Deutschland braucht eine Renaissance des sozialen Wohnungsbaus

Dieter Jurgeit, Vorsitzender des Vorstands, Verband der PSD Banken e.V., Bonn
Quelle: PSD Banken

Die Politik muss mehr gegen den rasanten Anstieg der Mietpreise in den deutschen Großstädten tun. Rund 40 Prozent der Bürger, die in einer Stadt mit 100 000 oder mehr Einwohnern leben, machen sich derzeit Sorgen, dass sie sich in fünf Jahren angemessenen Wohnraum in ihrem Viertel nicht mehr leisten können. Das zeigt eine aktuelle Umfrage im Auftrag des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel". Diese Sorge ist berechtigt. Besonders dramatisch sind die Mieten in den sieben größten deutschen Städten gestiegen. Dort verteuerte sich das Wohnen von 2013 bis 2018 laut einer Studie im Auftrag von "Zeit Online" im Schnitt um rund 19 Prozent. Ohne die Politik ist dieses Problem nicht zu bewältigen. Doch es sind nicht radikale Lösungen, die zu einer Verbesserung für die Bürger führen. So ist beispielsweise die Enteignung großer Wohnungskonzerne keine adäquate Antwort. Schließlich entsteht auf diese Art und Weise kein neuer Wohnraum. Vielmehr handelt es sich dabei um einen unverhältnismäßigen staatlichen Eingriff, der Investoren davon abhält, dringend benötigte Unterkünfte zu schaffen.

Wie eine Kommune nachhaltig für bezahlbaren Wohnraum sorgen kann, zeigt beispielsweise die Stadt Wien. Die österreichische Hauptstadt ist im Besitz von 220 000 Gemeindewohnungen und ist an 200 000 weiteren beteiligt. In einer solchen Wohnung mit gedeckelten Mieten wohnen 62 Prozent der Wiener. Dank der relativ hohen Einkommensobergrenzen profitiert auch die Mittelschicht von den günstigen Unterkünften. Das Wiener Modell führt dazu, dass die Preise auf dem gesamten Mietmarkt nach unten gedrückt werden. Pro Jahr gibt die Donaumetropole 600 Millionen Euro für die Wohnbauförderung aus. Die Bundesregierung zog sich hingegen mit Beginn der Nullerjahre sukzessive aus dem sozialen Wohnungsbau zurück. Im Zuge der Föderalismusreform übertrug der Bund 2006 die Zuständigkeit dafür den Ländern. Zwar gewährte der Bund den Ländern weiterhin Finanzhilfen. Diese sind seit 2014 jedoch nicht mehr zweckgebunden. Das führte dazu, dass das Geld nicht zwingend in den sozialen Wohnungsbau floss. Zudem wurden Sozialwohnungen, die aus der in der Regel 15 bis 25 Jahre geltenden Belegungsbindung herausfielen, nicht konsequent ersetzt. Vielmehr sanierten Bund und Länder ihre Haushalte durch den Verkauf ihrer Wohnungsbestände. Diesem Vorbild folgten auch die Kommunen. Das führte dazu, dass von 1999 bis 2008 insgesamt rund 1,9 Millionen öffentliche Wohnungen privatisiert wurden.

Am Beispiel Wiens sollte sich die Bundesregierung orientieren und mehr Geld in den sozialen Wohnungsbau investieren. Der Bund gewährte den Ländern 2018 und 2019 in diesem Bereich Finanzhilfen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro. Im aktuellen Koalitionsvertrag bekennen sich Union und SPD dazu, den sozialen Wohnungsbau auf dem heutigen Niveau langfristig zu verstetigen und in den Jahren 2020 und 2021 mindestens zwei Milliarden Euro zweckgebunden dafür bereitzustellen. Das Ziel ist, zusammen mit den Mitteln von Ländern und Kommunen mehr als 100 000 neue Sozialwohnungen zu schaffen. Der Vergleich mit Wien macht deutlich, dass eine Summe von zwei Milliarden Euro pro Jahr für ganz Deutschland nicht sonderlich ambitioniert ist. Hinzu kommt, dass in Deutschland jährlich rund 80 000 der in den neunziger Jahren geförderten Sozialwohnungen aus der Belegungsbindung hinausfallen, somit also teurer vermietet werden dürfen. Diese müssten durch neue Sozialwohnungen ersetzt werden, so das Ergebnis einer aktuellen Studie des Prognos-Instituts. Dafür sind nach Einschätzung des Deutschen Mieterbunds mindestens Investitionen in Höhe von sechs Milliarden Euro pro Jahr notwendig. Die derzeit geplanten Investitionen würden den Schwund an Sozialwohnungen höchstens bremsen. Was wir somit brauchen, ist eine echte Renaissance des sozialen Wohnbaus. Die bisherigen Investitionen des Bundes reichen dafür noch nicht aus.

Dieter Jurgeit, Vorsitzender des Vorstands, Verband der PSD Banken e.V., Bonn

Dieter Jurgeit , Vorstandsvorsitzender , Verband der PSD Banken e.V., Bonn
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