Im Blickfeld

Kompetenz-Export

Deutschland ist beim Thema Energie im internationalen Vergleich Spitzenklasse - ein Stempel, den sich das Land nicht selbst, sondern den uns andere aufgedrückt haben. Zuletzt wurde die Entscheidung der neuen Bundesregierung, die Ressorts Wirtschaft und Energie zu einem neuen Ministerium zu vereinen, als "brillant" gefeiert. So hieß es zumindest seitens eines Niederländischen Energieunternehmens. Davor hat bekanntlich die Entscheidung zum Atomausstieg für Aufsehen gesorgt. Und bereits lange davor hat Deutschland in den Bereichen energieeffizienter Neubau sowie energetische Gebäudesanierung eine führende Rolle eingenommen.

Die Energieeinsparverordnung (EnEV) gilt nicht erst in der aktuellen Fassung als so weitgehend, dass - so sagen spitze Zungen - sie mit manchem internationalen Gütesiegel für nachhaltige Gebäude gleichzusetzen ist. Mit dem Unterschied, dass solche Gütesiegel im Ausland eine Auszeichnung darstellen und ein Herausheben aus der Masse bewirken, während die EnEV eher flächendeckend wirkt. Energieeffizienz ist in Deutschland in der Immobilienwirtschaft so normal, dass viele es schon nicht mehr hören können.

Im Ausland ist das wie gesagt anders, und immer häufiger nutzen deutsche Immobilienunternehmen die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben: Sie exportieren ihre diesbezügliche Kompetenz. Erst kürzlich vermeldete ein deutsches Unternehmen, dass es in Kopenhagen Wohnimmobilien im dreistelligen Millionenbereich erworben hat - und bewusst auf den Know-how-Transfer im Bereich der energetischen Sanierung setzt. Es handle sich um Altbausubstanz, die lange nicht angefasst worden sei. In vielen attraktiven Städten weltweit ist die Situation ähnlich, und Wohngebäude sind in die Jahre gekommen. New York ist hier ein Beispiel. Offiziellen Angaben zufolge sind New Yorker Gebäude für 75 Prozent der Treibhausgase der gesamten Stadt verantwortlich.

Zum Vergleich: In Deutschland wird dem Gebäudesektor meist ein Anteil von etwa 40 Prozent zugeschrieben. Wenngleich sich die Gelehrten über Messmethode und die exakte Höhe streiten - die Deutsche Umwelthilfe sieht beispielsweise nur einen Anteil von rund 33 Prozent - so dürfte doch feststehen, dass der Vorsprung beachtlich ist.

Bleiben wir in New York. Die Taurus Investment Holdings hat dort in einem aufstrebenden Teil Harlems Investmentmöglichkeiten im Bestand identifiziert, die eine Win-Win-Situation ermöglichen: durch die Sanierung lassen sich die Nebenkosten senken und zugleich die Umwelt entlasten - und die Anleger profitieren von einer Aufwertung der Wohnungen. Anders als im vorgenannten Fall in Kopenhagen, in dem ein großes Portfolio erworben wurde, wird in Harlem das Portfolio erst Stück für Stück aufgebaut.

Das Ziel jedoch ist ähnlich: Am Ende steht eine größere Zahl räumlich konzentrierter Wohnimmobilien, die nach Durchführung entsprechender Maßnahmen bessere energetische Eigenschaften aufweisen als zum Ankaufszeitpunkt. Dabei eröffnet nicht nur die Sanierung, sondern auch der Neubau Chancen. So plant Taurus gegenwärtig das erste Passivhaus-Wohngebäude in Manhattan. Der Energieverbrauch soll um 90 Prozent reduziert werden, Maßnahmen sind unter anderem der Einsatz von Solarenergie und eine bessere Isolierung der Gebäudehülle.

Die Idee ist, bereits vorhandene Techniken und Maßnahmen anzuwenden, sie jedoch mit Blick auf das Ergebnis zu optimieren. Dadurch lassen sich bei gleichbleibenden Kosten höhere Energieeinsparungen erzielen. Auch anderenorts in Nordamerika lohnt sich das Thema Energieeffizienz - ein letztes Beispiel sei Austin, Texas, wo das erste "Net Zero Energy"-Konzept der Vereinigten Staaten geplant ist. Sowohl die Stadt Austin als auch führende Technologiefirmen sind an der Umsetzung des nachhaltigen Projekts beteiligt.

Die zuletzt genannten Strategien seien ein "leuchtendes Beispiel weltweit", hieß es als Reaktion der Universität Liechtenstein. Wünschenswert wäre, wenn es künftig weitere Beispiele gibt und die Zahl der Akteure, die ähnliche Ziele verfolgen, weiter steigt.

Prof. Lorenz Reibling, Chairman and Senior Partner, Taurus Investment Holdings, Boston

Noch keine Bewertungen vorhanden


X