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CHANCEN UND HERAUSFORDERUNGEN VON BLOCKCHAIN IM MAKLERGESCHÄFT

Guido Nabben Quelle: German Property Partners

Blockchain gilt mittlerweile auch in der Immobilienwirtschaft als Technologie mit enormem Disruptionspotenzial. So entwickelt aktuell eine wachsende Zahl etablierter Unternehmen wie auch Start-ups Blockchain-basierte Anwendungen, die für Maklerhäuser relevante Geschäftsfelder berühren. Von Multi-Listing-Systemen für Immobilien, Smart Contracts und Digital Identities bis hin zu digital abrufbaren Grundbucheinträgen und beschleunigter Due Diligence: Blockchain verspricht in der Theorie eine effizientere, transparentere und schnellere Durchführung von Transaktionen und Vermietungsgeschäften. In der Praxis ist es jedoch für Immobiliendienstleister erstmal eine enorme Herausforderung, die riesigen Datenmengen zu verwalten. Der Autor gibt eine realistische Einschätzung über die Potenziale der Technologie im Makler- und Beratergeschäft. Red.

Eine Immobilientransaktion oder ein Vermietungsgeschäft einfach per Knopfdruck innerhalb weniger Stunden realisieren - was sich noch nach ferner Zukunftsmusik anhört, könnte über Blockchain-basierte Anwendungen Realität werden. Weder wäre der Gang zum Notar oder das Anfordern eines Grundbuchauszugs erforderlich, noch müssten die Daten und Informationen der Immobilie mühevoll zusammengetragen und dazu reihenweise Papierordner gewälzt werden. Und der ganze Prozess würde nicht nur schnell abgewickelt werden, sondern auch für alle Parteien transparent und sicher.

Technologische Innovation mit disruptivem Potenzial

Die Blockchain-Technologie, auf deren Prinzip Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum basieren, ist derzeit in aller Munde. Nicht wenige Beobachter gehen davon aus, dass sie die eigentliche Innovation hinter dem Bitcoin-Hype ist und messen ihr ein disruptives Potenzial bei, das in einigen Branchen wie der Immobilienwirtschaft zu tiefgreifenden Umwälzungen führen könnte. So wurden seit Jahresbeginn bereits über 1,8 Milliarden US-Dollar in die Technologie investiert und sogar erste Blockchain-Fonds aufgelegt. Unlängst verkündete außerdem die Bundesregierung, eine Blockchain-Strategie entwickeln zu wollen.

Während die einen bereits in Zukunftsszenarien denken und konkrete Schritte in Angriff nehmen, bemängeln Kritiker einen Investorenrausch; die Technologie biete Lösungen für Probleme, die in der Immobilienwirtschaft eigentlich nicht existierten, und sie sei eine Spielerei. Wie sieht es also mit dem Einsatz der Technologie jenseits der verschiedenen Gedankenschlösser aus? Und führen Szenarien wie das oben genannte am Ende dazu, dass Intermediäre obsolet werden?

Aussicht auf beschleunigte Prozesse

Eine Reihe von Blockchain-Projekten unterschiedlicher Marktakteure vom Start-up bis zur öffentlichen Hand deutet an, wo die Reise in Zukunft hingehen könnte. Aus Maklerperspektive interessant sind beispielsweise Blockchain-Lösungen, die Bewirtschaftungsprozesse wie Immobilientransaktionen, Vermietung, Finanzierung und Verwaltung vereinfachen und beschleunigen würden. Die involvierten Parteien sind mit fragmentierten Datensätzen konfrontiert: Relevante Objektinformationen wie die Transaktionshistorie, Mietverhältnisse, Objektdaten und die Identitäten der Parteien liegen in den Händen verschiedener Drittparteien und sind größtenteils papierbasiert. Das mindert die Datenqualität und maximiert gleichzeitig den Aufwand der komplexen Prüfprozesse.

Die Datenberge werden zudem immer größer. Schließlich erzeugen moderne Technologien beispielsweise über Sensoren laufend zusätzliche Informationen, die in das Asset und Property Management einer Immobilie einfließen. So werden inzwischen für Objekte wie den Frankfurter Messeturm etliche Regalmeter an Akten benötigt. Diese bei einer Transaktion oder Vermietung im Rahmen der Due Diligence zusammenzutragen und auszuwerten, bindet enorme Kapazitäten, Zeit - und damit Geld.

Weg zur einheitlichen digitalen Immobilienakte

Die Blockchain als dezentrale und zugleich transparente Datenbank bietet hier die Möglichkeit, diese Datensätze für alle Beteiligten nachvollziehbar und nahezu fälschungssicher zu hinterlegen. Das könnte sowohl über eine Federated Blockchain als auch eine Private Blockchain erfolgen. Während für Letztere nur eine Person beziehungsweise ein Unternehmen verantwortlich ist, sind es in der Federated Blockchain ganze Gruppen von Unternehmen beziehungsweise Konsortien. Bei beiden Typen werden die Informationen, Zugänge und Autorisierungsrechte der Akteure über die Vergabe von Berechtigungen der Blockchain, sogenannten "permissioned ledgers", klar reguliert und als digitale Identität erfasst. Das weist allen Parteien klare Rollen (und Rechte) zu.

Am Ende könnte dann eine einheitliche, digitale Immobilienakte stehen, welche die Immobilienkerndaten nahtlos abbildet und über die Blockchain in Echtzeit abrufbar ist - ein Quantensprung im Vergleich zum aktuellen Status. Daten könnten schnell und einfach ausgetauscht und damit Prozesse verschlankt und vereinheitlicht werden und Netzwerke oder Konsortien so gezielt Synergieeffekte heben. Infolgedessen könnten auch in einem europäischen Rahmen grenzüberschreitende Transaktionen wesentlich einfacher durchgeführt werden. Sogenannte Smart Contracts, also selbstausführende Verträge, sind dabei wichtige Bausteine. Sie bezeichnen Programmcodes, die nach dem Wenn-Dann-Prinzip funktionieren: Beim Eintritt bestimmter Bedingungen - wie einer Kaufpreiszahlung - führt sich der Code und damit Vertrag - beispielsweise der Transaktionsprozess - ohne eine Prüfung durch Intermediäre aus. Jede Änderung wird also automatisch verarbeitet, ohne dass der Vertrag dafür neu aufgesetzt werden muss. Auf diese Weise können im Zusammenspiel mit digitalen Signaturen und der digitalen Immobilienakte vor allem standardisierte, kleinteilige Prozesse vereinfacht und letztlich automatisiert werden.

Die Machbarkeitsprüfung von An- und Verkäufen würde sich signifikant beschleunigen und gleichzeitig die Transparenz erhöht. So unterstützt, könnten sich Makler und Juristen von Anfang an auf komplexere Probleme konzentrieren. Damit ließen sich die Zeit zwischen Signing und Closing bei Transaktionen und somit auch Kosten deutlich reduzieren. Im Vermietungsgeschäft könnten Smart Contracts die Beziehung zwischen Vermietern und Mietern regulieren. Beispielsweise könnte in einem ersten Schritt das Abrechnungswesen für die Nebenkosten über Smart Contracts Schritt um Schritt automatisiert werden. Durch das automatisierte Ausfüllen der Dokumente werden dabei Fehler vermieden und Zeit eingespart.

Anwendungsbeispiel "digitales Grundbuch"

Ein Anwendungsbeispiel, das die Chancen aber auch Limitierungen der Blockchain aufzeigt, sind aktuelle Versuche zur Entwicklung eines Blockchain-basierten Grundbuchs. Vor allem Staaten wie Dubai, Indien, Ghana und Georgien, in denen eine amtliche Grundstücksverwaltung bislang nicht existiert oder nur bruchstückhaft vorhanden ist, arbeiten an der Einführung eines solchen Grundbuchs. Aber auch der digitale Vorreiter Schweden probt die Umstellung des Katasteramts auf eine Blockchain-Lösung: Das Start-up Chromaway sowie Unternehmen aus der Telekommunikations-, Finanz- und Technologiebranche legten eine geschlossene Blockchain auf, die bereits die ersten Pilotversuche durchlaufen hat.

Der Prozess sieht wie folgt aus: Alle Marktakteure des Transaktionsprozesses registrieren sich zunächst über eine App. Die geschützte und damit fälschungssichere Beglaubigung von Rolle und Identität erfolgt in der Blockchain. Ebenso wird die Transaktion mit Treuhand und Zahlung auf der Blockchain hinterlegt, nachdem sie per Knopfdruck vom Smartphone aus getätigt wurde. Am Ende ist nicht nur die Transaktion als Block dezentral digitalisiert, sondern es sind auch alle Teilnehmer mit einer digitalen Signatur hinterlegt. Da die nachgeschaltete Kette die vorgelagerte Transaktion verifiziert, sind die Daten unveränderbar. Via Blockchain können die Parteien mittels ihrer digitalen Signatur zukünftig per Tastendruck automatisiert weitere Transaktionen tätigen und Informationen austauschen, ohne langwierige Prüfprozesse.

Rechtliche und technische Hürden

Dadurch beschleunigt sich die Übertragung von Besitzverhältnissen deutlich: von einigen Monaten auf nur wenige Stunden. Über die dezentrale Speicherung haben zudem alle registrierten Parteien Zugriff auf die Datensätze, können diese in Echtzeit auswerten und Änderungen jederzeit nachvollziehen. Was technisch durchaus bereits im Rahmen des Machbaren liegt, stößt allerdings bei der Implementierung auf rechtliche, technische und vor allem gesellschaftliche Hürden. Viele Ideen sind angesichts der rechtlichen Rahmenbedingungen nicht realisierbar. So auch die schwedischen Bemühungen für ein digitales Grundbuch: Digitale Signaturen als Grundlage für Smart Contracts sind nach schwedischem Recht nicht wirksam für die Abwicklung von Veränderungen bei Besitzverhältnissen. In Deutschland wiederum ist nach geltendem Recht der durch die Blockchain geschaffene Erwerbsakt für die Rechtsschaffung nicht ausreichend wirksam. Hier setzen Notare und Grundbuchämter der Technologie durch hohe Prüfstandards Grenzen.

Darüber hinaus gilt: Die Automatisierung bestimmter Prozesse funktioniert, solange diese kleinteilig und standardisiert sind. So könnte die Blockchain beispielsweise bei Vermietungsprozessen von Wohnungen oder Co-Working-Spaces einen Mehrwert bringen. Je aufwendiger und komplexer jedoch die Vermietung oder Transaktion ist, desto wichtiger werden intensive Beratungsleistung, Erfahrung und Know-how. Es ist auf absehbare Zeit nicht möglich, dass ein Programmcode alle Fragestellungen und Eventualitäten einer hochkomplexen Portfoliotransaktion in einem Smart Contract bündeln und ohne menschlichen Zugriff automatisieren kann. Spätestens an diesem Punkt kommen spezialisierte Intermediäre wie Makler, Juristen und Ingenieure mit ihrem Wissen ins Spiel.

Bis ein solches System ins Laufen kommt, muss zunächst eine Unmenge an Daten digitalisiert und standardisiert werden. Blockchain gewährt nur die Authentizität der Daten, nicht deren Qualität. Verwendet eine Partei den Standard gif und die andere DIN, ist die Immobilienakte zwar digitalisiert und in der Blockchain hinterlegt, aber fehlerhaft und so praktisch nicht nutzbar. Gleiches gilt bei der Erfassung unvollständiger Datensätze. Zudem stellt sich die Frage, wer die Daten digitalisiert und deren Qualität kontrolliert. Problematisch wird das Ganze vor dem Hintergrund der Unveränderlichkeit der Daten. Hier müssten zunächst alle Marktteilnehmer allgemein verbindliche Spielregeln festlegen. Was im Rahmen eines eng umgrenzten Netzwerks vielleicht realisierbar wäre, wird auf Branchenebene zu einer Herkulesaufgabe. Diesen (Markt-)Konsens herzustellen, ist mit einem erheblichen Zeit- und Kostenaufwand verbunden.

Persönlicher Kontakt ist nicht ersetzbar

Der vielleicht wichtigste Faktor ist aber die soziale Akzeptanz. Die Blockchain bleibt eine Technologie, deren Umsetzung letztlich an der Anerkennung der Gesellschaft und ihrer Marktteilnehmer hängt. Bis sie ihr disruptives Potenzial umsetzen und aus dem Konjunktiv treten kann, ist es noch ein weiter Weg. Vor allem in der Immobilienbranche ist eine vollständige Disruption durch solche digitalen Technologien daher unwahrscheinlich. Zwar kann die Blockchain dazu beitragen, bestimmte Prozesse zu beschleunigen. Doch letztlich bleibt das Berater- und Maklergeschäft ein "People Business", das auf persönlichen Kontakten, kontinuierlichen Austausch und auf Vertrauen basiert. Dies kann kein IT-System ersetzen.

DER AUTOR GUIDO NABBEN, Sprecher, German Property Partners (GPP), Hamburg
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