Heuer-Symposium: Der Markt dreht, die Zinsen nicht

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

So kann man sich täuschen: Vor gut einem Jahr stand das von Heuer Dialog organisierte Symposium Finanzierung noch ganz im Zeichen der Zinswende. Und tatsächlich schien zum damaligen Zeitpunkt Bewegung in die Zinslandschaft zu kommen: Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen war zu Jahresbeginn 2018 von rund 0,3 auf 0,75 Prozent gestiegen, infolgedessen stiegen die da ran gekoppelten Bauzinsen ebenso leicht an wie die Renditen für Pfandbriefe. Experten sahen die Trendumkehr am Markt endgültig bevorstehen, als die EZB kurz darauf ankündigte, ihre Nettoanleihekäufe zum Jahresende 2018 einzustellen. Doch es kam bekanntlich ganz anders: Zwar sind die Nettoanleihekäufe seit Jahresbeginn tatsächlich (vorerst) passé, doch eine Zinsanhebung ist mehr oder weniger auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben worden.

Kein Wunder also, dass die Veranstaltungsteilnehmer in diesem Jahr deutlich entspannter und eher am Rande auf das Thema Zins blickten. Mehr Sorge bereitete den Gästen da schon die viele Liquidität, die aus Mangel an Alternativen auf absehbare Zeit weiter in die Immobilienmärkte fließen dürfte, mitunter vielleicht auch "stupid money". Gero Bergmann, Vorstand bei der Berlin Hyp, vertrat diesbezüglich den Standpunkt, dass die Finanzierer wachsamer denn je sein müssten, um nicht in zu große Risiken reingetrieben zu werden, die sie zudem aufgrund des hohen Wettbewerbs nicht mehr adäquat vergütet bekämen. An dieser Stelle helfe nur, strikt bei der Kreditvergabe zu bleiben und notfalls weniger Geschäft zu tätigen. Nach Ansicht von Hans Volkert Volckens, Real-Estate-Chef bei KPMG, befolgen die Banken diesen Ratschlag im aktuellen "Superzyklus" denn auch. Die Ausgangslage 2019 sei daher eine völlig andere als vor gut zehn Jahren. Die Institute hätten aus dem zum damaligen Zeitpunkt hohen Leverage im System die richtigen Schlüsse gezogen, finanzierten heute deutlich konservativer und seien somit auch weniger verwundbar. Dennoch hat der Ausschuss für Finanzstabilität vor Kurzem bekanntlich die Aktivierung eines antizyklischen Kapitalpuffers von 0,25 Prozent ab dem dritten Quartal 2019 empfohlen, auch aufgrund von "Risiken, die sich aus der Immobilienfinanzierung er geben". Uwe Nebgen von der Deutschen Bundesbank verteidigte diesen Schritt auf dem Symposium: Das Kreditwachstum sei in den vergangenen Jahren zwar nicht zügellos gewachsen, aber dennoch kräftig. Außerdem lägen in der privaten Baufinanzierung die Zinsbindungen mittlerweile bei durchschnittlich rund 14 Jahren. "Dadurch haben sich Zinsänderungsrisiken aufgebaut", so Nebgen.

Davon abgesehen drehte sich auf dem Symposium viel um die Auswirkungen der voranschreitenden Digitalisierung auf die gewerbliche Immobilienfinanzierung. Nach Meinung von Ulrich Zick, Head of Treasury bei Corpus Sireo, steckt der digitale Austausch zwischen Investoren und Banken noch in den Kinderschuhen. Darunter leide nicht zuletzt die Geschwindigkeit. Gerhard Meitinger, Leiter Real Estate Finance Deutschland bei der Deutschen Pfandbriefbank, sieht das Geschäft aktuell auch an anderer Stelle im Wandel: Noch vor zehn Jahren hätten sich viele Institute als "Boutique" am Markt positioniert. Mittlerweile gehe der Trend aber wieder in Richtung Standardisierung. Grund dafür ist nicht zuletzt die steigende Bedeutung digitaler Marktplätze. Mit Capveriant lotet die pbb derzeit selbst die damit verbundenen Potenziale aus, allerdings zunächst nur im Bereich der Kommunalfinanzierung. Ob sich das Konzept auf die gewerbliche Immobilienfinanzierung übertragen lässt? Vor nicht allzu langer Zeit hätte Meitinger diese Frage klar verneint, doch mittlerweile fällt seine Antwort differenzierter aus. Vergleichsweise einfache Bestandsfinanzierungen in der Größenordnung von 30 Millionen Euro seien wohl darstellbar, komplexere Finanzierungen im dreistelligen Millionenbereich dagegen vorerst nicht. Angesichts der hohen Dynamik bei neuen Technologien wie Künstlicher Intelligenz könnte dies dann aber vielleicht bereits im kommenden Jahr ein Thema auf dem Heuer-Symposium Finanzierung sein. ph

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