Schwerpunkt IT und Telekommunikation

Smart Cities - digitale Technologien prägen die Stadtzukunft

Die Vernetzung der technischen Systeme in der Stadt findet kontinuierlich, aber in Deutschland derzeit in weiten Teilen unkoordiniert statt. Es entsteht eine nicht umkehrbare "hybride" Verbindung von physischer und digitaler Welt, die auf einer breit verfügbaren Informations- und Telekommunikationstechnik basiert. Mit dem Internet und der sich ausbreitenden Sensorik wird eine weitere Entwicklungsstufe sowohl der Vernetzung als auch ihrer Bedeutung für städtisches Leben und Wirtschaften erreicht.

Die sozialen Netzwerke entfalten eine wachsende Kraft in der Zivilgesellschaft und im Aufbau lokaler wie globaler Kommunikationsstrukturen. Die Smart City wird überall sein. Sie eröffnet neue Optionen für städtische Prozesse in der Verwaltung, in der Wirtschaft und zwischen den relevanten Akteuren selbst.

Zudem entstehen neue Lösungsoptionen wie zum Beispiel im Bereich der städtischen Mobilität oder im Feld des Ambient Assisted Living in Wohnungen, wo unter anderem medizinische und pflegebezogene Leistungen alltagstauglich werden.1)

Datenschutz und technologische Abhängigkeiten

Smart Cities wachsen schrittweise heran. Sie entstehen, ohne dass wir sie definiert oder geplant hätten, und ohne dass wir heute ausreichend darüber wissen, welche Risiken und Chancen mit dieser Entwicklung einhergehen. Natürlich läuft dieser Prozess nicht in allen Städten zugleich und gleich intensiv ab. Es ist aber dringend notwendig, dass sich die Stadtentwicklungspolitik aktiv an der Gestaltung smarter Städte beteiligt.2)

Diese technologisch bedingte Wesensveränderung unserer Städte wirft auch Fragen auf nach Datenschutz, nach der räumlichen und sozialen Ausgewogenheit dieses Wandels, nach neuen technologischen Abhängigkeiten und nach Auswirkungen auf kommunale Governance-Strukturen. Denn auf neuen Technologien basierende Lösungen können das traditionelle Akteursnetz einer Stadt neu sortieren, sogar ihr Einflussgefüge aus der Balance bringen.

Was das Smarte an der Stadt ändert

Städtebaulich ist es ein weit größeres Problem, Stadtstrukturen an eine rückläufige Bevölkerung anzupassen als an den digitalen Wandel. Demografisch bedingte Stadtumbauprozesse gehen in der Regel mit Abriss, Rückbau oder neuer Nutzung brachgefallener Räume einher. Das sieht man. Und die Raumwahrnehmung verändert sich oft schlagartig. Informationsflüsse, Kommunikation und Sensornetzwerke sind dagegen beinahe unsichtbar. Das heißt, Smart-City-Entwicklungen verlaufen anders und subtiler als Stadtumbauprozesse. Sie verändern mehr das Wesen als das Bild einer Stadt.

Mit dem italienischen Architekten und Ingenieur Carlo Ratti könnte man sagen: "Wenn ihr an die Zukunft der Stadt denkt, vergesst fliegende Autos. Nicht die bauliche Hardware wird sich schnell und spürbar ändern. Was sich ändern wird, ist die Software der Stadt, die Art, wie sich Menschen in der Stadt bewegen, wie sie Informationen generieren, wie Sensorik an und in Gebäuden und Infrastrukturen Interkation ermöglicht. Dies ändert die Eigenschaften der städtischen Hardware, aber häufig nicht deren bauliche Struktur."3) Die smarte Stadt wird uns kaum veränderte physische Stadtstrukturen bescheren. Öffentliche Räume, Plätze und Parks werden weder entleert noch obsolet werden.

Ein Leitbild ist erforderlich

Aber das Leben innerhalb dieser Strukturen wird sich verändern. Das ist wichtig für die Entwicklung in Deutschland und Europa, wo wir keine neuen Smart Cities planen und bauen á la Songdo (Anmerkung der Redaktion: eine Planstadt als Teil der Millionenstadt Incheon in Südkorea) oder Masdar (Anmerkung der Redaktion: Ökostadtbauprojekt im Emirat Abu Dhabi und zukünftiger Hauptsitz der Internationalen Organisation für Erneuerbare Energien, IRENA), wo sich der digitale Wandel im Bestand vollziehen wird. Viele Elemente einer Smart City ergeben sich dadurch, dass Bürgerinnen und Bürger zu Smart Citizens werden und die städtische Hardware oft nur geringfügig erweitert und so zum zentralen Partnerelement der neuen Stadt wird. So dürfte es beispielsweise Venedig unter Bewahrung seiner ureigenen Identität viel leichter fallen, sich an den digitalen Wandel anzupassen, als dies mit Blick auf alle bisherigen ökonomischen Strukturbrüche möglich gewesen ist.

Die momentan kaum überschaubare Vielfalt technischer Entwicklungen und Optionen lässt viele Städte zögern, Schritte auf ihrem Weg in Richtung Smart City zu planen. Um die Suche zu strukturieren, kann es hilfreich sein, sich im Diskurs auf ein Leitbild einer Smart City zu verständigen, das als Heuristik zu verstehen ist und angestrebte Eigenschaften und Qualitäten beschreibt und so hilft, sich aktiv in die Gestaltung der Digitalisierung unserer Städte einzubringen.

Fähigkeiten eines kognitiven Systems

Smart Cities zeichnen sich in der technischen Utopie durch eine engmaschige Echtzeitüberwachung von Zustands- und Leistungsvariablen aus, die - mit entsprechenden Reaktionsmustern gekoppelt - dazu führen, dass bei Über- oder Unterschreiten bestimmter Variablenwerte automatisch Anpassungsreaktionen erfolgen. Integriert man noch die Smart Citizens in diese Stadt, werden sie zu einem zentralen Teil eines menschlichen Sensornetzwerkes, das vielfältigste Informationen aussenden und aufnehmen kann. So lässt die umfassende Digitalisierung Le Corbusiers "Gehirn der Stadt" wieder aufleben. In einer Smart City haben somit Begriffe wie "Mensch-Maschine-Interaktion", "Akteursnetzwerke" und "lernende Stadt" eine zentrale Bedeutung. Diese schlagen einen Bogen zum Leitbild der kognitiven Stadt.4) Dabei beschreibt Kognition (lateinisch cognoscere, erkennen/wahrnehmen) den Erkenntnisprozess des Menschen. Läuft dieser in einem technischen Umfeld ab oder wird massiv durch Technologien unterstützt, spricht man von einem kognitiven technischen System.

Betrachtet man nun eine Stadt als komplexes System vielfältiger Ansprüche, Handlungsfelder und Akteurskonstellationen, deren Grundfunktionen durch ebenfalls komplexe und zum Teil interdependente Infrastruktursysteme zu sichern sind, entsteht die Idee einer Stadt, die sich über ein kognitives, technisches System steuert. Ein kognitives System hat folgende abstrakte Fähigkeiten:

- es registriert interne und externe Veränderungen,

- es erkennt das allgemeine Muster, das durch diese Änderungen hervorgerufen wird,

- es verbindet die neue Situation gedanklich mit solchen der Vergangenheit und identifiziert mögliche Antworten beziehungsweise Reaktionen,

- es plant unterschiedliche Reaktionen auf den Änderungsimpuls innerhalb vorgegebener Reaktionszeiten,

- es wählt den Ablauf von Maßnahmen, die für die betreffende Situation am besten geeignet erscheinen,

- es greift ein über die Anpassung von Ressourcen und Outputs, um die neuen Bedürfnisse und Anforderungen zu erfüllen und

- es beobachtet das Verhalten nach dem Eingriff und lernt aus den Auswirkungen.5)

Smartphones und Apps unterstützen die kognitive Stadt

Über die Idee der "Bürger-Sensor-Netzwerke" kann der Mensch in die Idee der kognitiven Stadt einbezogen werden. Die beinahe ubiquitäre Nutzung von Smartphones und die ständig steigende Anzahl entsprechender Apps eröffnet genau diese Perspektive. Während schon heute eine Vielzahl von Apps dem Bürger vielfältige Informationen über die Angebotsseite städtischer Leistungen übermitteln, wird sich dies in einer kognitiven Stadt dahin weiterentwickeln, dass jeder Smartphone-Nutzer auch Informationen an die Anbieter städtischer Leistungen übermitteln kann. Dazu zählen unter anderem Hinweise auf Störungen, individuelle Unzufriedenheiten oder aber geänderte Präferenzen.

Dabei macht es technisch und systematisch keinen Unterschied aus, ob die Adressaten Nahverkehrsunternehmen, Stadtwerke, die Stadtverwaltung oder sogar der Stadtrat sind. Die Bürgerinnen und Bürger werden so zu einem Sensornetzwerk, das auch große Einflüsse auf künftige Formen kommunaler Demokratie und einer neuen Form präferenzorientierter Entscheidungen haben wird.

Eine kognitive Stadt wäre somit eine Stadt, in der

- jeder Bürger ein selbstbestimmt handelnder Teil eines Sensor-Netzwerkes ist, in dem er nach Bedarf digitalisierte Echtzeitdaten zu allen städtischen (Dienst-) Leistungen nutzt und außerdem identifizierte Störungen oder individuelle Bedarfs- beziehungsweise Präferenzänderungen an die Stadt übermittelt,

- die Stadt durch die Bürger-Sensorik stärker als bisher zur sozialen Stadt wird,

- stadttechnische Systeme konsequent über digitale Netzwerke gesteuert und somit große Effizienzpotenziale gehoben werden,

- eine intelligente Vernetzung von technischen und menschlichen Netzwerken erfolgt und so auch neue ökonomische Impulse entstehen mit einer ausgewogenen Balance zwischen den Interessen,

- man flexibel auf die Anforderungen der Wissensgesellschaft reagiert und die Bereiche Bildung, Kultur und Kreativität verinnerlicht und

- die konsequent auf Kommunikation und Feedback ausgelegte städtische Demokratie dazu führt, dass die kognitive Stadt auch eine verantwortungsbewusste Stadt ist.

Diese kognitive Stadt könnte eine Stadt sein, die wir uns heute für das digitale Zeitalter wünschen und nach deren Bausteinen wir heute anstehende auch öffentliche Investitionen ausrichten könnten. Hierüber sollte diskutiert werden.

Die nächsten Schritte

Für die Stadtentwicklungspolitik sind folgende Bausteine auf dem Weg zu Smart Cities besonders wichtig: - Integration der Digitalisierung in langfristige Stadtentwicklungsplanung, Entwicklung von Leitbildern,

- Thematisierung von Chancen, aber auch Risiken (Datenschutz, Abhängigkeiten und andere) des technologischen Wandels,

- Entwicklung von E-Governance und datengestützten Services als Instrument einer verbesserten Kooperation von Bürgerschaft, Verwaltung und auch der Wirtschaft,

- kritischer, aber proaktiver Umgang mit Datensammlung und -bereitstellung durch verschiedene Akteure und Ausloten lokalökonomischer Potenziale städtischer Open-Data-Strategien und

- Durchführung von Modellprojekten oder Experimenten in Kooperation mit den Disziplinen Design und Datenwissenschaft.

Smarte Elemente werden unsere Städte immer weiter erobern. Die Prozesse der umfassenden Digitalisierung sind auch in den Städten nicht aufzuhalten - und das ist auch nicht unsere Aufgabe. Es ist aber wichtig, dass sich Städte und Gemeinden und zumindest die planende Profession für eine Positionsbestimmung zusammenschließen, um Leitplanken dafür zu diskutieren, zu welcher Art von Stadt die smarte Stadt werden soll.

Fußnoten 1P
) Vgl. Rosliwek-Hollering, Melani (2013: Ambient Assisted Living (AAL): ein Zukunftskonzept für die Wohnungswirtschaft?, Hamburg.

2) Vgl. hierzu Jakubowski, Peter (2014): Auf dem Weg zu Smart Cities - Stadtzukünfte mit neuen Technologien, BBSR-Analysen KOMPAKT, 4/2104, Bonn sowie Jakubowski, Peter. / Kaufmann, Andreas (2014), Smart Cities - wird es schon wieder nichts mit Utopia, in: PlanerIn Mai 2014, S. 30-32.

3) Ratti, Carlo (2014): The sense-able city, in: The European, 21.03.2014, im Internet unter http:// www.theeuropean-magazine.com/carlo-ratti--2/8251-making-our-cities-smarter, Zugriff am 16. Julil 2014.

4) Mostasharia, Ali, Arnold, Friedrich, Mansouric, Mo Finger, Matthias (2011): Cognitive cities and intelligent urban governance. Network Industries Quarterly, Vol. 13, No 3, 2011, S. 4-7.5) Ebenda.

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