Vonovia: Kirsten-Ausscheiden überschattet gute Zahlen

Mit zwei dicken personellen Überraschungen ging Deutschlands größter Wohnungskonzern Vonovia Anfang März an die Öffentlichkeit. Selbst enge Beobachter des Bochumer Unternehmens dürften überrascht gewesen sein. Der frühere Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen soll neuer Aufsichtsratschef werden. Er löst Interims-Chefkontrolleur Prof. Edgar Ernst ab, der den Vorsitz im September 2017 vom langjährigen Aufsichtsratsvorsitzenden und kurz darauf verstorbenen Dr. Wulf H. Bernotat bis zur diesjährigen Hauptversammlung übernommen hatte.

Während diese Personalie uneingeschränkt positiv aufgenommen wurde, schüttelten bei der zweiten dann doch einige den Kopf. Am gleichen Tag noch verkündete Vonovia, dass Finanzvorstand Dr. Stefan Kirsten das Unternehmen ebenfalls zur Hauptversammlung 2018 verlassen werde, gut zweieinhalb Jahre vor dem offiziellen Ende seines Vertrages am 31. Dezember 2020 und "auf eigenen Wunsch", wie Vonovia ausdrücklich betont.

Ausgerechnet Kirsten möchte man sagen. Schließlich hat der frisch gekürte CFO des Jahres 2017 ("Finance") den rasanten Aufstieg Vonovias in den vergangenen Jahren maßgeblich mitgeprägt. Er trimmte den finanziell lange Zeit unsoliden Immobilienkonzern zielstrebig auf Börsenfähigkeit. Ein Verschuldungsgrad (LTV) von aktuell gerade einmal noch 39,8 Prozent spricht Bände. Auch die zahlreichen anspruchsvollen Unternehmensübernahmen vergangener Jahre, etwa der Gagfah (2014) oder jüngst von Conwert (2017), fädelte er geschickt ein.

CEO Rolf Buch würdigte Kirstens Schaffen gleich zu Beginn der Bilanzpressekonferenz: "Ich habe die Zusammenarbeit genossen." Und doch wird man den Eindruck nicht los, dass er damit nur die halbe Wahrheit sagt. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Buch und Kirsten bei so mancher wegweisenden strategischen Entscheidung nicht immer einer Meinung waren. Dabei war es vermutlich gerade diese Reibung der beiden Alphatiere, die Vonovia in der jüngeren Vergangenheit so erfolgreich sein ließ.

Angesichts dieses kräftigen Stühlerückens verblassten die 2017er Zahlen ein wenig. Dabei konnten sich diese erneut sehen lassen. Steigende Mieteinnahmen (plus 8,4 Prozent auf 1,668 Milliarden Euro) und der Milliarden-Zukauf des österreichischen Konkurrenten Conwert bescherten Vonovia 2017 einen sprunghaften Anstieg des operativen Ergebnisses (FFO I) von 761 auf 921 Millionen Euro. Die Aktionäre sollen an dieser Entwicklung mit einer um 20 Cent höheren Dividende von 1,32 Euro je Aktie beteiligt werden. Dennoch reagierten sie unmittelbar im Anschluss an die Veranstaltung verschnupft: Entgegen des Markttrends gab der Vonovia-Kurs deutlich nach, der Abgang von Stefan Kirsten stieß auch hier ganz offensichtlich auf Unverständnis.

Langfristig gesehen bleibt die Börsengeschichte Vonovias aber ein echter Erfolg. Allein im Jahr 2017 betrug der Kursanstieg des Papiers satte 34 Prozent. Der Dax stieg im selben Zeitraum "nur" um 12,5 Prozent. Aber die Anleger brauchen bekanntlich fortlaufend eine Wachstumsstory. Wie diese bei Vonovia aussehen soll? Anorganisches Wachstum - künftig wohl auch im nichtdeutschsprachigen Ausland - wird vermutlich ein wichtiger Faktor bleiben, denn die Potenziale hinsichtlich Leerstandsabbau (aktuell bei 2,5 Prozent), Bestandsoptimierung, Kosteneffizienz, Refinanzierung und Mietsteigerungen erscheinen weitgehend ausgereizt. Mit der erfolgreichen Übernahme von Buwog sichert sich Vonovia neben rund 49 000 Wohnungen (davon 27 000 in Deutschland) interessanterweise auch große Expertise im Bereich der Projektentwicklung.

Rolf Buch will diese Chance nutzen, um den modularen Wohnungsbau mit anschließender Überführung in den eigenen Bestand deutlich auszubauen. Angesichts der schleppenden Baugenehmigungsverfahren in vielen deutschen Kommunen sind hier allerdings dicke Bretter zu bohren. Und Helene von Roeder, die ab Mitte des Jahres dem neuen Finanz- und Controllingressort vorsteht, wird versuchen müssen, die erfolgreiche Arbeit Kirstens so oder anders fortzuführen. ph

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