Kein Ende in Sicht

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

Leb wohl, Zinswende! Im Rahmen einer von düsteren Prognosen und Molltönen geprägten Ratssitzung hat der EZB-Rat Anfang März einstimmig (!) die Hoffnungen auf in absehbarer Zeit steigende Zinsen begraben und stattdessen neue geldpolitische Lockerungen angekündigt. So werden gemäß der angepassten Forward Guidance die Leitzinsen bis "mindestens über das Ende 2019" hinaus (bislang: "mindestens über den Sommer 2019") auf dem aktuellen Niveau verharren. Zudem erhalten Banken im Rahmen des dritten TLTRO-Programms ab September 2019 zweijährig neue großzügige Liquiditätsspritzen zu günstigen Konditionen, von denen vor allem Institute aus Peripherieländern profitieren dürften.

Insgesamt zeigten sich viele EZB-Beobachter ob des frühen Zeitpunkts der konkreten EZB-Neubeschlüsse überrascht. Doch warum eigentlich? Schließlich handelt es sich bei genauerem Hinsehen doch um ein inzwischen allzu vertrautes Vorgehen der Frankfurter Währungshüter: Denn so zögerlich-zaudernd die EZB in der jüngeren Vergangenheit auf jede positive Nachricht zu Wachstum und Inflation (und davon gab es einige!) reagiert hat, so energisch-entschlossen präsentiert sie sich, wenn Gefahr in Verzug ist. Daher kann es auch kaum verwundern, dass EZB-Präsident Mario Draghi, unter dem es also definitiv keine Leitzinserhöhung mehr geben wird, zur Rechtfertigung dieser geldpolitischen (Rück-)Schritte deutlich revidierte Wachstums- und Inflationsprognosen ins Feld führte: So erwartet die EZB für die Eurozone im Jahr 2019 nur noch ein reales Wachstum von 1,1 statt 1,7 Prozent, in den beiden Folgejahren sei mit 1,6 beziehungsweise 1,5 Prozent zu rechnen.

Wenig optimistisch fällt auch der Inflationsausblick aus: Seit November 2018 befindet sich diese mehr oder weniger im freien Fall und lag im Januar nur noch bei 1,4 Prozent. Für das Gesamtjahr prognostiziert die EZB lediglich eine Preissteigerung von 1,2 Prozent im Euroraum, 2020 und 2021 sollen es immerhin wieder 1,5 beziehungsweise 1,6 Prozent sein - was aber immer noch spürbar weniger wäre als die avisierte Zielmarke in Höhe von 2,0 Prozent.

In diesem Zusammenhang hat vor kurzem der finnische Notenbankchef Olli Rehn, dem mit die besten Aussichten auf die Nachfolge Draghis eingeräumt werden, für ein Umdenken geworben. Dass die Kerninflation seit geraumer Zeit bei nur rund einem Prozent herumdümpelt, wertet er als Zeichen dafür, dass die EZB ihr Zwei-Prozent-Ziel schlicht nicht nachhaltig erreichen kann. Deshalb müssten die "Prinzipien, grundlegenden Annahmen und Instrumente" der EZB auf den Prüfstand. Es ist ein begrüßenswerter Denkanstoß, schließlich läuft die EZB durch das starre Festhalten an ihrem immer utopischer erscheinenden Inflationsziel langsam aber sicher Gefahr, die niedrigen Zinsen - ähnlich wie die Bank of Japan - auf Jahrzehnte zu zementieren.

Vorerst handelt es sich dabei allerdings um nicht viel mehr als Zukunftsmusik. Der nüchterne Blick auf die Gegenwart ist dagegen überaus trostlos und es erscheint ungewisser denn je, ob die Eurozone jemals wieder vom Tropf der Nullzinsen loskommt. Sicher ist nur eins: Man wird sich eine ganze Weile gedulden müssen, bis die Eurozone erneut einen so robusten und breiten Aufschwung, der in den vergangenen Jahren die denkbar günstigsten Voraussetzungen für höhere Leitzinsen bot, erlebt.

Der pessimistische Tenor der EZB trug derweil dazu bei, dass die zehnjährige Rendite von Bundesanleihen weiter unter Druck geriet: Zu Redaktionsschluss lag diese mit 0,09 Prozent nur noch marginal im positiven Bereich. Das bleibt natürlich nicht ohne Folgen für die Hypothekenzinsen: Laut Qualitypool befanden sich Mitte März die Bestzinsen für zehn- und fünfzehn jährige Baufinanzierungen mit 0,9 beziehungsweise 1,24 Prozent auf dem tiefsten Stand seit über zwei Jahren. Häuslebauer müssten sich angesichts der auf dem Rückzug befindlichen Notenbanken in den nächsten Monaten deutlich weniger Gedanken über steigende Bauzinsen machen. ph

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