Im Blickfeld

Warnsignale aus China

Inzwischen mehren sich negative Berichte über chinesische Großbanken, angefangen von Problemen bei der Kreditausreichung an Unternehmen und die Finanzierung mittels Schattenbanken über Kredite an Provinzial- und Regionalregierungen bis hin zur Finanzierung des nachlassenden Wachstums der chinesischen Volkswirtschaft. Anscheinend sind die chinesischen Banken bei der Organisation ihres Kreditgeschäfts und im Risikomanagement mit dem hohen Finanzierungswachstum der vergangenen Jahre überfordert.

Ein Rückblick: 1990 waren unter den weltweit zehn größten Banken fünf japanische Institute zu finden. Gewachsen waren sie vor allem, weil sie sich stark in den Bereichen engagierten, die jene Aktien- und Immobilienblase erzeugten, deren wenig später erfolgte Implosion die japanische Volkswirtschaft seitdem in die Rezession trieb.

2002 dominierten die US-Banken. Von den Top Ten der weltgrößten Geldinstitute hatten fünf ihren Sitz in den Vereinigten Staaten. Zwar gelang es Amerika nach dem Beginn der Rezession im 2. Halbjahr 2007 die Bankenkrise aufzufangen, aber zu welchem Preis? Dass einige US-Banken im November 2011 eine höhere Marktkapitalisierung auswiesen, ist Folge der Übernahme gestrauchelter Geschäfts- und Investmentbanken. Auch britische Banken zählten im Mai 2002 zu den weltweit größten Finanzinstituten. Nachdem auch im Vereinigten Königreich die Immobilienblase platzte, findet sich im November 2011 nur noch die HSBC in der Auflistung wieder.

Der Logik dieser "Chronik" folgend muss es ein Warnsignal sein, dass heute vier der zehn größten Banken aus China kommen. Tatsächlich ähnelt die dortige Entwicklung jenen Krisenhistorien in den USA, Großbritannien, Spanien oder Irland: In einem schleichenden Prozess haben die Notenbanken ihre Unabhängigkeit verloren und politische Ziele unterstützt. Die folgende Geld-"Expansion" forcierte das Aufblähen von Immobilienblasen.

Vergleichbares ist heute in China zu beobachten. So wird das hohe Wachstum der chinesischen Volkswirtschaft zu zwei Dritteln auf den Immobilienbereich, also Bauhaupt- und -nebengewerbe, Immobilienentwickler, Bauzulieferer und Preissteigerungen bei Wohnungen, zurückgeführt. Banken finanzierten die Investitionen durch leichtfertig vergebene Kredite. Die Marktkapitalisierung der größten chinesischen Banken spiegelt neben dem exorbitanten Anstieg des Darlehensgeschäfts auch die übertriebenen Erwartungen an dessen weitere Entwicklung wieder. Doch bei einem so beeindruckenden Wachstum sind auch erhebliche Schieflagen in der Immobilienfinanzierung zu erwarten. Denn weshalb sollte es bei einer derart lange anhaltenden volkswirtschaftlichen Prosperität keine Fehlallokationen geben?

Hinzu kommt, dass niedrige Einlagenzinsen und eine hohe Inflationsrate in China Investitionen in den Wohnungssektor nahezu erzwingen und somit die Blasenbildung in diesem Segment noch forcieren. Sollten zur Finanzierung des Immobilienkaufs sogenannte Sub-prime-Kredite vergeben worden sein, dürften die Immobilieninvestitionen kollabieren, sobald der Markt dreht und die Immobilienpreise stagnieren. Die Erfahrungen aus den USA lehren, dass bei zunehmenden Zahlungsschwierigkeiten und Zwangsversteigerungen sogar die vermeintlich besseren Lagen in Mitleidenschaft gezogen werden. Auch in China dürfte der Zwangsverkauf kreditfinanzierter Immobilien den Preisdruck verschärfen und die Kurse chinesischer Bankaktien implodieren lassen.

Die Auswirkungen dieser Entwicklung wären weltweit spürbar. Denn um am Zukunftsmarkt China und der vermeintlich unterbewerteten chinesischen Währung zu partizipieren, haben ausländische Investoren viel Kapital in das Land gebracht, das jedoch bei einer platzenden Immobilienblase rasch wieder zurücktransferiert werden dürfte. Aufgrund der weltwirtschaftlichen Verflechtungen sähen sich die Industrieländer und Rohstofflieferanten mit einer längeren Weltwirtschaftskrise konfrontiert. Dann jedoch dürften neuerliche Konjunktur- und Kreditprogramme aufgrund der hohen Staatsverschuldung kaum mehr finanzierbar sein.

Wenn die "Geldschleusen" der Notenbanken noch weiter geöffnet werden, könnte am Ende dieser Entwicklung die Implosion der meisten Papiergeldwährungen stehen. Schon heute schwindet das Vertrauen in diese Geldform, wie auch die wachsende Nachfrage nach Immobilien belegt. Doch selbst Immobilien würden sich letztlich nicht als stabile Investition erweisen.

Prof. Dr. Jürgen Singer, Institut für Handel und Banken, Universität Leipzig

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