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DEUTSCHLAND: WEITERHIN SEHR LEBHAFTE INVESTMENTMÄRKTE

Sven Stricker, Foto: BNP Paribas Real Estate GmbH

Allen Damoklesschwertern zum Trotz zeigt sich der deutsche Immobilienmarkt weiter in sehr guter Verfassung. Insbesondere die anhaltend hohen Investmentaktivitäten, gepaart mit einem starken Vermietungsmarkt, sind Beleg für die positive Stimmung und das ungebrochene Vertrauen der Anleger in die Assetklasse. Nach Einschätzung des Autors dürfte sich daran so schnell auch nichts ändern, denn gerade in unsicheren Zeiten wie diesen kämen die Vorzüge der Immobilie als eine der renditestärksten, am wenigsten schwankungsanfälligen und damit sichersten Assetklassen zum Tragen. Red.

Die Investmentmärkte trotzen einer ganzen Reihe von potenziellen Störfaktoren und sind weiterhin von einer starken nationalen wie internationalen Nachfrage geprägt. Im ersten Halbjahr 2019 wurden bundesweit über 24,4 Milliarden Euro in Gewerbeimmobilien investiert. Damit liegt das Ergebnis nur gut sechs Prozent unter dem sehr guten Vorjahresresultat und stellt den dritthöchsten Umsatz der letzten zwölf Jahre dar. Rechnet man noch die Investitionen in Wohnimmobilien (ab 30 Einheiten) hinzu, die sich auf gut sieben Milliarden Euro belaufen, ergibt sich ein Gesamtumsatz von gut 31,4 Milliarden Euro.

Neuer Rekord bei Single Deals

Wie stark die Nachfrage weiterhin ist, wird dadurch unterstrichen, dass die erst im vergangenen Jahr aufgestellte Bestmarke mit Single Deals noch einmal übertroffen wurde. Insgesamt wurden gut 20,1 Milliarden Euro in Einzelobjekte investiert, deren Anteil am Gesamtergebnis sich damit auf rund 82 Prozent beläuft. Der Portfolioumsatz fällt dagegen mit 4,3 Milliarden Euro rund 29 Prozent niedriger aus als im Vorjahr. Dies ist das geringste Volumen der vergangenen sechs Jahre. Hieraus lässt sich aber nicht ableiten, dass die Käufer kein Interesse an Paketverkäufen haben.

Verantwortlich sind vielmehr zwei Aspekte. Dies ist zum einen ein viel zu geringes Angebot an großvolumigen Portfolios und zum anderen die Tatsache, dass - anders als in den Jahren vor der Finanzkrise - keine Portfoliobereinigungen stattfinden, bei denen schwierige Objekte zu Paketen geschnürt auf den Markt gebracht werden. Auch dies spricht dafür, dass die Investmentmärkte nach wie vor durch ein hohes Maß an Rationalität gekennzeichnet sind.

Der Anteil ausländischer Investoren ist im zweiten Quartal zwar etwas gestiegen, liegt im langjährigen Vergleich mit knapp 39 Prozent aber immer noch auf einem relativ niedrigen Niveau. Ausschlaggebend für diese Situation ist das verhältnismäßig geringe Transaktionsvolumen mit Portfolios, da ausländische Anleger in diesem Marktsegment traditionell überproportional beteiligt sind. Absolut betrachtet haben sie mit rund 9,4 Milliarden Euro im ersten Halbjahr aber rund ein Viertel mehr investiert als im Schnitt der letzten zehn Jahre.

Auch dies kann als Indiz dafür gewertet werden, dass das grundsätzliche Interesse unverändert hoch ist, sobald ein für sie passendes Produkt am Markt ist. Am aktivsten waren europäische Käufer, die knapp ein Viertel zum Umsatz beisteuern, gefolgt von nordamerikanischen Anlegern, die auf gut acht Prozent kommen. Investoren aus Asien (drei Prozent) und dem Nahen Osten (zwei Prozent) bleiben hinter ihren Ergebnissen aus den Vorjahren zurück. Auch hier spiegelt sich das zu geringe Produktangebot gerade im Portfoliobereich wider.

Prinzipiell ist aber davon auszugehen, dass der Anteil ausländischer Käufer etwas steigen wird. Ein Grund dafür ist darin zusehen, dass sie zunehmend auch im hochpreisigen Premiumsegment als Wettbewerber für institutionelle deutsche Core-Investoren auftreten. Während Letztere vor allem an sicheren Cashflows interessiert sind und deshalb auch hohe Preise akzeptieren, stehen für ausländische Investoren stärker Wertsteigerungspotenziale im Zusammenhang mit den weiter steigenden Mieten an den Topstandorten im Vordergrund.

Gute Stimmung ist rational begründet

Sowohl die Stimmung als auch das konkrete Transaktionsgeschehen auf den Investmentmärkten sind also weiterhin gut, trotz einer ganzen Reihe von globalen Störfaktoren und Krisenherden. Die Frage, die sich anschließt, lautet: Warum zeigen sich die Märkte bislang relativ unbeeindruckt von einem sich ändernden Umfeld? Die auf den ersten Blick vielleicht etwas überraschende Dynamik der Märkte macht rational durchaus Sinn: Gerade in einer Welt mit zunehmenden ökonomischen und vor allem auch politischen Unsicherheiten stellen Immobilien trotz des mittlerweile hohen Preisniveaus eine der renditestärksten, am wenigsten schwankungsanfälligen und damit sichersten Assetklassen dar. Daran ändert auch das sich eintrübende gesamtwirtschaftliche Umfeld bislang noch nichts.

Zwar wurden die BIP-Prognosen für Deutschland mehrmals nach unten korrigiert, noch sind aber wichtige Eckpfeiler vergleichsweise stabil. Zu nennen sind hier unter anderem die sehr gute Beschäftigungssituation oder der private Konsum. Von echtem Krisenmodus ist die deutsche Wirtschaft demzufolge noch weit entfernt. Gerade für institutionelle Core-Anleger, für die starke Wertveränderungen ihrer Anlagen gravierende Auswirkungen haben können, stehen Immobilieninvestitionen demzufolge weiter im Blickpunkt. Gestützt wird das ohnehin große Interesse der Anleger natürlich durch die unverändert guten Finanzierungsbedingungen, an denen sich mittelfristig kaum etwas ändern dürfte.

Hinzu kommt, dass sichere Alternativanlagen (wie AAA-Staatsanleihen) vielfach wieder im negativen Bereich notieren. Gleichzeitig ist die weitere Entwicklung der Aktienmärkte nur schwer vorherzusagen und hängt von vielen offenen Fragen ab, zum Beispiel, ob der Zollstreit zwischen den USA und China sowie den USA und Europa gelöst werden kann, ob es einen harten oder vertraglich geregelten Brexit geben wird und ob die Krisen im Nahen Osten eskalieren oder nicht. Für Investoren, die eine vergleichsweise auskömmliche Rendite bei kalkulierbarem Risikoprofil anstreben, geht vor diesem Hintergrund weiterhin kein Weg an Immobilien vorbei.

Davon profitieren grundsätzlich alle Assetklassen, wenn auch in unterschiedlichem Umfang. Retail-Investments sind und bleiben auch im E-Commerce-Zeitalter nach dem Office-Segment das zweitwichtigste Standbein des gewerblichen Investmentmarkts: Mit 5,4 Milliarden Euro können sie nicht nur ihren Umsatzanteil (22 Prozent) gegenüber den anderen Assetklassen ausbauen, sondern das Ergebnis des vergleichbaren Vorjahreszeitraums um 15 Prozent toppen, wobei die vollständige Übernahme der Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof durch Signa überproportional zu Buche schlägt. Auch der seit einigen Jahren anhaltende Run von Investoren auf Logistikimmobilien hat sich fortgesetzt. Zwar wurde das Vorjahresergebnis um rund elf Prozent verfehlt, jedoch markiert das Transaktionsvolumen von 2,67 Milliarden Euro den drittbesten jemals registrierten Halbjahreswert. Mit gut einer Milliarde Euro weisen sie, ähnlich wie der Einzelhandel, einen vergleichsweise hohen Portfolioanteil auf. Auch Hotels können mit einem Umsatz von 1,63 Milliarden Euro das Niveau der erfolgreichen Vorjahre grundsätzlich halten. An Bedeutung gewinnt auch das Segment der Healthcare-Immobilien, auf die in den ersten sechs Monaten 951 Millionen Euro entfallen, was einem Anteil von knapp elf Prozent am Gesamtumsatz entspricht.

Büro bleibt Everybody's Darling

Angeführt wird die Rangliste unverändert von Büroimmobilien, auf die gut 11,5 Milliarden Euro entfallen, womit sie erneut fast die Hälfte des Umsatzes stellen. Lediglich gut 230 Millionen Euro hiervon entfallen auf Paketverkäufe. Dieser Wert wird sich im zweiten Halbjahr aufgrund einiger großer im Markt befindlicher Transaktionen aber spürbar erhöhen. Eindeutig beherrscht wurde das Marktgeschehen demzufolge von Einzeldeals, die mit knapp 11,3 Milliarden Euro sogar eine neue Bestmarke aufgestellt haben. Wichtigste Treiber dieser dynamischen Entwicklung waren großvolumige Transaktionen.

Bereits in den ersten sechs Monaten wurden 25 Verkäufe im dreistelligen Millionenbereich registriert, die für gut die Hälfte des Gesamtumsatzes verantwortlich zeichnen. Wesentlich dazu beigetragen haben die deutschen A-Standorte. Auch wenn sie die im vergangenen Jahr aufgestellte außergewöhnliche Bestmarke um 13 Prozent verfehlt haben, bedeuten 13,8 Milliarden Euro immer noch das zweitbeste Transaktionsvolumen der letzten zehn Jahre. Bemerkenswert ist vor allem die Entwicklung Berlins: Mit gut 5,2 Milliarden Euro wurde ein neuer Fabelrekord aufgestellt, der rund zwei Drittel über der erst im Vorjahr erzielten bisherigen Rekordmarke liegt.

Die ausgesprochen positive Entwicklung der Büroinvestments wird nicht zuletzt auch von der starken Performance der Nutzermärkte getrieben. Der Büroflächenumsatz lag im ersten Halbjahr 2019 nur knapp unter der Marke von zwei Millionen Quadratmetern. Damit wurde ein neues Allzeithoch aufgestellt und das Vorjahresergebnis um acht Prozent übertroffen. Für diese auf den ersten Blick überraschende Situation gibt es mehrere Gründe: Zum einen setzt sich das Beschäftigungswachstum fort, wenn auch deutlich verlangsamt, sodass der Arbeitsmarkt bislang kaum vom schwächeren Wirtschaftswachstum in Mitleidenschaft gezogen wird. Hinzu kommt, dass viele Unternehmen vor dem Hintergrund eines spürbar an Bedeutung gewinnenden War for Talents versuchen, ihre Mitarbeiter auch in etwas schwächeren Marktphasen zu halten und ihnen gleichzeitig gut angebundene und attraktive Arbeitsplätze zu bieten. Auch diese Situation führt zu positiven Impulsen für die Büromärkte.

Die spannende Frage ist, wie sich die Investmentmärkte im Zusammenhang mit den aktuellen Rahmenbedingungen weiterentwickeln werden. Vor dem Hintergrund der momentan unverändert hohen Investorennachfrage und der Tatsache, dass sich viele großvolumige Deals in konkreter Vermarktung befinden, ist auch für das zweite Halbjahr ein überdurchschnittliches Transaktionsvolumen zu erwarten. Schwieriger einzuschätzen ist die mittelfristige Perspektive. Sollten Deutschland und/oder Europa in eine echte Rezession rutschen oder potenzielle Risikofaktoren, wie der Brexit, der Zollstreit, oder internationale Krisenherde, eskalieren, hätte dies sicherlich Auswirkungen auf die Nutzernachfrage in Deutschland, was voraussichtlich mit einer etwas vorsichtigeren Haltung auf Anlegerseite einhergehen würde.

Produktpalette wird breiter und bunter

Andererseits werden die sehr günstigen Finanzierungsbedingungen aus heutiger Sicht noch länger Bestand haben und Immobilien damit im Vergleich zu anderen Assetklassen selbst bei einem schwierigeren Umfeld prinzipiell attraktiv bleiben. Außerdem tragen wichtige gesellschaftliche Trends, wie beispielsweise der demografische Wandel, eine steigende Mobilität, sich ändernde Lebens- und Arbeitswelten oder der zunehmende Onlinehandel, dazu bei, dass bisherige Nischenmärkte, wie Mikroapartments, Pflegeimmobilien, Student-Housing oder trendige Hotelkonzepte, zunehmend interessanter werden und die Produktpalette für Immobilieninvestoren breiter und bunter geworden ist. Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass es noch nie so schwierig war, in die Zukunft zu schauen, wie momentan. Unbestritten ist aber, dass deutsche Immobilien für Investoren auch mittelfristig prinzipiell interessant bleiben werden.

DER AUTOR SVEN STRICKER, Geschäftsführer und Co-Head Investment, BNP Paribas Real Estate GmbH, Berlin
Sven Stricker , Geschäftsführer und Co-Head Investment , BNP Paribas Real Estate GmbH, Berlin
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