Survival of the fittest

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

"Dienstleistungswüste Deutschland" heißt es bekanntlich so schön. Dieser Vorwurf mag anno 2018 noch immer auf so manche Branche zutreffen, für die große Mehrheit der Anbieter von Facility und Property Services ist er aber definitiv nicht mehr angemessen. Gerade der FM-Markt hat in den vergangenen Jahren einen tiefgreifenden Wandel erfahren, der in kontinuierlich steigender Professionalisierung, wachsenden Leistungsportfolios und der Implementierung technologischer Innovationen Ausdruck findet. Nicht ganz frei von Stolz erklärt Otto Kajetan Weixler deshalb im gemeinsamen Interview mit Ralf Hempel (siehe Seite 15), dass die Evolution zum Systemdienstleister in vollem Gange ist.

Als Strippenzieher hinter den Kulissen haben sich die FM-Spezialisten in so ziemlich allen Wirtschaftsbereichen als integraler Bestandteil unverzichtbar gemacht - dies bestätigen auch die vielerorts wachsenden Umsätze: Laut Lünendonk & Hossenfelder erwirtschafteten die elf größten FM-Unternehmen im vergangenen Jahr jeweils über 500 Millionen Euro in Deutschland, drei davon haben gar die Milliardengrenze überschritten. Mit Blick auf die überschaubaren Umsätze aus den Anfangstagen der Lünendonk-FM-Liste vor fünfzehn Jahren war diese Erfolgsstory kaum absehbar.

Und auch aus volkswirtschaftlicher Perspektive ist die FM-Branche inzwischen eine wichtige Säule. Aktuellen Schätzungen des Branchenverbands Gefma zufolge erbringen externe und unternehmensinterne FM-Dienstleister mit ihren rund 4,7 Millionen Mitarbeitern eine jährliche Bruttowertschöpfung von über 134 Milliarden Euro. Das entspricht einem Anteil am deutschen BIP von knapp fünf Prozent - damit liegt man fast auf Augenhöhe mit Schlüsselindustrien wie dem Fahrzeugbau oder Baugewerbe. Gleichwohl gilt es festzuhalten: Aller Relevanz zum Trotz wird das FM gerade in der breiten Öffentlichkeit nach wie vor selten als Schwergewicht wahrgenommen. Gut möglich, dass dies auf die kleinteilige Struktur und die facettenreichen Einsatzgebiete zurückzuführen ist.

Wie dem auch sei: Indizien für die Hypothese, dass sich an der Wachstumsstory so schnell nichts ändern wird, gibt es zuhauf. So gewinnt beispielsweise die wertsteigernde Bewirtschaftung von Bestandsimmobilien in Zeiten des Neubaumangels nochmals an Bedeutung. Mit Blick auf den deutschen Mittelstand tut sich darüber hinaus ein neues, bislang relativ unerschlossenes Wachstumsfeld für FM-Dienstleister auf: Viele kleine und mittelgroße Unternehmen haben teils noch erheblichen Nachholbedarf beim Outsourcing ihrer Sekundärprozesse. Dass Deutschland inzwischen viele Charakteristika eines Arbeitnehmermarktes aufweist, sollte dem Stellenwert gebäudenaher Dienstleistungen indes auch an anderer Stelle zuträglich sein: So sind Unternehmen im vielzitierten "War for Talents" unter Zugzwang, ihren Mitarbeitern eine attraktive Arbeitsumgebung zu schaffen. Facility und Property Manager nehmen hier per definitionem eine Schlüsselrolle ein. "Vom Kostenfaktor zum Überlebensfaktor" - so lautet deshalb die Vision Hempels für die künftige Rolle seiner Branche.

Damit einher ginge dann wohl auch ein Umdenken bei den FM-Auftraggebern: Auf der einen Seite steigt ihre Erwartungshaltung an die Qualität der Dienstleister unablässig, auf der anderen Seite drehen viele von ihnen im Rahmen von Ausschreibungen noch immer eisern an der Kostenschraube. Doch Qualität hat bekanntlich ihren Preis.

Vermutlich deshalb verweigern sich ganze 83 Prozent der FM-Anbieter ob unattraktiver Vergaberichtlinien laut Lünendonk & Hossenfelder mittlerweile bestimmten Ausschreibungen - die Schmerzgrenze ist vielerorts offensichtlich erreicht. Davon zeugen im Übrigen auch die unverändert chronisch niedrigen EBIT-Margen der FM-Dienstleister: Diese liegen durchschnittlich bei gerade einmal zwei bis fünf Prozent und sind somit ein wichtiger Erklärungsansatz für den zuletzt dynamischen Konsolidierungs- und Verdrängungsprozess im deutschen Markt.

Und vieles deutet daraufhin, dass hier trotz vorhandener Nachfrage und möglicherweise höherer Wertschätzung das Ende der Fahnenstange noch längst nicht erreicht ist. Zum einen entdecken dieser Tage internationale Akteure das hiesige Gebäudemanagement zunehmend als attraktives Geschäftsfeld (siehe hierzu auch das Interview mit Markus Holzke auf Seite 18). Zum anderen geht der Nachfragetrend eindeutig in Richtung gebündelter Services aus einer Hand - zulasten der (noch) zahlreichen Einzelgewerkanbieter in Deutschland. Darüber hinaus steigt der Dienstleistungsaufwand an den immer komplexer werdenden Gebäuden stetig (siehe dazu unter anderem den Beitrag von Fritz-Klaus Lange auf Seite 22) und die damit verbundenen Investitionen im Bereich der Digitalisierung setzen gerade kleinere, finanziell weniger schlagkräftige Player unter Druck.

Und nicht zu vergessen: Vor dem Hintergrund eines leergefegten Arbeitsmarktes wird sich das Recruiting als Voraussetzung für künftiges Wachstum ebenfalls immer zeit- und kostenintensiver gestalten - insbesondere deshalb, da der Branche leider noch immer häufig das antiquierte Bild des "guten alten Hausmeisters" anhaftet. Fazit: Die FM-Landschaft bleibt in Bewegung und es wird definitiv keine Langeweile aufkommen. Letztlich werden diejenigen Akteure überleben, die sich auf diese mannigfaltigen Herausforderungen am besten einstellen - ganz in Einklang mit der Dar win'schen Evolutionstheorie "Survival of the fittest". ph

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