Spannungsfelder im Factoring: Rentabilität, Service, Risiko

Lösungsansatz für Kundenzufriedenheit

Abbildung: Das Spannungsfeld der drei Aufgabenteilbereiche Quelle: Eigene Darstellung

Sven Zirkel - Wenn seitens der Factoring-Gesellschaft gegenüber dem Kunden Bedenken bestehen, gibt es kein Patentrezept für eine Lösung. Eine offene, ehrliche und direkte Kommunikation gilt an dieser Stelle nach Ansicht des Autors als Mittel der Wahl und führt in der Regel zu einem guten Ergebnis.

Eine Factoring-Gesellschaft muss sich im Wesentlichen im Lebenszyklus eines Kunden mit Fragen der Rentabilität, des Services und des Risikos intensiv beschäftigen (Abbildung, Seite 173).

Jedem einzelnen Bereich wiederum kann man Einzeltätigkeiten, Instrumente und Handlungen zuordnen. So ist zum Beispiel die Rentabilitätssteuerung essentiell vom Umsatz des Kunden, der aktuellen Bonität, der Anzahl der Rechnungen, der Debitorenausfälle, der Arbeitsintensität des jeweiligen Kunden, der Vertragsart (Inhouse oder Full Service) und der Warenkreditversicherungsart (Versicherung über den Factor beziehungsweise bringt der Kunde seine eigene Warenkreditversicherung mit) abhängig. Jeder dieser einzelnen Faktoren kann die Rentabilität des Kunden beeinflussen.

Rentabilitätssteuerung

Ein einfaches Beispiel: Der Kundenbetreuer oder Risikomanager stellt im Laufe der Zusammenarbeit erhöhte Debitorenausfälle fest. In der Summe übersteigen die Ausfälle der Abnehmer des Kunden den vereinnahmten Ertrag. Was tun? Es bestehen nun im Wesentlichen zwei Möglichkeiten, die sich auch kombinieren lassen:

- Restriktivere Limitpolitik

- Gebühren- beziehungsweise Zinsanpassung, um den Vertrag rentabel zu halten

Beide Maßnahmen wiederum haben eine "gefühlte" Auswirkung auf den Servicebereich des Kunden. Er wird, im schlimmsten Fall, beides als eine Verschlechterung des Services wahrnehmen. Und da können die Argumente des Kundenbetreuers oder Risikomanagers noch so plausibel sein, sobald es an das Portemonnaie des Kunden geht, trifft man auf wenig Verständnis.

Das Spannungsfeld der drei Aufgabenteilbereiche ist besonders intensiv und kritisch zwischen Service und Risikosteuerung. Veränderungen in der Risikosteuerung können sich massiv auf die Kunden-/Factor-Beziehung niederschlagen; speziell wenn der Kunde eine verschärfte Risikosteuerung als Misstrauen wahrnimmt. Was versteht man nun unter Service und Risikosteuerung?

Service

Zum Aufgabengebiet des Servicebereiches zählen im Wesentlichen folgende Tätigkeiten oder Wahrnehmungen des Kunden:

- One Face to the Customer: Der Kunde möchte idealerweise einen Ansprechpartner für alle seine Probleme. Am ehesten kommt dieser Funktion der Kundenbetreuer nahe. Wobei es hier natürlich auf die organisatorische Aufstellung einer Factoring-Gesellschaft ankommt.

- Durchführung von Kundenbesuchen: Der Kunde möchte in der Regel seinen Finanzpartner kennenlernen.

- Vertragsmanagement: Schnelle, unkomplizierte und einfache verständliche Vertragsanpassungen.

- Liquiditätssteuerung im Allgemeinen: Steuerung der optimalen Liquiditätsversorgung durch den Factor.

- Buchhaltung, Mahnungen und Inkassoverfahren: Klassisch als Vorteile benannte Themen im Factoring

- Bonitätsprüfung und Absicherung der Abnehmer/Debitoren (Klassisch als Vorteil benannter Faktor im Factoring)

Natürlich gibt es noch weitere zahlreiche Servicetätigkeiten, die an dieser Stelle genannt werden könnten.

Risiko Factoring-Kunde

In der Risikosteuerung unterscheidet man, bezogen auf den Factoring-Kunden, in zwei Hauptrisiken: Veritätsrisiko und Adressenausfallrisiko des Factoring-Kunden. Man könnte hier noch das Ertragsrisiko erwähnen, welches allerdings in den weiteren Ausführungen eine untergeordnete Rolle spielt.

Insbesondere das Monitoring der beiden oben genannten Hauptrisiken kann Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Kunde und Factoring-Gesellschaft haben. Wobei die Überwachung des Adressenausfallrisikos oftmals klaren und dem Kunden transparenten Regeln unterliegt. Um das Adressenausfallrisiko zu steuern, benötigt der Factor in regelmäßigen Abständen, etwa quartalsweise, Dokumente zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Kunden, wie Bilanz, betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) und so weiter.

Um kein Informationsdefizit zu haben, lässt sich der Factor die Zurverfügungstellung und die Aktualität dieser Unterlagen im Factoring-Vertrag oder in den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zusichern. Eine entsprechende Kommunikation erfolgt vor Vertragserstellung mit beziehungsweise an den Kunden.

Kritischer zu sehen ist die Steuerung des Veritätsrisikos. Im Wesentlichen kann man hier noch einmal in zwei weitere Teilrisiken unterscheiden:

- Erwartetes Risiko: Herkömmliche und normale Risiken aus der Lieferbeziehung zwischen Factoring-Kunde und Abnehmer/Debitor, wie zum Beispiel Reklamationen, Skonto, Gegenforderungen, Bonifikationen (kumulierte Risiken aus Rahmenverträgen zwischen Kunde und Debitor), Werbekostenzuschüsse, Rückgaberechte et cetera. Alle diese Risiken können im Vorfeld oder während der Zusammenarbeit analysiert und in Form des Sperrkontos (Sicherheit des Factors) berücksichtigt werden.

- Unerwartetes Risiko: Jegliche Formen des Betrugsrisikos durch den Factoring-Kunden.

Veritätsrisiko

Die verkaufte Forderung hat den Wert, den der Factoring-Kunde vom Factor bevorschusst bekommen hat.

Um dies zu gewährleisten ist es erforderlich, die Risiken permanent zu überwachen und gegebenenfalls gegenzusteuern. Insbesondere das Gegensteuern und das Monitoring des Betrugsrisikos kann größeren Einfluss auf die Kunden-/Factor-Beziehung nehmen. Die Kunst besteht darin, eine optimale Risikoüberwachung für das Factoring-Institut zu schaffen, ohne dass Reibungsverluste in der Geschäftsbeziehung zum Kunden entstehen. Theorie und Praxis gehen hier aber oftmals auseinander.

Beispiel: Ein Kunde weist in einer der Risikomonitoringlisten des Factors über mehrere Monate erhöhte Gutschriften, Abzüge und Reklamationen aus (> als Sicherheitseinbehalt/Sperrkonto). Folgende Maßnahmen können nun durch den Factor erfolgen:

- Kontaktaufnahme zum Kunden und Ursachenerfragung zu den erhöhten Gutschriften und Abzügen

- Gegebenenfalls Sicherheitenerhöhung durch Sperrkontenanpassung

- Reduzierung von Grenzwerten zur Nachweiseinreichung

- Außenprüfung durch Factor beim Kunden

- Direkte Kontaktaufnahme zu den Debitoren et cetera

Alle hier aufgeführten Maßnahmen können einen vertrauensschädigenden Eindruck beim Kunden hinterlassen. Insbesondere, wenn sich im Nachgang herausstellt, dass die erhöhten Gutschriften, Abzüge und Reklamationen beispielsweise auf eine Umstellung in der Produktion beim Kunden zurückzuführen ist.

Der Kunde wird im ersten Schritt die Maßnahmen als eine Verschlechterung des Services deuten oder wahrnehmen. Denkt er etwas länger darüber nach, kann er dies unter Umständen sogar als Misstrauen in seine Person interpretieren.

Lösungsansatz

In solch einer Situation ist es extrem wichtig, den Kunden dort "abzuholen", wo die Bedenken bei der Factoring-Gesellschaft entstehen. Eine Generallösung gibt es nicht, aber offene, ehrliche und direkte Kommunikation wird an dieser Stelle regelmäßig am höchsten gewertet und führt in der Regel am schnellsten zum Erfolg.

Der Kunde muss die Entscheidung transparent und unter Umständen sehr ausführlich erläutert bekommen. Dies stellt die Basis des zu weckenden Verständnisses beim Kunden und Vertragspartner dar. Der Perspektivenwechsel (Factor nimmt die Sichtweise des Kunden ein) ist hier ein probates Mittel, um dem Ziel "Kundenzufriedenheit" ein entscheidendes Stück näherzukommen.

DER AUTOR:

Sven Zirkel, Pforzheim, ist seit 2013 Abteilungsleiter Kundenbetreuung/Projekte/Prozesse bei der Aktivbank AG. Frühere Tätigkeiten: Limitsachbearbeiter bei der DG Diskontbank, Teamleiter Debitorenkredite, Ableitungsleiter Risiko/Debitorenkredite bei VR-Factorem, ab 2008 Abteilungsleiter Kundenbetreuung/ Kundenservice bei VR-Factorem.E-Mail: sven.zirkel[at]aktivbank[dot]de

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