Unabhängigkeit in Gefahr

Realkredite: Konditionen Stand 22. August 2018 Quelle: Dr. Klein Privatkunden AG

Dass die Unabhängigkeit von Notenbanken ein hohes und unter keinen Umständen zu verhandelndes Gut sein sollte, hat sich mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen in der Türkei eindrucksvoll gezeigt. Trotz schwacher Währung und anziehender Inflation entschied sich die Türkische Notenbank im Juli gegen eine objektiv betrachtet dringend gebotene und deutliche Leitzinserhöhung. Der Einfluss von Staatspräsident Erdogan auf diese Entscheidung gilt als gesichert und die Quittung der Finanzmärkte folgte auf den Fuß: Unbarmherzig stieg der Druck aus Sorge um die Unabhängigkeit der Notenbank. Die US-Sanktionen sowie Meldungen, wonach sich europäische Bankaufseher besorgt über das Engagement hiesiger Institute in der Türkei zeigen, brachten das Fass schließlich zum Überlaufen. Zwar kündigte die türkische Zentralbank an, den Banken ausreichend Liquidität zur Verfügung zu stellen, doch das dürfte die Not nur vorübergehend lindern. Um ein beherztes Drehen an der Zinsschraube wird man früher oder später nicht umhinkommen. Doch Erdogans Bekenntnis zur Unabhängigkeit der Zentralbank lässt weiter auf sich warten, das Vertrauen scheint nachhaltig erschüttert.

In der Eurozone ist man von derartigen Entwicklungen zum Glück weit entfernt und dennoch gibt es auch hier regelmäßig beunruhigende Versuche vonseiten der Politik, die EZB für sich zu vereinnahmen. Frankreichs Ex-Präsident Sarkozy etwa plädierte seinerzeit dafür, dass sich die EZB neben der Preisstabilität stärker um das Wachstum in der Eurozone kümmern sollte. Im Vergleich dazu sind die aktuell aus Italien zu vernehmenden Forderungen schon deutlich anmaßender. So verlangte jüngst Claudio Borghi, der wirtschaftspolitische Sprecher der populistischen Regierungspartei Lega, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters: "Entweder die EZB bietet eine Garantie, oder der Euro wird auseinanderbrechen."

Die EZB solle deshalb sicherstellen, dass die Renditeabstände von Staatsanleihen der Euroländer begrenzt werden. Einen konkreten "Ratschlag" lieferte er gleich mit: "Zwischen den Schuldtiteln zweier Eurostaaten sind 1,50 Prozentpunkte Differenz bei den Renditen ein vernünftiges Maximum." Der Hintergrund: Mitte August wuchs der Zinsabstand zwischen deutschen und italienischen zehnjährigen Staatsanleihen auf über 290 Basispunkte, Rom muss inzwischen mehr als drei Prozent Zinsen berappen - doppelt so viel wie noch einige Wochen zuvor. Dass der Druck auf das Land vonseiten der Finanzmärkte so stark gestiegen ist, muss sich die neue italienische Regierung dabei selbst zuschreiben. Sie ignoriert bislang so ziemlich alle in der Eurozone geltenden Gepflogenheiten und Regeln, vom fehlenden Reformwillen ganz zu schweigen.

Italien steht also ein "heißer" Herbst bevor und bei der Überwindung dieser Misere darf es freilich auf keinerlei Unterstützung der EZB hoffen. Deren Geldpolitik befindet sich seit der Juni-Sitzung auf absehbare Zeit ohnehin im "Autopilot-Modus". So bekräftigten die Währungshüter Ende Juli ihren Kurs, die Netto-Anleihekäufe bis zum Ende des Jahres auslaufen zu lassen. Der Leitzins wird außerdem noch "bis mindestens über den Sommer 2019 hinaus" auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent verharren. An dieser Marschroute dürften selbst die im Juli um 2,1 Prozent zum Vorjahr gestiegenen Verbraucherpreise in der Eurozone - immerhin ein Fünfjahreshoch - nichts ändern. Zu schwach präsentiert sich mit 1,1 Prozent weiterhin die Kerninflation (exklusive Lebensmittel und Energie), um wirklichen Handlungsdruck auf die EZB auszuüben.

Unterdessen sind mit Beginn der Ära Trump auch für die Fed schwierige Zeiten angebrochen. Er habe Jerome Powell für eine Politik des billigen Geldes nominiert, stattdessen erhöhe dieser nun die Zinsen zu stark, beschwerte sich Trump vor Kurzem zum wiederholten Male. Nun liegt es an der Fed, auf ihrer nächsten Sitzung am 26. September zu verdeutlichen, dass sie sich einzig und allein den beiden Zielen Preisniveaustabilität und Vollbeschäftigung verpflichtet fühlt. Angesichts einer im Juli auf 2,4 Prozent angestiegenen Kerninflationsrate wäre dabei alles andere als eine weitere Leitzinserhöhung eine Überraschung. Grundsätzlich bleibt zu hoffen, dass sich die Parallelen der USA zur Türkei auch künftig auf ihre beiden anmaßenden Präsidenten beschränken. ph

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