Kirche und Immobilien

Möglichkeiten der Optimierung des kirchlichen Immobilienbestands

Die Kirche ohne Immobilien? Schon der Begriff "Kirche" schließt dies aus; ist er doch gewollt zweifach zu verstehen, als Bezeichnung der Religionsgemeinschaft als Institution und als sakraler Bezugspunkt der Gemeinschaft als Kirchengebäude. Dieses einheitliche Verständnis besteht somit seit nahezu 2 000 Jahren. Spricht man vom kirchlichen Immobilienbestand, ist organisationsbedingt nach der örtlichen Ebene, den Kirchengemeinden, den Bistümern oder Landeskirchen, den Orden, den sozialen Einrichtungen und so weiter zu unterscheiden. Diese Strukturen sind höchst unterschiedlich. Nachfolgend ist der Fokus auf den Immobilienbestand der Kirchengemeinden gerichtet.

Wem gehören die Immobilien?

Neben dem Kirchengebäude sind auf Gemeindeebene drei zentrale Gebäudetypen zu nennen: das Pfarrhaus mit dem klassischen Dienstsitz des Pfarrers und den Gemeindebüros, das typische Pfarrheim als Versammlungsfläche beziehungsweise Treffpunkt und der Kindergarten.

Diese drei Gebäudetypen stellen in der Mehrzahl der Kirchengemeinden die Basis des Gebäudebestandes dar. In 2008 nennt die Statistik für Deutschland 12 080 römisch-katholische Pfarreien. Daraus lässt sich grob eine Zahl von mehr als 20 000 Kirchen und Kapellen respektive wohl mehr als 40 000 zentralen Gebäuden ableiten. Für die evangelische Kirche werden rund 23 000 Kirchen und Kapellen beziehungsweise etwa 60 000 zentrale Gebäude genannt.

Der verbleibende Immobilienbestand (landwirtschaftliche Flächen, Erbbaurechte, Gebäude et cetera) dient in der überwiegenden Zahl dem Erhalt der genannten zentralen Orte des Gemeindelebens. Somit bestehen die kirchlichen Immobilien aus einem zentralen Non-Profit-Bereich und aus einem renditeorientierten Portfolio. Tendenziell ist festzustellen, dass die Immobilienbestände schwerpunktmäßig bei den größeren und "älteren" Kirchengemeinden verteilt sind.

Betrachtet man die Kirchen als Spiegelbild der Gesellschaft, gelten für den kirchlichen Immobilienbestand die gleichen Rahmenbedingungen wie auch für die öffentliche Hand. Seit den achtziger Jahren sind hier insbesondere die Demografie und die fortschreitende Modernisierung in der IT zu nennen. Die Kirchen sind auf Gemeindeebene in der Verwaltung doch stärker autonom strukturiert als vielen bewusst ist; allerdings nur in geringem Grad mit Vollzeitkräften ausgestattet.

Örtliche Arbeit erfolgt hier in starkem Maße durch ehrenamtliche Gremien und Einzelpersonen. Daher kann die Kirche auf diesen Wandel nicht so schnell reagieren, wie dies beispielsweise Unternehmen tun. Man sollte im kirchlichen Bereich auch nicht von den Kirchen als Immobilieneigentümern sprechen. Jede Kirchengemeinde ist als selbstständiger Immobilieneigentümer zu betrachten. Daraus ergeben sich vielfältige Organisationsgrade und Strategien.

Reaktionen auf den demografischen Wandel

Bei der öffentlichen Hand setzte die Welle der Innovationen bei den Immobilienbeständen in den neunziger Jahren ein. Es folgte ein umfassender Modernisierungsprozess. Bei den Kirchen begann diese Phase organisationsbedingt nach dem Jahr 2000. Die Kirche reagiert auf den mittlerweile deutlich spürbaren demografischen Wandel, verbunden mit sinkendem Kirchensteueraufkommen, mit einer aktiveren Standortplanung. Diese ist jedoch langfristig angelegt. Vielfach wird auch von dem Projekt 2020 gesprochen.

Im Bereich der römisch-katholischen Kirche hat sich die Anzahl der Kirchengemeinden gegenüber 1990 bereits um zehn Prozent reduziert; für die evangelische Kirche gilt ähnliches. Dies ist vor allem auf die Neubildung von Gemeinden als Zusammenschluss kleinerer Einheiten zurückzuführen. Der Trend wird sich weiter fortsetzen. Eine Strukturanpassung der örtlichen Ebenen wird nicht vermeidbar sein. Historisch betrachtet könnte man die heutige Reorganisation als Korrektur der hohen Zahl an Neugründungen nach 1945 ansehen.

Die Kirchen dürfen sich dabei nicht als Immobilienunternehmen verstehen. Der Immobilienbestand dient hier allein als stetige und nachhaltige Liquiditätsquelle zur Erhaltung der vielfältigen Aufgaben. Die pastoralen Aufgaben dürfen somit nicht hinter ein striktes Immobilienmanagement zurücktreten.

Von daher kann es aus pastoraler Sicht durchaus sinnvoll erscheinen, "unwirtschaftliche" Gebäude zu halten oder sogar instand zu setzen. Es besteht somit ein Bedarf für ein spezielles, ganzheitliches Immobilienmanagement. Neben streng wirtschaftlichen Erwägungen sind hier auch emotionale, pastorale und soziale Indikatoren zu berücksichtigen. Der klassische Renditebegriff steht nicht vor, sondern gleichrangig neben den vorgenannten weichen Faktoren.

Im Zuge der langfristig angelegten Strukturanpassung ergeben sich vielfältige Ansatzpunkte für eine Optimierung des Immobilienbestandes.

- Die Reorganisation selbst führt zu einer Optimierung. Der laufende Prozess beinhaltet automatisch eine eingehende Betrachtung der Gebäudebestände. So ist mit dem Zusammenschluss von Gemeinden auch immer die Frage der "zentralen Kirche" und der Versammlungsflächen verbunden. Allein die Auflistung von Gebäuden führt vor Ort zu einem anderen Umgang mit dem Thema. Unbewusst erfolgt auch eine Verdichtung vorhandener Informationen. Langfristig wird sich daraus eine Reduzierung des Gebäudebestands vor allem im Bereich der zentralen Gemeindegebäude ergeben. Ergänzend sollten hier auch die sonstigen Grundstücksbestände in die Betrachtung einbezogen werden.

- Erhaltung der Schöpfung: Der Umweltgedanke gewinnt auch im kirchlichen Bereich immer mehr an Bedeutung. Hier leisten die Gemeinden bereits einen wichtigen Beitrag auf ideeller Ebene. Durch übergreifende Einbeziehung immobilienwirtschaftlicher Instrumente kann der Umweltgedanke noch stärker an Bedeutung gewinnen. Vieles wäre wirtschaftlich; so seien hier nur Energieeinsparung, Dämmung und regenerative Energien zu nennen. Bauliche Maßnahmen können jedoch auch unwirtschaftlich sein; so, wenn zwar Energie eingespart wird, jedoch mit gleichem Mitteleinsatz an anderer Stelle deutlich mehr erreicht werden könnte. Letztlich ist immer der Einzelfall zu betrachten.

- Gesellschaftliche Verpflichtung: Im kirchlichen Bereich sind von jeher viele denkmalgeschützte Gebäude konzentriert. Bei den Kirchengemeinden gilt dies nicht nur für die eigentlichen Kirchengebäude. Die evangelische Kirche nennt bundesweit rund 16 000 Kirchen und Kapellen mit Denkmalschutz; das heißt etwa 70 Prozent des Bestands. In den römisch-katholischen Kirchengemeinden kann man wohl von einem ähnlichen Prozentsatz ausgehen. Schon heute erfordert die Frage der Erhaltung dieses Gebäudebestands und etwaige Umnutzungsmöglichkeiten völlig neue Immobilienstrategien. Infolge des großen Bestands gibt es jedoch bisher nur teilweise Lösungsansätze. Ähnliches gilt für die ständig zunehmenden baulichen Herausforderungen im Bereich der Kindertagesstätten.

- Umgang mit "Problemimmobilien": Der Begriff ist im kirchlichen Bereich eigentlich völlig ungeeignet. Es geht hier nicht um Altlasten und nur in Ausnahmefällen (etwaige Einsturzgefahr) um Gefahrenabwehr. Die "Problemfelder" sind eher anders gelagert. So sind spezielle Ideen für isolierte, ländliche Lagen mit "ungewöhnlichen" Immobilien erforderlich. Es handelt sich hierbei um Zweckimmobilien mit speziellem Charakter, die von der Art, dem Erscheinungsbild und der Architektur her einmalig sind. Dabei muss es nicht unbedingt um Veräußerung gehen. Durch den laufenden Strukturprozess und knapper werdende Mittel wird auf der Ebene der Kirchengemeinden auch für die Erhaltung der Gebäude ein proaktiverer Umgang mit Investitionen notwendig. Sollte es zu Veräußerungsfällen kommen, sind spezielle Vermarktungsstrategien erforderlich.

Weiterhin sind dynamische Bewertungsstrategien notwendig, die sowohl lokale Marktbesonderheiten als auch Potenziale eines Gebäudes berücksichtigen; vielleicht muss man sich in vielen Fällen auch von dem "einen Wert" eines Gebäudes - insbesondere bei den Zweckgebäuden - verabschieden. Das Ziel ist ein sowohl zeitlicher und maßnahmenabhängiger als auch nutzungsabhängiger Wertansatz. Daraus ergibt sich unmittelbar eine periodische Neubetrachtung oder Aktualisierung der Werte. Demgegenüber wird der klassische Ansatz mit statischen, wenn nicht sogar zementierten Werten zurücktreten müssen.

- Immobilienverwaltung als Mittel zur aktiven Haushaltsplanung: Die Erträge aus dem Immobilienbestand bilden seit langem einen wichtigen Teil der Haushalte der Kirchengemeinden. In vielen Fällen speisen sich daraus die einzig noch verbliebenen freien Mittel zur Gebäudeinstandhaltung und zur Verwendung in der Gemeindearbeit. Wie auch bei der öffentlichen Hand werden Immobilienerträge bei den Kirchengemeinden seit jeher eher reaktiv im Haushalt geplant. Es erfolgt überwiegend eine klassische Fortschreibung. Ein qualitativ gut und zeitnah dokumentierter Immobilienbestand ermöglicht somit unmittelbar eine aktive Haushaltsplanung. Überschüsse lassen sich qualitativ besser planen und etwaige Aufwendungen frühzeitig prognostizieren. Exemplarisch seien hier die Stichworte Energiemanagement und Planung von Energieverbrauch im Bereich der zentralen Gemeindegebäude genannt.

- Aktiverer Portfolioansatz bei den Renditeobjekten: Die Kirchen verfolgen seit jeher eine extrem langfristige Anlagephilosophie. Schließlich bestehen die christlichen Kirchen seit zwei Jahrtausenden. Immobilien werden somit gehalten oder sie kommen hinzu. Die Veräußerung ist die Ausnahme. Ein aktiverer Portfolioansatz kann als Hilfsmittel zur Identifikation von langfristigen Bestandsimmobilien (qualitativ hochwertige Renditeobjekte), Potenzialflächen und unrentierlichen Flächen dienen. Das Merkmal Unrentierlichkeit muss sich auch hier auf unwirtschaftliche Objekte ohne "pastorale Daseinsberechtigung" beschränken. Dies erfordert einen völlig modifizierten Portfolioansatz. In der Vergangenheit mag es durchaus vorgekommen sein, dass Flächen gehalten wurden, obwohl sie extrem unrentierlich waren. Die Kosten können dann - über längere Zeit betrachtet - den Wert der Fläche übersteigen. In diesen Fällen ist eine möglichst unmittelbare Portfoliobereinigung geboten.

- Risikoaversion: Das kirchliche Immobilienmanagement auf Gemeindebene ist wie bereits beschrieben auf Langfristigkeit - wenn nicht sogar Ewigkeit - angelegt. Die auf Gemeindeebene beteiligten Gremien und handelnden Personen dagegen sind in einem vergleichbar kurzen Zeitraum an den Prozessen beteiligt. Beides zusammen bedingt eine unmittelbare Risikoaversion. Bei Tiefpunkten betrachtet man die positive Aussicht auf Besseres (in der Zukunft oder in der Vergangenheit); bei Hochpunkten erwartet man die noch besseren Aussichten. Hier kann ein Portfoliomanagement objektive, rein rationale Hilfsmittel zur Entscheidungsfindung bieten.

Gemeinde als Initiator der Bestandsoptimierung

Immobilienberatung im kirchlichen Raum muss somit mehr bieten, als Systeme und Prozesse aus der Immobilienwirtschaft einzuführen. Ein ganzheitlicher Beratungsansatz ist erforderlich. Dafür ist die Kenntnis der innerkirchlichen Abläufe, Prozesse und Vorgaben in Verbindung mit immobilienwirtschaftlichen Systemen und Hilfsmitteln notwendig. Eine weitgehende Optimierung kann demnach nur dann gelingen, wenn sie von der Gemeindeebene initiiert und zusammen mit den beteiligten Gremien durchgeführt wird. Wie so oft ist dabei der Weg das Ziel.

Christoph Schmitz , Bundesfachbereichsleiter und Bundesvorstand , ver.di
Noch keine Bewertungen vorhanden


X