EZB muss Flagge bekennen

Realkredite: Konditionen Stand 24. Januar 2022 Quelle: Interhyp AG

Als der EZB-Tower im Frankfurter Ostend vor Kurzem anlässlich des 20-jährigen Euro-Jubiläums in farbenfrohe Lichter gehüllt wurde, da konnte einem schon warm ums Herz werden. Denn es handelt sich um die wirklich bemerkenswerte Geschichte eines Underdogs, der zahlreichen Krisen, Widerständen und Unkenrufen zum Trotz nicht nur überlebt hat, sondern sich dabei auch zum Sinnbild für eine gemeinsame europäische Identität sowie zur weltweit am zweithäufigsten verwendeten Währung gemausert hat.

Klar ist aber auch, dass diese erfreuliche Retrospektive in einer von rauem Wettbewerb geprägten Welt nicht einfach in die Zukunft extrapoliert werden kann. Stattdessen muss sein Status als globale Leitwährung immer wieder aufs Neue erkämpft werden. Ja, der Euro hat die Finanzkrise und die Eurokrise überstanden und wird aller Voraussicht nach auch die wirtschaftlichen Einbrüche infolge der Pandemie überleben. Aber die damit einhergehende Rettungspolitik gepaart mit der Reformträgheit vieler seiner Mitgliedsstaaten haben tiefe Spuren hinterlassen. So liegt die Verschuldung der Euro-Mitgliedsländer inzwischen bei insgesamt 13 Billionen Euro. Zu Beginn der Euro-Einführung 2002 waren es noch 5 Billionen Euro. Und gemessen an der Wirtschaftsleistung sind die Schulden allein seit Ausbruch der Finanzkrise von 66 auf aktuell 100 Prozent gestiegen. Als wäre das nicht bedrohlich genug, tritt nun bekanntlich auch noch die totgeglaubte Inflation wieder auf den Plan - quasi als ungebetener Überraschungsgast zum 20. Geburtstag. So absurd es mit Blick auf die bewegten ersten zwanzig Jahre des Euros klingen mag, aber im Prinzip spricht vieles dafür, dass es für den Euro und seine Hüter erst jetzt so richtig kompliziert wird. Vor allem ist damit natürlich die EZB gemeint, denn ihr steht ein Zielkonflikt ins Haus. Bislang befand sich die EZB nämlich in der halbwegs komfortablen Lage, sich nie explizit entscheiden zu müssen, ob sie lieber buchstabengetreu ihr Inflationsziel erreichen will oder es doch eher so angenehm wie möglich für die Finanzminister der immer tiefer verschuldeten Euroländer machen will.

Grund dafür war natürlich der Umstand, dass die in den vergangenen Jahren ergriffenen expansiven Maßnahmen - seien es die Anleihekäufe oder die Negativzinsen - sowohl der Stimulierung der chronisch unter ihrem Zielniveau verharrenden Inflation als auch der Senkung der Refinanzierungskosten für Schuldner diente. In dieser Konstellation konnten sich die EZB-Granden leicht von der immer wieder zu vernehmenden Kritik lossagen, wonach sie längst eine Art "versteckte Agenda" verfolgten, die die Vermeidung einer neuen Staatsschuldenkrise im Zweifelsfall auf Kosten des Inflationsziels priorisiert.

Realkredite: Konditionen Stand 24. Januar 2022 Quelle: Interhyp AG

Damit ist es nun vorbei, die EZB muss Flagge bekennen. Es bedarf einer klaren Abwägung, an deren Ende der Inflationsbekämpfung unbedingt Vorrang eingeräumt werden muss. Die Inflation im Euroraum liegt seit Monaten besorgniserregend weit über der 2-Prozent-Marke, im zurückliegenden Dezember wurde erstmals die Schallmauer von 5 Prozent durchbrochen. Und was man bislang dagegen unternommen hat, wird nicht ausreichen. Zwar kündigte die EZB an, das PEPP auslaufen zu lassen. Doch ihre Geldpolitik ist damit natürlich noch immer ultraexpansiv ausgerichtet: Der Einlagensatz verharrt bei minus 0,50 Prozent und das konventionelle APP wird nicht nur fortgesetzt, sondern auch wieder aufgestockt, um die PEPP-Auslaufeffekte möglichst gering zu halten. Da muss definitiv mehr kommen.

Derweil haben die veränderten Inflationsperspektiven über Umwege auch erste spürbare Auswirkungen auf die Bauzinsen genommen. Wie Interhyp berichtet, sind die Zinsen für zehnjährige Kredite seit September 2021 um rund 0,3 Prozentpunkte auf zuletzt 1,15 Prozent gestiegen. "Nach einem deutlichen Anstieg der amerikanischen Staatsanleihen sind nun auch bei deutschen Bundesanleihen erstmals seit Langem wieder positive Renditen erreicht. Da Staatsanleihen neben dem Leitzinsniveau ein wichtiger Indikator fürs Baugeld sind, geht es auch beim Bauzins bergauf", erklärt Mirjam Mohr, Vorständin Privatkundengeschäft bei Interhyp. ph

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