Wisag: Arbeitskräftemangel als Chance?

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

Aus der Not heraus geboren, legte Claus Wisser am 15. März 1965 den Grundstein für die ebenso verblüffende wie beeindruckende Firmengeschichte des Frankfurter Dienstleistungsunternehmens Wisag. Um sein BWL-Studium finanzieren zu können, fasst der damals 23-Jährige den Entschluss, nebenbei Gebäude zu reinigen. Mit einer spartanischen Ausrüstung, die sich auf eine geschenkte Schreibmaschine, einen Eimer und einen Schrubber beschränkte, aber mit großem Einsatz und unternehmerischen Ehrgeiz vertraute er auf seine Intuition, wonach saubere Büros immer gebraucht würden. Ein Volltreffer, wie sich schnell herausstellt: Das Reinigungsgeschäft florierte und Wissers "Start-up" expandierte in den Folgejahren rasant.

Der Rest ist Geschichte: Anno 2018 ist Wisag, dessen Entwicklung Wisser mittlerweile als Aufsichtsratsvorsitzender begleitet, aus der Riege führender Dienstleistungsunternehmen in Deutschland nicht mehr wegzudenken. Davon zeugen auch die jüngst vorgestellten Zahlen im Kerngeschäft Facility Services für das Geschäftsjahr 2017: Trotz der anhaltend schwierigen Rahmenbedingungen konnte Geschäftsführer Ralf Hempel ein solides, rein organisches Umsatzplus von fünf Prozent auf 1,067 Milliarden Euro vermelden. Positive Treiber waren dabei die Sparten Facility Management (plus 15,4 Prozent), Gebäudetechnik (plus 8,0 Prozent) sowie Sicherheit & Service (plus 9,1 Prozent). Lediglich der in den vorangegangenen Jahren maßgeblich durch die Versorgung von Flüchtlingen beeinflusste Bereich Catering schrumpfte um 9,2 Prozent.

Alles in allem spricht Hempel von einem "gesunden" Wachstum, das perspektivisch weiter in der Bandbreite von drei bis fünf Prozent liegen soll. Gesund vor allem wohl deshalb, weil er weiß, dass der immer stärker spürbare Arbeitskräftemangel sich zunehmend als limitierender Faktor im Neugeschäft erweist. Während das Wachstum früher vom Erfolg im Vertrieb abhing, steht und fällt es ihm zufolge nun vor allem mit der Entwicklung der Mitarbeiterzahl. Doch Hempel identifiziert in diesem Zusammenhang auch potenzielle Chancen für FM-Dienstleister.

Deutsche Unternehmen befänden sich derzeit schließlich im "war for talents". In ihrem Anliegen, die Mitarbeiter für sich zu gewinnen beziehungsweise langfristig zu binden, müsse nicht zuletzt die Qualität für Servicedienstleistungen rund um den Arbeitsplatz steigen. "Die Attraktivität des Arbeitsplatzes wird zunehmend vom Kostenfaktor zum Überlebensfaktor", so Hempels Überzeugung. Folgerichtig hofft er auf ein zeitnahes Umdenken bei den FM-Kunden: Während in den vergangenen Jahren zu oft der Faktor "Preis" im Vordergrund bei Neuausschreibungen gestanden habe, sollte die erbrachte Qualität endlich mehr Würdigung erfahren.

Ein hehrer Wunsch, dessen Erfüllung allen FM-Dienstleistern ein Stück weit Entspannung brächte. Dies zeigt sich insbesondere mit Blick auf die EBIT-Marge, die den Umsatz ins Verhältnis zum Gewinn vor Zinsen und Steuern setzt und somit ein guter Indikator für die Profitabilität eines Unternehmens ist. Wisag verharrt hier - ganz im Einklang mit dem FM-Branchendurchschnitt - bei nach wie vor chronisch niedrigen drei bis fünf Prozent. Wirklich auskömmlich erscheint das nicht. ph

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