IMMOBILIENWIRTSCHAFT 4.0

5G: KATALYSATOR FÜR DIE DIGITALISIERUNG DER IMMOBILIENWIRTSCHAFT

Dr. Alexander Hellmuth, Foto: EY Real Estate

Ob autonomes Fahren, virtuelle Realität oder vernetzte Produktion - viele Unternehmen knüpfen große Erwartungen an den neuen Mobilfunkstandard 5G. Welche Potenziale die Technologie für die Immobilienwirtschaft bietet, analysiert der Autor des folgenden Beitrags. Wichtige Impulse erwartet er beispielsweise im Bereich Smart Buildings oder dem Internet der Dinge, ohne das ein intelligentes Workplace-Management nicht darstellbar sei. Grundsätzlich nicht vergessen werden sollte dabei, dass die Einführung einer höheren Bandbreite zusätzliche Möglichkeiten für Hersteller und Entwickler biete, um Lösungen für aktuelle Probleme in Gebäuden zu finden. Auch deshalb muss die Immobilienwirtschaft diesen Prozess seiner Einschätzung nach aktiv gestalten. Red.

Bis zum Jahr 2022 sollen nach den Plänen der Bundesregierung 98 Prozent der Haushalte in Deutschland mit schnellem mobilem Internet (mindestens 100 Megabit pro Sekunde) versorgt sein. Um dieses a mbitionierte Ziel zu erreichen, werden derzeit die ersten Frequenzen für den aktuellsten Mobilfunkübertragungsstandard "5G" versteigert.

Branchenvertreter erwarten positiven Schub

Dass Immobilieneigentümer finanziell profitieren können, wenn sie etwa Dachflächen für den Betrieb von Übertragungstechnologie vermieten, liegt schon fast auf der Hand. Die Auswirkungen auf die Immobilienwirtschaft gehen aber weit darüber hinaus. Einen positiven Schub erwarten so auch fast 80 Prozent der Teilnehmer des EY-Trendbarometers "Immobilien-Investmentmarkt", für das rund 300 am deutschen Markt aktive Investoren befragt wurden.

5G ermöglicht nicht nur eine deutlich höhere Übertragungsgeschwindigkeit, sondern gleichzeitig auch die Kommunikation mit einer Vielzahl von Geräten im Vergleich zu den Vorgängertechnologien. Aus diesem Grund wird 5G die Rolle als Basistechnologie für Trends wie das Internet of Things (IoT) zugeschrieben. Auch die Industrie erhofft sich von dem neuen Standard einen großen Schritt in die digitale Zukunft - Stichwort "Smart Factory".

Die Kehrseite der höheren Leistung der neuen Mobilfunktechnologie: Die Funkzellen sind - je nach verwendetem Frequenzspektrum - teils erheblich kleiner. Das heißt im Umkehrschluss: Bei einer gewünschten höheren Abdeckung und gleichzeitig geringeren Reichweiten der Sendetechnologie braucht es deutlich mehr Antennen. Die Schätzungen bewegen sich dabei zwischen 750 000 und 1,2 Millionen notwendigen Antennen. Um die Größenordnung zu verdeutlichen: Die Deutsche Telekom gab 2018 an, für die heutige Übertragungstechnologie über rund 27 000 Antennenstandorte zu ver fügen.

"Mobilfunk ist Festnetz via Handy"

Ein Sprichwort in der IKT-Branche lautet: "Mobilfunk ist nichts anderes als Festnetz über das Handy". Oder einfach ausgedrückt: Mobilfunk braucht terrestrische Antennenanlagen. Diese müssen wiederum an ein Festnetz angeschlossen sein. In Deutschland ist das Kupferkabelnetz weit verbreitet. Dieses genügt aber langfristig nicht den Anforderungen für die notwendigen Bandbreiten einer flächendeckenden Bereitstellung des neuen 5G-Standards. Daher müssen die neuen Anlagen jeweils einzeln an ein größtenteils noch zu schaffendes Glasfasernetz angeschlossen werden.

Der Aufwand dürfte enorm ausfallen. Bitkom-Präsident Achim Berg skizzierte die nötigen Anstrengungen wie folgt: "Deutschland müsste im Abstand von je einem Kilometer mit Funkmasten gespickt und schachbrettmusterartig aufgebaggert oder aufgefräst werden. Dagegen entstehen jetzt schon die ersten Bürgerinitiativen." Zu dem kaum vorhersehbaren Aufwand und anfallenden Kosten - Schätzungen belaufen sich auf bis zu 100 Milliarden Euro an nötigen Investitionen - kommt, dass der Tiefbau, ähnlich wie auch der Hochbau, bereits heute am Kapazitätslimit ausgelastet ist.

Immobilien als Teil des Netzausbaus?

Ein recht naheliegender Ansatz wäre, dass Immobilieneigentümer ihre Liegenschaften für den Breitbandausbau zur Verfügung stellen. Die Abdeckung mit 5G-fähigen Antennen könnte ein weiteres Geschäftsmodell für unsere Branche darstellen. Ähnlich wie im Bereich der Photovoltaik könnten dafür Dachflächen als Mietgegenstand für die Betreiber der 5G-Technologie zur Verfügung gestellt werden.

Eigentümer erhalten dadurch nicht nur zusätzliche Einnahmen, sondern auch die beste Anbindung an die Mobilfunktechnologie. Die Idee dahinter ist nicht neu. Schon seit mehreren Jahren werden öffentliche Gebäude als Hotspots genutzt und versorgen die Umgebung mit Wlan. Im Rahmen des Breitbandausbaus könnte diese Idee professionalisiert und breiter ausgerollt werden.

Sicherlich sind die Ziele der 5G-Einführung also ambitioniert und man kann wohl berechtigte Zweifel haben, ob der Zeitplan fristgerecht eingehalten wird. Dennoch bleibt festzuhalten: Mit der Einführung des 5G-Standards entsteht nicht nur die notwendige mobile Übertragungstechnologie. Gleichzeitig sind die Betreiber in der Pflicht, ein zukunftsfähiges Festnetz in der Fläche zu errichten.

Für die digitale Transformation der Immobilienwirtschaft sind das gute Nachrichten. Smart Buildings können erst so mittel- bis langfristig zum Standard und auch in eher peripheren Standorten und Lagen errichtet werden. Die heute bereits im Bau befindlichen ersten Vorreiter werden noch in sehr zentralen Lagen errichtet, die ohnehin bereits über eine gute Konnektivität verfügen, die dann - dank Glasfaser und mobilem Breitband - immer weitere Kreise einbeziehen wird.

IoT ermöglicht intelligente Bestände

Die Potenziale von Smart Buildings, ob nun im Wohn- oder Bürosegment, werden bislang jedenfalls kaum ausgenutzt. Dabei setzt die Immobilienwirtschaft auch heute schon auf Effizienzsteigerung durch digitale Technologien. So gaben 83 Prozent der rund 300 befragten Immobilienexperten im Rahmen der dritten Digitalisierungsstudie von ZIA und EY Real Estate an, dass ein intelligentes Workplace-Management stark nachgefragt sei. Solch ein intelligentes Workplace-Management ist ohne das Internet of Things ("IoT") nicht darstellbar.

Beispielsweise kann erst ein mit Sensorik ausgestatteter Schreibtisch erkennen, wann er üblicherweise genutzt wird, diese Informationen mit der Belüftung, Heizung oder etwa Beleuchtungstechnologie teilen, die dann wiederum ihre Funktion anpassen. Je mehr "Dinge" in diesen Prozess eingebunden sind und miteinander kommunizieren, desto mehr Daten werden generiert und desto intelligenter kann das Gebäude sich selbst steuern. Erst 5G ermöglicht die entsprechende Datenübermittlung vieler beteiligter Geräte. Mögliche weitere Einsatzmöglichkeiten liegen auf der Hand - man denke etwa an den Einzelhandel: die Steuerung von Kundenströmen in Shoppingcentern.

Auch das Smart Home ist keineswegs mehr "Neuland", hat aber noch erhebliches Weiterentwicklungspotenzial, das mit der neuen Infrastruktur in greifbare Nähe rückt. Bislang fehlt an vielen Stellen noch die nötige Bandbreite, um alles, was bereits heute technisch möglich ist, auch in Deutschland umsetzen zu können. Die neue Übertragungsgeschwindigkeit würde einen großen Schritt nach vorn bedeuten.

Innovationstreiber für Wirtschaft und Gesellschaft

Erfahrungsgemäß ist die Einführung einer neuen Mobilfunktechnologie immer auch ein Innovationstreiber für Wirtschaft und Gesellschaft. So wurden viele Technologien rund um intelligente Wohnungen und Büros erst durch die Einführung des LTE-Standards, der in Deutschland längst nicht abgeschlossen ist, ermöglicht. Die höheren Download- und Upload-Raten dieses "Standards der vierten Generation" haben den Austausch zwischen Nutzern und Technologie deutlich beschleunigt - und auch die Kommunikation zwischen mobilen Anwendungen und Geräten motiviert.

Die Einführung einer höheren Bandbreite für ein breites Publikum bietet Herstellern und Entwicklern zusätzliche Möglichkeiten für neue Technologien. Diesen Wettbewerb sollte die Immobilienwirtschaft aktiv gestalten. Ähnlich wie im Proptech-Sektor, in dem viele etablierte Immobilienunternehmen bereits als Investor und Pilot für neue Anwendungen zur Verfügung stehen, sollte sich die Branche auch in der IoT-Entwicklung einbringen. Schließlich lösen Hersteller Probleme, die in unseren Gebäuden entstehen. Der Entwickler-Marathon, der nun zu erwarten ist, ist also ebenfalls eine große Chance für unsere Branche.

DER AUTOR DR. ALEXANDER HELLMUTH Manager, Ernst & Young Real Estate GmbH, Berlin
Dr. Alexander Hellmuth , Manager, Ernst & Young Real Estate GmbH, Berlin

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