Kommunaler Finanzreport: die Schere öffnet sich immer weiter

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

"Jedes zweite Krankenhaus sollte geschlossen werden." Mit dieser provokanten Forderung hat die Bertelsmann-Stiftung vor kurzem eine bundesweite, hitzig geführte Debatte über die Zukunft der medizinischen Versorgung in Deutschland entfacht. Weit weniger kontrovers wurde im Vergleich dazu der beinahe zeitgleich erschienene "Kommunale Finanzreport 2019" aus der Gütersloher Denkfabrik aufgenommen. Ein Umstand, der wahrscheinlich auf die - zumindest auf den ersten Blick - halbwegs entspannte Ausgangslage der deutschen Städte und Gemeinden zurückzuführen ist. In ihrer Gesamtheit ist diese sogar sehr erfreulich: So sind im vergangenen Jahr beispielsweise die kommunalen Investitionen um fast 13 Prozent gestiegen und auch die Finanzlage scheint sich dank anhaltend robuster Konjunktur, sprudelnder Steuereinnahmen, sinkender Arbeitslosenzahlen sowie weiter sehr niedrigen Zinsen nachhaltig zu entspannen. Insgesamt konnten die mehr als 11 000 Kommunen laut dem Report seit 2012 in Summe jährliche Überschüsse erzielen, in den Jahren 2017 und 2018 waren diese sogar historisch hoch. Das macht sich selbstredend positiv bei den Rücklagen (Bargeld und Sichteinlagen) bemerkbar, die seit 2012 signifikant von rund 35 auf 48 Milliarden Euro gestiegen sind.

Verlässt man die aggregierte Makro-Ebene und blickt in einzelne Regionen der Republik, so offenbaren sich dann aber doch einige unangenehme Entwicklungen. Etwa die, dass sich der Reichtum offensichtlich immer ungleicher verteilt und nicht alle Kommunen zu erreichen scheint. "Die Schere zwischen starken und schwachen Kommunen öffnet sich seit vielen Jahren. Die Lebensverhältnisse der Menschen sind mehr und mehr abhängig von ihren Wohnorten," heißt es dazu in der Studie. Zur Untermauerung dieser These wurde die Finanzkraft der zehn kreisfreien Städte mit der höchsten (schwache Städte) und der niedrigsten (starke Städte) Arbeitslosigkeit direkt miteinander verglichen. Trotz ausgesprochen guter Konjunktur und Finanzausgleich mussten die schwachen Städte dabei in Summe der Jahre 2010 bis 2017 ein Minus von 0,9 Milliarden Euro verzeichnen, während die starken Städte einen Überschuss von 3,8 Milliarden Euro erwirtschafteten. Zur Begründung dieser Diskrepanz wird darauf verwiesen, dass die schwachen Städte einerseits für Sozialausgaben (vor allem die Kosten der Unterkunft nach dem SGB II) zweieinhalb Mal so viel aufwenden müssen wie die starken Städte. Und zum anderen liegt das Steueraufkommen der wohlhabenderen Städte im Mittel zweieinhalb Mal höher.

Als Reaktion darauf behelfen sich ärmere Kommunen oftmals mit der Anhebung lokaler Steuersätze: Im Resultat ist der Hebesatz zur Grundsteuer B in den schwachen Städten durchschnittlich mehr als 150 Punkte höher. Auch die Dynamik der Steuererhöhungen sei dort wesentlich größer. Der Preis dafür sind aber natürlich negative Effekte für die Attraktivität dieser Standorte bei Unternehmensansiedlungen. Wenig überraschend machen sich die Disparitäten unter den Kommunen denn auch bei den Kassenkrediten bemerkbar, deren Gesamtvolumen aktuell bei rund 48 Milliarden Euro liegt. Als Konsequenz langjähriger Defizite haben sich die von der Bertelsmann-Stiftung untersuchten finanzschwachen Städte in einem deutlich höheren Maße mit diesem eigentlich nur für kurzfristige Krisensituationen gedachten Finanzierungsinstrument eingedeckt: Im Jahr 2017 lag das Pro-Kopf-Niveau hier bei rund 3 000 Euro, in den starken Städten lagen im Mittel dagegen keine Kassenkredite vor.

Die von hohen Kassenkreditbeständen geplagten Kommunen - problematisch sei die Lage vor allem in Teilen des Saarlands, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen - dürfen indes auf unverhoffte Unterstützung hoffen. Denn nach Jahren der Blockade bei diesem Thema hat der Bund in dem jüngst veröffentlichten Abschlussbericht der vom Bundesinnenministerium eingesetzten Kommission für "Gleichwertige Lebensverhältnisse" überraschenderweise seine Unterstützung signalisiert: "Der Bund kann einen Beitrag leisten, wenn es einen nationalen politischen Konsens gibt, den betroffenen Kommunen einmalig gezielt zu helfen." Demnach könne "dort gezielt bei Zins- und Tilgungslasten geholfen werden, wo andere Hilfe alleine nicht ausreichend ist." Ob und wie ein solcher Konsens erreicht werden kann, gedenkt die Regierung zeitnah in Gesprächen mit dem Deutschen Bundestag, den Ländern sowie den betroffenen Kommunen und den kommunalen Spitzenverbänden auszuloten. ph

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