Hoffen auf politische Durchbrüche

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

Lang ist's her: Auf den 7. Juli 2011 datiert die bislang letzte Leitzinserhöhung (um 0,25 auf 1,50 Prozent) der EZB zurück, der Schritt erfolgte damals wenige Monate vor dem Ausscheiden Jean-Claude Trichets als EZB-Präsident. Bereits im April 2011 war es zu einer ersten Zinsanhebung gekommen und es schien, als hätte Trichet damit den Weg für seinen Nachfolger Mario Draghi hin zu einem schnellen Ende der expansiven Geldpolitik - wohlgemerkt nur drei Jahre nach dem Höhepunkt der Finanzkrise - bereitet. Doch es kam bekanntlich völlig anders: Die Staatsschuldenkrise im Euroraum spitzte sich dramatisch zu, sodass Draghi bereits in seiner ersten EZB-Ratssitzung am 3. November 2011 eine Leitzinssenkung auf 1,25 Prozent verkündete. Sieben weitere sollten - nebst der massiven Ausweitung hochumstrittener und großvolumiger Anleihekaufprogramme - folgen und seit März 2016 verharrt das zentrale Element zur Steuerung der Geldpolitik im Euroraum inzwischen bei 0,00 Prozent.

Mit dem immer näher rückenden Ende von Draghis achtjähriger Amtszeit im Oktober dieses Jahres drängt sich naturgemäß eine Frage auf: Wird der Italiener den von vielen so lang ersehnten Zinserhöhungszyklus im Spätsommer noch selbst einleiten oder stattdessen als erster EZB-Präsident in die Annalen eingehen, der niemals den Zins angehoben hat? Während viele Experten bis vor wenigen Wochen noch zu Ersterem tendiert haben, sind die Aussichten dafür mittlerweile doch merklich gesunken. Die konjunkturellen Sorgenfalten im Euroraum werden immer größer und auch die Entwicklung der Verbraucherpreise, die im Dezember nur noch um 1,6 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gestiegen sind, droht an Dynamik zu verlieren. Die Analysten der HSBC rechnen angesichts rückläufiger Benzinpreise damit, dass die Inflation im Euroraum 2019 zeitweise gar unter 1,0 Prozent fallen wird und sehen deshalb "wenige Chancen für eine Zinserhöhung der EZB in diesem und im nächsten Jahr".

Dass die EZB elend lange für den Ausstieg aus den Netto-Anleihekäufen gebraucht hat, droht sich nun mit Blick auf das immer kleiner werdende Zeitfenster für den zinspolitischen Einstieg in den Ausstieg zu rächen. Doch vielleicht kommt am Ende wieder einmal alles ganz anders als gedacht: Die EU-Kommission und Italien haben den Haushaltsstreit unlängst bekanntlich beigelegt, auch die USA und China signalisierten im Handelskonflikt zuletzt steigende Bereitschaft zu Verhandlungslösungen. Und selbst beim Brexit bleibt die Hoffnung, dass (irgendwie) doch noch ein harter Schnitt abgewendet werden kann. Durchbrüche bei diesen über Monate beziehungsweise Jahre währenden politischen Krisenherden könnten der schwächelnden Konjunktur einen ungeahnten positiven Schub versetzen - und gleichzeitig den geldpolitischen Handlungsspielraum erhöhen. Für diesen Fall wäre dann aber vonseiten der EZB deutlich mehr Entschlossenheit gefragt.

Als Vorbild könnte ihr dabei die Fed dienen. Inmitten der turbulenten Jahresendphase an den Finanzmärkten und dem anhaltenden Gebrüll von Donald Trump hat sie den Leitzins im Dezember zum insgesamt vierten Mal 2018 auf den Korridor von 2,25 bis 2,5 Prozent angehoben. Angesichts der positiven Datenlage (Anstieg des US-BIP um fast 3,0 Prozent im Jahr 2018, Arbeitslosenquote auf 50-Jahrestief, anziehende Löhne, Teuerung quasi auf dem Zielwert der Fed) dürften 2019 voraussichtlich mindestens zwei weitere Leitzinserhöhungen folgen.

Unterdessen sind die Zinsen für Wohnungsbaukredite in Deutschland zu Jahresbeginn zurückgegangen und befinden sich dadurch wieder in der Nähe ihrer historischen Tiefststände. Laut Interhyp AG beginnen die Bestkonditionen für zehnjährige Darlehen bei gerade einmal 1,1 Prozent effektiv (Stand: 16. Januar 2019), der sogenannte Zweidrittelzins, der angibt, wieviel ein Kredit für mindestens zwei Drittel der Kreditnehmer höchstens kosten darf, rangiert bei 1,39 Prozent effektiv. Die anhaltend hohen politischen Unsicherheiten sorgten laut Interhyp für eine hohe Nachfrage nach deutschen Staatsanleihen, was deren Renditen drückt und damit auch das Zinsniveau für Immobilienkredite. ph

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