wobei eine dennoch ausgesprochene Mahnung für den pauschalen Schadensersatzanspruch unschädlich wäre, weil der Leasing-Nehmer "automatisch" mit Ablauf der vertraglich vereinbarten Zahlungsfrist in Verzug gekommen war.

Erbringt der Schuldner lediglich eine Teilzahlung, so liegt Verzug im Sinne des § 288 Absatz 5 Satz 1 BGB bezüglich des noch ausstehenden Teils der Leasing-Rate vor.8) Verzug liegt auch dann vor, wenn der Leasing-Nehmer zwar ein SEPA Lastschriftmandat erteilt hat, die geschuldete Zahlung jedoch aus Gründen nicht eingezogen werden konnte, die der Leasing-Nehmer zu vertreten hat, beispielsweise wegen Überziehung des Kontos. Denn der Schuldner hat für die Einlösung der ordnungsgemäß eingereichten Lastschriften zu sorgen.9) Eine Mindestdauer des Verzugs ist nicht erforderlich, sodass der Anspruch auch dann besteht, wenn der Verzug durch eine spätere Zahlung schnell wieder beendet wird.

Mehrfache Verzugspauschale bei mehrfachem Verzug?

Handelt es sich um den Grundfall einer Entgeltforderung und sind die zuvor genannten Voraussetzungen erfüllt, so ist der Anspruch auf Ersatz der Verzugspauschale gemäß § 288 Absatz 5 Satz 1 BGB problemlos gegeben. Hieran anknüpfend stellt sich nun jedoch die Frage, wie Vertragsverhältnisse zu handhaben sind, bei denen - wie bei Leasing-Verträgen - wiederholt einzelne Entgeltforderungen entstehen und der Schuldner mit mehreren dieser Forderungen in Verzug gerät. Entsteht die Verzugspauschale nur einmal oder etwa doch für jede Leasing-Rate gesondert, mit der sich der Leasing-Nehmer in Verzug befindet?

- Wortlaut des § 288 Absatz 5 BGB:

Der Wortlaut des § 288 Absatz 5 BGB ist eindeutig. Gemäß Satz 2 ist es für das Entstehen der Verzugspauschale ausreichend, wenn der Schuldner mit einer Abschlags- oder Ratenzahlung in Verzug gerät. Hieraus lässt sich im Erst-Recht-Schluss herleiten, dass bei Leasing-Verträgen der Verzug mit jeder einzelnen Leasing-Rate zur Entstehung der Pauschale führen muss. Denn wenn schon der Verzug mit einer Abschlags- und Ratenzahlung (bei denen es sich um Teilzahlungen auf eine Gesamtschuld handelt) zur Entstehung der Verzugspauschale nach § 288 Absatz 5 Satz 1 BGB führt, so muss erst Recht auch der Verzug jeder einzelnen Leasing-Rate zur gesonderten Entstehung der Pauschale führen. Denn im Gegensatz zu Abschlags- und Ratenzahlungen handelt es sich bei Leasing-Raten um periodisch entstehende neue Einzelforderungen, die von der vorherigen Leasing-Rate getrennt zu beurteilen sind.10)

- Regelungszweck des § 288 Absatz 5 BGB: Eine gesonderte Entstehung der Pauschale für jede in Zahlungsverzug geratene Leasing-Rate entspricht auch dem § 288 Absatz 5 Satz 1 BGB zugrunde liegenden Regelungszweck. Entsprechend den Erwägungsgründen der EU-Richtlinie 2011/7/EU soll durch die Einführung der Verzugspauschale eine gerechte Entschädigung der Gläubiger erzielt werden, um von der Überschreitung der Zahlungsfristen abzuschrecken11) und um einen durch greifenden Wandel hin zu einer Kultur der unverzüglichen Zahlungen zu er reichen.12)

Die Erwägungsgründe stellen klar, dass Raten- und Abschlagszahlungen mit erfasst sind.13) Also müssen gemäß Artikel 5 der Richtlinie 2011/7/EU in Fällen, in denen eine Rate nicht zu dem vereinbarten Termin gezahlt wird, die durch die Richtlinie vorgesehenen Entschädigungen - mithin auch die Verzugspauschale von 40 Euro - allein auf der Grundlage der rückständigen Beträge berechnet werden. Entsprechend hat auch der deutsche Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung ausgeführt: "Der neu vorgeschlagene Absatz 5 Satz 2 stellt klar, dass die Pauschale nach § 288 Absatz 5 Satz 1 BGB-E wegen jeder einzelnen Abschlagszahlung oder jeder sonstigen Ratenzahlung, mit der der Entgeltschuldner in Verzug kommt, in voller Höhe anfällt."14)

- In der Literatur vertretene Auffassung: Trotz dieses eindeutigen Gesetzeswortlauts zu der Handhabung in Verzug geratener Abschlags- und Ratenzahlungen (dass aufgrund eines Erst-Recht-Schlusses auch Leasing-Raten erfasst sein müssen, wurde bereits dargelegt) wird in der Literatur teilweise eine Gesetzeskorrektur angestrengt und die Frage aufgeworfen, wie Vertragsverhältnisse zu handhaben sind, bei denen wiederholt einzelne Entgeltforderungen entstehen und der Schuldner mit mehreren der periodisch anfallenden Forderungen in Verzug kommt.15)

So wird beispielsweise einerseits vertreten, dass die Pauschale im Verhältnis der einzelnen Raten aufzuteilen sei, da sich andernfalls Ratenzahlungen als wenig hilfreich erweisen würden. Andererseits wird vertreten, dass die Pauschale einmal anfällt, wenn der Schuldner fortlaufend nicht leistet, sie aber mehrfach zu gewähren ist, wenn der Schuldner zwischendurch geleistet hat. Diese Ansichten vermögen nicht zu überzeugen. Denn weder soll eine Ratenzahlungsvereinbarung der Abmilderung vom Schuldner zu vertretender Verzugsfolgen dienen. Vielmehr bezweckt diese die effektive Bedienung eines Finanzierungsbedarfs. Die Aufteilung der Pauschale bei anhaltendem Zahlungsverzug stünde der Gewährung eines Mengenrabatts gleich und würde gerade nicht der Intention des Gesetzgebers entsprechen, eine "Kultur der unverzüglichen Zahlung" zu erreichen.

Noch wäre es nachvollziehbar, weshalb konstant im Zahlungsverzug befindliche Schuldner durch eine Aufteilung der Entschädigungspauschale gegenüber solchen Schuldnern bevorzugt würden, die sich nur ab und an im Zahlungsverzug befinden, sodass die pauschale Entschädigung hiernach mehrfach anfiele. Hierdurch würde ein Anreiz geschaffen, dauerhaft nicht zu leisten.

- Beispiele aus der Rechtsprechung: Überzeugend folgt daher auch die Rechtsprechung16) nicht den teilweise vertretenen Auffassungen in der Literatur, sondern spricht die Verzugspauschale bei Vorliegen der anspruchsbegründenden Voraussetzungen mehrfach zu. So sprach etwa das Amtsgericht Freiburg17) dem klagenden Leasing-Unternehmen nach Kündigung des Vertrages wegen Zahlungsverzugs eine Verzugspauschale in Höhe von 120 Euro für drei in Verzug geratene Leasing-Raten zu.

Dass es für die Entstehung der Verzugspauschale nicht auf die Höhe der in Verzug geratenen Forderung ankommt, stellte das Landesarbeitsgericht Niedersachsen einprägsam in einem Urteil dar, in welchem der klagenden Arbeitnehmerin eine Verzugspauschale von insgesamt 80 Euro zugesprochen wurde, weil sich der Arbeitgeber mit zwei Monatsgehältern jeweils in Höhe von 0,70 Euro in Zahlungsverzug befand. Auch das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg bestätigte,18) dass die Verzugspauschale für jeden Monat erneut anfällt, in dem sich der Zahlungsschuldner in Verzug befindet. Das Landgericht Saarbrücken19) hat in einem Rechtsstreit bezüglich eines gewerblichen Mietraumverhältnisses der Klägerin aufgrund Zahlungsverzugs die Verzugspauschale eindrucksvolle 24mal, also in Gesamthöhe von 960 Euro zugesprochen.

Anrechnung auf Kosten der Forderungsbeitreibung

§ 288 Absatz 5 Satz 3 BGB bestimmt, dass die Pauschale nach Satz 1 auf solche Kosten anzurechnen ist, die zwecks Beitreibung der Forderung durch Beauftragung eines Rechtsanwaltes oder eines Inkassounternehmens entstanden sind. Ob diese, durch den deutschen Gesetzgeber bestimmte Anrechnungsregelung richtlinienkonform ist, also dem Willen des Europäischen Gesetzgebers entspricht, war zunächst unklar, sodass der BGH dem Europäische Gerichtshof (EuGH) diese Frage zur Entscheidung vorgelegt hatte.20) Mit Beschluss vom 11. April 201921) hat der EuGH nun entschieden, dass die Verzugspauschale auf solche Kosten eines Rechtsanwaltes oder Inkassounternehmens anzurechnen sind, die zwecks Beitreibung der Forderung angefallen sind.

Ob dieser Beschluss nun auch so verstanden wird, dass der gemäß § 288 Absatz 5 Satz 1 BGB zu gewährende pauschale Schadensersatz bei andauerndem Verzug des Zahlungsschuldners nur insoweit mehrfach geltend gemacht werden kann, als die Summe der pauschalen Entschädigungen zu je 40 Euro nicht den Betrag der gesetzlichen Gebühren für die Tätigkeit eines Rechtsanwaltes überschreitet, bleibt abzuwarten.

Die durch den Beschluss des EuGH bestätigte Anrechnung der Verzugspauschale führt dazu, dass Leasing-Gesellschaften bei eintretendem Schuldnerverzug die Bearbeitung der Angelegenheit nicht vorschnell an einen Rechtsanwalt oder ein Inkassounternehmen abgeben sollten. Denn durch die eigenständige Bearbeitung von Verzugsfällen und durch die beispielsweise im Rahmen eines Mahnverfahrens erfolgreiche Titulierung der Schadensersatzpauschale kann Ersatz für eigene Personalkosten erlangt werden, der bei einer Vielzahl bearbeiteter Fälle sogar zu einem wirtschaftlichen Plus führen kann. Aufgrund der vorzunehmenden Anrechnung bei der Beauftragung eines externen Dienstleisters wäre dies nicht der Fall.

Nichts zu verlieren

Darüber hinaus sollte die Schadensersatzpauschale bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen auch mehrfach geltend gemacht werden. Da die Verzugspauschale von der Rechtsprechung als Entschädigung für Beitreibungskosten, also als Kosten im Sinne des § 4 Zivilprozessordnung angesehen wird,22) wirkt sich diese nicht streitwert- und somit nicht kostenerhöhend aus. Selbst wenn ein Gericht eine beispielsweise 15-fach eingeklagte Verzugspauschale also nicht voll zusprechen sollte, so hätte dies keine negativen Auswirkungen auf entstehende Kosten.

Fußnoten

1) Zu den vorstehenden Zahlen: Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses 2010/C 255/07, Amtsblatt der Europäischen Union vom 22.9.2010 C 255 Seite 43.

2) Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.2.2011.

3) BT Drucksachen 17/10491 Seite 7; Richtlinie 2011/7/EU Erwägungsgründe 6, 12.

4) Schulte-Nölke in: Dauner-Lieb/Langen, BGB Schuldrecht, 3. Auflage, Band 2/1, §288 Rn. 15.

5) BT Drucksachen 17/10491 Seite 9.

6) Exemplarisch: BGH, Urteil vom 21.4.2010 - XII ZR 10/08 Rn. 23.

7) Ernst in: MüKoBGB, 8. Auflage, §288 Rn. 31.

8) Ernst in: MüKoBGB, 8. Auflage, §288 Rn. 33.

9) BGH, Urteil vom 17.9.2009 - Xa ZR 40/08 Rn. 11.

10) Ernst in: MüKoBGB, 8. Auflage, § 288 Rn. 33.

11) Richtlinie 2011/7/EU Erwägungsgrund 19.

12) Richtlinie 2011/7/EU Erwägungsgrund 12.

13) Richtlinie 2011/7/EU Erwägungsgrund 22.

14) BT Drucksachen 18/1309 Seite 19.

15) Hager in: Ermann BGB, 15. Auflage, § 288 Rn. 20; Ernst in: MüKoBGB, 8. Auflage, § 288 Rn. 34.

16) Überwiegend finden sich bezüglich der mehrfachen Geltendmachung der Pauschale momentan Entscheidungen zu arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten, wobei die dortigen Rechtsausführungen auf Leasing-Verträge übertragen werden können.

17) AG Freiburg, Urteil vom 15.10.2019 - 55 C 1523/19.

18) Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 2.11.2017 - 3 Sa 81/16.

19) LG Saarbrücken, Urteil vom 24.2.2018 - 6 O 103/14 Rn. 58.

20) BGH, EuGH-Vorlage vom 18.1.2018 - III ZR 174/17.

21) EuGH, Beschluss vom 11.4.2019 - C-131/18.

22) BAG, Urteil vom 27. März 2019 - 5 AZR 591/17 Rn. 17.

DR. AXEL SIEBERT ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und Partner der Dr. Becker Dr. Siebert Rechtsanwälte Fachanwälte Partnerschaft mbB in Freiburg.
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