Leitartikel

Das Wohneigentumsgesetz - Novelle eines Dinosauriers

Wer hat es nicht schon gehört: Deutschland gilt als Mieterland. Ist dieses alte Vorurteil mittlerweile zu überdenken? Denn immerhin stellen absolut betrachtet 42, 5 Millionen Selbstnutzer im Vergleich zu 40 Millionen Mietern sogar die Mehrheit. Diese personenbezogene Wohneigentumsquote wird allerdings dadurch "geschönt", dass die Haushalte der Eigennutzer, in der Regel Familien mit Kindern, deutlich größer sind als die der Mieter. Das relativiert sich gleich bei Betrachtung der haushaltsbezogenen Quote, die mit gerade mal 44 Prozent im europäischen Vergleich ganz weit hinten angesiedelt ist. Lediglich in der Schweiz wohnen mit einer Quote von 35 Prozent noch weniger Eigentümer in den eigenen vier Wänden. Bei Spitzenreiter Spanien sind es dagegen satte 87 Prozent.

Die Gründe hierfür sind vielfältiger Natur: Vor allem natürlich die traditionell hohe Förderung des Mietwohnungsbaus, die Ungewissheit um den Arbeitsplatz, die damit verbundene Sorge vor eingeschränkter Flexibilität, hohe Anschaffungskosten, die gerade in jungen Jahren kaum zu finanzieren sind, und nicht zuletzt gesetzliche Regelungen, die den Erwerb von eigenen Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus unattraktiv machten. Die Betonung liegt auf machten: Denn im Februar 2007 beschloss der Bundesrat endlich, endlich(! ) die längst überfällige Novellierung des Wohneigentumsgesetzes (WEG), die zum 1. Juli dieses Jahres in Kraft treten wird und für Wohnungsbesitzer wie -verwalter einige erhebliche Verbesserungen mit sich bringt.

Die wichtigste sicherlich: Künftig reicht der normale Mehrheitsbeschluss mit einer Dreiviertelmehrheit, um über die Durchführung von Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen sowie die Kostenverteilung zu entscheiden. Vorbei sind damit die Zeiten, in denen einzelne Miteigentümer mit ihrer Blockadehaltung zu einem echten Modernisierungsstau beigetragen haben. Aber: Die Kehrseite der Medaille ist allerdings, dass in Zukunft alle Mitbewohner die mitunter gegen ihren Willen beschlossenen Maßnahmen auch mitfinanzieren müssen, unabhängig ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten. Dass dabei künftig von der gesetzlichen Verteilung nach Eigentumsanteilen abgewichen werden kann, ist in Härtefällen sicherlich nur ein schwacher Trost.

Man stelle sich nur folgendes Szenario vor: Ein Investor kauft - in den vergangenen Monaten nun wahrlich nicht unüblich einen größeren Wohnungsbestand in einem Objekt. Damit verfügt er relativ schnell nicht nur über die erforderliche Dreiviertelmehrheit, sondern repräsentiert auch die notwendige Mehrheit von mehr als der Hälfte der Miteigentumsanteile. Nun hat dieser Investor selbstverständlich das Interesse, seinen Bestand aufzuwerten. Darüber kann er in dieser Situation nach dem neuen Gesetz frei entscheiden und sogar noch einen Teil der Kosten auf die verbliebenen Miteigentümer abwälzen. Man hört schon Volkes Seele schreien.

Zweitens werden mit der Gesetzesnovelle auch die Fragen der Haftung von einzelnen Wohnungsbesitzern für Forderungen gegen die gesamte Eigentümergemeinschaft neu geregelt. Die Außenhaftung der Wohnungseigentümer bleibt zwar im Kern bestehen, wird aber auf den Miteigentumsanteil begrenzt. Praktisch bedeutet dies, dass jeder Eigentümer für lediglich jenen Anteil beispielsweise einer Handwerkerrechnung haftet, den er am Gesamteigentum hält.

Drittens: Durch die Novelle wird die Aufschlüsselung von Betriebs- und Verwaltungskosten auf die Eigentümer durch Mehrheitsentscheidung ermöglicht. Darüber hinaus darf künftig ein Maßstab zugrunde gelegt werden, der sich am individuellen Verbrauch orientiert. Viertens: Das Verfahren in Wohneigentumssachen wird sich ab Juli nach der allgemein gültigen Zivilprozessordnung und nicht wie bislang nach dem Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit richten. Zudem wird der Verwalter verpflichtet, eine Beschluss-Sammlung zu führen, was die Möglichkeiten jedes Einzelnen verbessert, sich zu informieren.

Und fünftens schließlich führt das Gesetz ein begrenztes Vorrecht sogenannter Hausgeldforderungen der Wohnungseigentümer vor den Grundpfandrechten vor allem bei Zwangsversteigerungen ein. So wird einerseits die Stellung der Eigentümer gegenüber zahlungsunfähigen oder -unwilligen Miteigentümern gestärkt, darüber hinaus werden ihnen die entstandenen Verwaltungskosten bei Zwangsversteigerungen einzelner Einheiten aus der Versteigerungssumme ersetzt.

Diese Überarbeitung des WEG, mit der die Bundesregierung laut Bundesjustizministerin Brigitte Zypries vor allem auf "den gestiegenen Renovierungsbedarf in vielen Wohneigentumsanlagen" reagiert, war mehr als überfällig. In den nunmehr 56 Jahren des Bestehens - das Wohneigentumsgesetz datiert vom März 1951 - hat sich die Realität der Wohneigentumsgemeinschaften vom Wortlaut des Gesetzes weit entfernt. Daran konnten auch die vielen kleinen Korrekturen, die im Laufe der Zeit vorgenommen wurden, nichts ändern. Bedenkt man zudem, dass knapp 30 Prozent des deutschen Wohnungsbestandes zwischen 1949 und 1978 gebaut wurden, zeigt sich die Notwendigkeit neuer, einfacherer Regeln.

Alles in allem bleibt festzuhalten, dass Wohneigentum in Deutschland mit dem neuen Gesetz sicherlich ein Stück weit attraktiver geworden ist. Und das nicht nur für die Eigentümer von Eigentumswohnungen, sondern auch für die Verwalter. Diese bekommen mehr Rechtssicherheit und mehr Flexibilität. Allzu große Hoffnungen, dass das überarbeitete WEG schon ausreicht, um die Wohneigentumsquoten wenigstens an den europäischen Durchschnitt heranzuführen, sollte man aber nicht haben. Denn zuletzt war das Interesse der Mieter am Kauf des von Ihnen bewohnten Raumes stark eingebrochen. Damit hat eines der Zugpferde für die vielen Investoren in Wohnraum, die zwar aufwendige, aber hoch lukrative Mieterprivatisierung, an Kraft verloren. Hinzu kommt das deutsche Mietrecht, das den im Kern sicherlich richtigen Ansatz des Mieterschutzes hierzulande wahrlich übertreibt. (Red. )

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