Die Rechnung wird kommen

Philipp Hafner, Foto: Verlag Helmut Richardi GmbH

"Klotzen, nicht kleckern!" Diesem Motto haben sich weltweit die meisten Regierungen und Notenbanken im Kampf gegen die Corona-Krise verschrieben. Die EZB ist da keine Ausnahme, wie der erste gewährte Einblick in das neue Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) belegt. So erwarb das Eurosystem allein in der ersten Ankaufswoche des PEPP Assets im Wert von stolzen 30,153 Milliarden Euro. Viel mehr war dem Bericht der EZB allerdings nicht zu entnehmen. So verzichtete sie - anders als beim parallel laufenden Asset Purchase Programme (APP) -auf jegliche Informationen zur Verteilung auf einzelne Marktsegmente beziehungsweise die Euroländer.

Mehr Transparenz wäre an dieser Stelle aber definitiv geboten; nicht nur, um die Wirkung an den Kapitalmärkten einigermaßen beurteilen zu können, sondern auch mit Blick auf die rechtlichen Implikationen des Programms. Zur Erinnerung: Die Limitierungen, die die EZB bei den bisherigen Kaufprogrammen für sich definiert hatte, sind beim PEPP nicht mehr vorhanden. Neben den Allokationen auf die Assetklassen soll auch der bislang geltende Kapitalschlüssel bei Bedarf nicht die Handlungsfähigkeit der EZB einschränken. Die daraus resultierende Flexibilität zielt letztlich ziemlich unverblümt darauf ab, die Spreads bei Staatsanleihen gebeutelter Südländer in Zaum zu halten. Die bereits im Rahmen des APP zu vernehmende Kritik, monetäre Staatsfinanzierung zu betreiben, erhält dadurch neue Nahrung. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird das PEPP somit erneut auch ein Fall für den Europäischen Gerichtshof sein. Umso wichtiger ist vor diesem Hintergrund größtmögliche Offenheit vonseiten der EZB.

Derweil halten sich hartnäckig Spekulationen, dass die EZB im Kampf gegen die Corona-Krise zeitnah nochmals eine Schippe drauflegen könnte - obwohl sie aktuell bereits quasi unbegrenzt Liquidität für Banken bereitstellt und Anleihen in bislang nie dagewesenem Umfang kauft. Im Raum steht unter anderem die Überlegung, wonach die EZB künftig direkt unter Umgehung der Banken Kredite an Unternehmen vergeben könnte. Ein wichtiger Grund für derartige Spekulationen dürfte nicht zuletzt sein, dass die europäische Fiskalpolitik hinter den allgemeinen Erwartungen zurückzubleiben droht, Stichwort "Corona Bonds". Bundesbank-Präsident Jens Weidmann versuchte diese allzu hohe Erwartungshaltung an die Geldpolitik nun in einem Interview mit Bloomberg zu dämpfen. "Eine noch deutlich aktivere Rolle des Eurosystems ist nicht erforderlich." Darüber hinaus lobte er die bislang aufgefahrenen fiskalpolitischen Geschütze: "Europa braucht sich mit seiner Antwort auf die Krise nicht zu verstecken", sagte er, vermutlich auch mit Blick auf das 500 Milliarden Euro schwere Hilfspaket, das die Euro-Finanzminister am 9. April geschnürt haben.

Zugleich mahnte Weidmann an, die langfristigen Folgen dieses Handelns nicht aus den Augen zu verlieren. "Eine extrem expansive Fiskalpolitik ist dauerhaft nicht aufrechtzuerhalten." Im weiteren Verlauf müssten die Länder deshalb einen Kurswechsel vornehmen, der zu einem Rückgang der sehr hohen Staatsschuldenquoten führe - in Einklang mit den Maastricht-Kriterien. Eine Vorstellung davon, wie schmerzhaft dies selbst für einen halbwegs solide wirtschaftenden Staat wie Deutschland ist, zeigt der Blick zurück auf die Finanzkrise 2008/2009. Rund zehn Jahre harter Disziplin waren hier im Anschluss daran notwendig, um die infolge der damaligen Konjunkturprogramme auf 82 Prozent gestiegene Verschuldung wieder auf die Marke von 60 Prozent zu drücken.

Wie hoch die Rechnung diesmal sein wird, ist noch nicht seriös abzuschätzen. Im wohl optimistischsten Szenario hätte sie ähnliche Dimensionen, vermutlich wird sie aber noch größer ausfallen. Gerade die Frage nach der Generationengerechtigkeit wird somit über Jahrzehnte ein steter Begleiter sein. Das sollte bei allem Verständnis für die enorme Fürsorgebereitschaft von Fiskal- und Geldpolitik, die sich für ihren Tatendrang dieser Tage anerkennend gegenseitig auf die Schultern klopfen, nicht vergessen werden. ph

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