Ein wahrer Eiertanz

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

Eine interessante Erkenntnis der zurückliegenden Expo Real war sicher, dass die Immobilienwirtschaft derzeit bemerkenswert entspannt auf die Entwicklungen an der Zinsfront im Euroraum blickt. Einen echten Vorwurf kann man der Branche daraus gleichwohl nicht stricken. Zum einen hat natürlich niemand vergessen, dass das Wohl und Wehe der Branche zu einem guten Stück vom Faktor Zins, dessen Quasi-Abschaffung den hiesigen Immobilienmärkten in den vergangenen Jahren zu einem beispiellosen Boom verholfen hat, abhängt. Zum anderen ist es schlicht so, dass eine Zinswende, die diesen Namen auch tatsächlich verdienen würde, weit und breit nicht in Sicht ist.

Wie steinig der Weg für die EZB zurück in geordnete Bahnen sein wird, zeigte sich einmal mehr auf ihrer jüngsten Ratssitzung Ende Oktober. Die nachlassende konjunkturelle Dynamik in der Eurozone, die schwelenden Handelskonflikte, der ungewisse Ausgang des Brexits und seit Kurzem auch die Sorgen um die politische Entwicklung in Italien - es sind viele Bremsklötze, die Draghi & Co. das Festhalten an ihrem äußerst zögerlichen Ausstieg aus der ultra lockeren Geldpolitik derzeit so leicht machen.

Wie zögerlich dieser ist, offenbart sich beispielsweise mit Blick auf das Anleihekaufprogramm: Der EZB-Rat konnte sich noch nicht einmal dazu durchringen, das Ende der umstrittenen Nettoanleihekäufe für das Jahresende 2018 endlich formal zu beschließen. Stattdessen "sollen" sie zu diesem Zeitpunkt enden - sofern es die noch ausstehenden Daten zur mittelfristigen Inflationsentwicklung erlauben. Ein wahrer Eiertanz also.

Ungeklärt blieb in diesem Zusammenhang auch die Frage, wie die EZB im kommenden Jahr die Gelder auslaufender QE-Anleihen zu reinvestieren gedenkt. Immerhin wird sich dieses Reinvestitionsvolumen alleine in den ersten neun Monaten 2019 auf 190 Milliarden Euro belaufen. Brisant ist die Frage insbesondere mit Blick auf Staatsanleihen. Bislang agiert die EZB hier nach dem sogenannten Kapitalschlüssel, bei dem die Bevölkerungszahl und die Wirtschaftsleistung eines Landes ausschlaggebend für die jeweiligen Ankäufe sind.

Die Researchabteilung der Allianz sieht die EZB bei Einhaltung dieses Schlüssels im Rahmen der anstehenden Reinvestitionen allerdings vor Problemen. Der Hintergrund: Lang laufende Staatsanleihen solide wirtschaftender Euroländer seien nur noch in begrenztem Umfang verfügbar. Eine Aufweichung des Kapitalschlüssels, um an dieser Stelle eine höhere Flexibilität zu gewährleisten, könnte die Folge sein. Dass wiederum würde für eine stärkere Unterstützung der Notenbank für Staatsanleihen kriselnder Länder, wie es beispielsweise aus Italien gefordert wird, sprechen. Bislang ist das jedoch reine Spekulation. Draghi ließ wissen, dass man darüber noch nicht diskutiert habe.

Immerhin bemühte er sich, den Verdacht einer möglichen geldpolitischen Sonderbehandlung für sein Heimatland zu zerstreuen. Er rief die derzeit so renitenten politischen Verantwortlichen Italiens dazu auf, sich im Ton zu zügeln und die europäischen Budgetregeln einzuhalten. Außerdem betonte er, dass die Finanzierung von Staatsschulden nicht in den Aufgabenbereich seiner Institution falle.

Davon abgesehen wollte er aber nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen. Draghi weiß sehr wohl, dass die Probleme Italiens Ansteckungsgefahren für andere Euroländer bergen und ein Flächenbrand die Eurozone vor eine neue Existenzkrise stellen könnte. Wahrscheinlich deshalb schloss er seine Anmerkungen zu dem Thema mit dem Satz: "Ich bin zuversichtlich, dass Italien und die EU-Kommission zu einer Einigung gelangen werden."

Zuversichtlich ist die EZB indes auch mit Blick auf sich eventuell weiter eintrübende Wachstums- und Inflationsdaten in der Eurozone. Eine Option könnte laut Draghi beispielsweise darin bestehen, die langfristigen Refinanzierungsgeschäfte für Kreditinstitute im Rahmen des TLTRO-Programmes wieder hochzufahren. Denkbar wäre für einen solchen Fall natürlich auch eine Anpassung der Forward Guidance. Die besagt aktuell, dass die Leitzinsen bis "mindestens über den Sommer 2019" auf dem aktuellen Niveau bleiben. Vielleicht ist hier ja schon bald vom Jahr 2020 oder gar 2021 die Rede. Die Immobilienwirtschaft hätte sicher nichts dagegen. ph

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