Einzelhandel: unzumutbarer Flickenteppich

Philipp Hafner, Foto: Verlag Helmut Richardi GmbH

Groß waren die Zweifel, ob der deutsche Föderalismus dem Corona-Virus gewachsen sein würde. Doch alles in allem erwies er sich im Krisenmanagement bislang als ziemlich leistungsfähig, nicht zuletzt im Vergleich zu den zentralistischen Ansätzen vieler Nachbarstaaten. Die Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Kommunen war vom ersten Tag an eng und konstruktiv, was schnelle und zielführende Lösungen in vielen Bereichen ermöglichte - auch wenn vereinzelte Nickligkeiten dabei naturgemäß nicht ausblieben.

Als unrühmliche Ausnahme erweist sich nun allerdings der abstruse Flickenteppich im Rahmen der schrittweisen Wiedereröffnung des stationären Einzelhandels. Der am 15. April von Bund und Ländern gefasste Beschluss, ab dem 20. April den Verkauf in allen Geschäften mit weniger als 800 Quadratmetern, dazu in allen Buchhandlungen, Fahrradgeschäften und Autohäusern (unabhängig von ihrer Größe) wieder zu erlauben, wird von zahlreichen, nicht nachvollziehbaren Sonderregelungen auf Länderebene ergänzt. Dazu zählt beispielsweise die höchst unterschiedliche Handhabung einzelner Sortimente: Während in Nordrhein-Westfalen zusätzlich Möbelhäuser und Babymärkte wiedereröffnen dürfen, zählen in Bremen und Rheinland-Pfalz Blumenläden zu den Privilegierten, in Hessen sind es dagegen die Eisdielen. Keine einheitliche Linie ist auch bei der Bewegungsfreiheit zu beobachten: So darf sich in Bayern, Hessen und Sachsen gelegenen Geschäften höchstens eine Person pro 20 Quadratmeter aufhalten, in Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein hingegen eine Person pro 10 Quadratmeter. Erklärungen für das uneinheitliche Vorgehen blieben die Politiker schuldig, vermutlich erschließt es sich ihnen letztlich selbst nicht. Mit Blick auf die leidenden stationären Einzelhandelsunternehmen mit ihren rund drei Millionen Beschäftigten ist dieses intransparente Wirrwarr derweil eine echte Zumutung. Auf über 30 Milliarden Euro schätzt der HDE die allein in den ersten vier Wochen des Shutdowns aufgelaufenen Umsatzeinbußen. Erste Unternehmen mussten den Gang in die Insolvenz antreten, viele weitere stehen kurz davor.

Der ZIA hat deshalb nun die Einsetzung einer aus Virologen, Vertretern des Sachverständigenrats und Immobilienexperten bestehenden Begleitkommission gefordert, die darüber berät, wie der Einzelhandel in Deutschland auf vernünftigere Weise seinen Betrieb wiederaufnehmen kann. "Stark voneinander abweichende Landesregelungen fördern nur den Unmut über einen Flickenteppich unterschiedlicher Verordnungen - und dies im Bereich des Einzelhandels nicht nur auf Händler- und Vermieter-, sondern vor allem auch auf Kundenseite," kritisierte ZIA-Präsident Andreas Mattner. Er regt darüber hinaus an, dass sich die Kommission auch noch einmal mit der vielkritisierten Regel zur Öffnung von Läden nur bis 800 Quadratmetern beschäftigt. Wirklich erschlossen hat sich nämlich auch die nur den allerwenigsten. ph

Noch keine Bewertungen vorhanden


X