Auch Zentralbanker sind nur Menschen

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

Kaum zu glauben, aber wahr: Am 7. Mai 2019 hat sich die Entscheidung der EZB, Euro-denominierte Covered Bonds zu kaufen, zum zehnten Mal gejährt. Ursprünglich als vorübergehende Maßnahme zur Stabilisierung des Covered-Bond-Marktes angedacht, ist daraus doch eine ziemlich langwierige und fragwürdige Routinetätigkeit geworden. Dem ersten "Covered-Bond-Purchase-Programme" (CBPP) folgte im Oktober 2011 CBPP2 und im Oktober 2014 schließlich CBPP3.

Zehn Jahre später liegen gedeckte Schuldverschreibungen im Volumen von rund 270 Milliarden Euro in den Büchern der EZB, das entspricht in etwa 45 Prozent aller Euro-Benchmark-Anleihen. Ähnlich einem Elefant im Porzellanladen breitete die EZB ihren Markteinfluss dabei immer weiter aus, drängte angestammte Investoren aus dem Segment, sorgte für massiv sinkende Liquidität und induzierte Spread-Angleichungen, die längst nicht mehr die Qualitätsunter schiede zwischen den einzelnen Anleihen widerspiegeln.

Immerhin zielt die EZB nun seit Jahresbeginn 2019 bekanntlich nur mehr auf die Wahrung dieses gigantischen Bestands ab, sprich es erfolgen keinerlei Nettoankäufe mehr. Gleichzeitig bleibt sie - zum Leidwesen so mancher Emittenten und Investoren, wie auch an einigen Stellen in diesem Heft zu entnehmen ist - bis auf Weiteres ein sehr dominanter Marktakteur, da die fällig werdenden Papiere vollständig reinvestiert werden. Wie genau sie dabei vorgehen wird, ist der EZB aber offensichtlich selbst noch nicht ganz klar. Diesen Schluss legt zumindest eine aktuelle Anekdote aufmerksamer Researcher der Commerzbank nahe. Ihnen war aufgefallen, dass in der monatlich publizierten Liste zu den in den kommenden zwölf Monaten anstehenden Reinvestments von CBPP3-Fälligkeiten der Wert für den Monat März 2020 plötzlich auf 2,546 Milliarden Euro gesprungen war. Noch einen Monat davor waren diese Fälligkeiten lediglich auf 1,575 Milliarden Euro beziffert worden. Auf Nachfrage musste die EZB letztlich einräumen, dass der höhere Wert den Tatsachen entspricht und die zuvor berichteten März-2020-Fälligkeiten schlicht weg falsch waren. Die investigativen Commerzbank-Analysten zeigten sich indes gnädig und subsumierten den Fehler unter der Kategorie "Auch Zentralbanker sind eben nur Menschen".

Fehleranfällig sind unterdessen auch die aktuellen Konjunkturprognosen. Entgegen der zu Jahresbeginn überlieferten Rezessions- und Untergangsszenarien implizieren die jüngst veröffentlichten Indikatoren, dass der Jahresauftakt für die Eurozone gar nicht so schlecht war. Das Bruttoinlandsprodukt im europäischen Währungsraum stieg in den ersten drei Monaten 2019 real um immerhin 0,4 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Positiv zu überraschen wusste dabei insbesondere Deutschland: Nachdem das BIP-Wachstum im vierten Quartal 2018 stagnierte und im dritten Quartal 2018 sogar ein Rückgang (minus 0,2 Prozent) zu verzeichnen war, zeigt die Kurve nun wieder nach oben: Laut Statistischem Bundesamt legte die deutsche Wirtschaftsleistung im ersten Quartal 2019 um 0,4 Prozent zu. Verantwortlich für das Wachstum waren vor allem die boomende Baubranche und konsumfreudige Verbraucher.

Positiv hinzukommt, dass im April die Inflation im Euroraum mit 1,7 Prozent aus ihrem Dornröschenschlaf erwachte und damit wieder halbwegs in der EZB-Zielzone liegt. Alles im grünen Bereich also? Natürlich nicht. Inmitten dieser hoffnungsvollen Frühjahrsstimmung verschärfte Donald Trump mit der Erhöhung von Strafzöllen für chinesische Güter im Wert von 200 Milliarden US-Dollar auf 25 Prozent den Handelskrieg massiv und sorgte für reichlich neues Unsicherheitspotenzial. Die konjunkturelle Erholung im ersten Quartal könnte sich somit als relativ kurzes Phänomen entpuppen.

Entsprechend "menschlich" dürfte wohl einmal mehr die Reaktion der EZB ausfallen: Sich in Geduld üben und hoffen, dass es nicht zu einem deutlichen Wirtschaftseinbruch kommt, der die EZB möglicherweise in neue unkonventionelle Maßnahmen treiben könnte. Denn eine vierte Auflage des CBPP kann nun wirklich niemand gebrauchen. ph

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