MIPIM-SPECIAL

DEUTSCHLANDS ZUKUNFTSSTÄDTE: DARAUF MÜSSEN INVESTOREN BEI DER STANDORTSUCHE NEUERDINGS ACHTEN

Gabriele Volz Quelle: Willy Generotzky

Gerade im Bereich der direkten Immobilienanlage können Fehlentscheidungen kostspielige Folgen für institutionelle Investoren nach sich ziehen. Die Chancen von morgen zu identifizieren ist somit ein ebenso wichtiges wie komplexes Anliegen, sind die zu berücksichtigenden Faktoren doch schier endlos. Die im folgenden Beitrag vorgestellte Studie hat den Versuch unternommen, mithilfe von etwa 30 Indikatoren die Zukunftsfähigkeit deutscher Ballungszentren im Detail zu untersuchen. Die hier vorgestellten Ergebnisse dürften für einige Leser durchaus unerwartet sein. Wer hätte beispielsweise gedacht, dass ein derzeit so heiß begehrter Immobilienmarkt wie Berlin es nicht in die Top 10 des Ranking geschafft hat? Die Autoren erklären, woran das liegt und worauf es für deutsche Städte wirklich ankommt, um auch im Jahr 2040 noch attraktiv zu sein. Red.

Demografie, Wirtschaftskraft, Leerstandsquote - die Kriterien, mit denen wir die Attraktivität von Standorten beurteilen, greifen zu kurz. Bei der Beurteilung, ob es sich um eine geeignete Lage handelt oder nicht, ist eine ganze Bandbreite an Faktoren von Bedeutung, von denen bisher in den seltensten Fällen alle mitbedacht wurden. Es geht um eine ganzheitliche Betrachtungsweise.

Bei der Wahl nach dem passenden Immobilienstandort spielen traditionelle Aspekte wie Ökonomie und Sozioökonomie nur eine untergeordnete Rolle. Faktoren wie der Lebenswert, die Dynamik und die Umwelttauglichkeit in unseren urbanen Zentren gewinnen an Bedeutung. Wie wichtig dynamisch agierende Städte sind, wird anhand des Beispiels der Digitalisierung deutlich. Wir müssen uns mit ihr auseinandersetzen. Wenn wir den Technologie-Prozess nicht aktiv begleiten, laufen wir über kurz oder lang den Ereignissen hinterher.

Hilfe von der Wissenschaft für die Immobilienanalyse

So ist es auch bei der Entwicklung unserer Städte. Wir sollten sie daraufhin prüfen, wie flexibel und widerstandsfähig sie sein sollten, um als Investmentstandort an Attraktivität zu gewinnen. Dabei reicht es nicht aus, mit alten Schablonen auf dieses oder das nächste Jahr zu gucken. Wer längerfristig investieren will, benötigt einen Ausblick auf die kommenden zwei Jahrzehnte und auf ausgewählte Standorte.

Einen wichtigen Hinweis auf geeignete Immobilienstandorte der Zukunft könnte die Studie "DNA des Erfolges. Stadt der Zukunft 2040" liefern. Sie entstand auf Initiative von Wealthcap und wurde vom Fraunhofer Institut und dem MLI Leadership-Institut erstellt. Es wurden 30 deutsche Zuzugsstädte anhand von etwa 30 Kriterien untersucht.

Der Studentenanteil einer Stadt spielt dabei genauso eine Rolle wie etwa der Anteil erneuerbarer Energien, die Zahl der Firmenneugründungen genauso wie die Arbeitslosenquote. Es gibt keine unwichtigen Faktoren, vielmehr führt erst eine Fülle jeweils positiver Bewertungen zu einem aussagefähigen Gesamtergebnis.

Ein überraschendes Ergebnis

Kernstück der Untersuchung bildet das Ranking von 30 Großstädten. Das Ergebnis dürfte Investoren überraschen: Nicht etwa eine der größten sieben deutschen Städte rangiert an erster Stelle, sondern das mittelgroße Karlsruhe mit seinen Universitäten und Forschungseinrichtungen. München erzielte den zweiten Platz und ist die einzige Metropole unter den Top-10: Hamburg belegte Platz 13 und Berlin, bekannt als weltweit attraktive Start-up-Metropole, kommt etwas abgeschlagen auf Platz 14.

Insgesamt sind damit neun mittelgroße Städte ins obere Feld gelangt. Das Ranking wird auch als "Morgenstadt City Index" bezeichnet. Er bewertet, inwieweit eine Stadt auch in den nächsten 20 Jahren bedeutsam bleibt. Drei Hauptfaktoren werden nachfolgend aufgeführt.

Faktor Umwelt: Ein schneller Umstieg auf Elektrofahrzeuge kann die Umwelt deutlich entlasten. Voraussetzung dafür ist eine flächendeckende Ladeinfrastruktur. Je besser sie ausgebaut ist, umso rascher gelingt der Wechsel auf ein E-Auto-Modell. Allerdings sind nicht alle Städte gleich weit bei der Entwicklung. Freiburg kommt zwar in der Gesamtplatzierung der Studie auf Platz drei, landet in puncto umweltgerechte Stadt aber nur im Mittelfeld. Bisher in die Wege geleitete Umweltaktivitäten reichen noch nicht aus.

Für die Standortwahl entscheidend: jung, umweltgerecht, innovativ

München wiederum nimmt bei dem Thema einen der vorderen Plätze ein.1) Der Münchener Autokonzern BMW lässt derzeit 20 überwiegend elektrobetriebene Fahrzeuge autonom umherfahren - lediglich zur Sicherheit sitzt derzeit noch ein Fahrer hinter dem Steuer. Die Entwicklungen im Technologiebereich wecken Interesse bei anderen Firmen und beeinflussen den Investmentmarkt für Gewerbeimmobilien positiv.

Einer aktuellen Erhebung zufolge konnte München in den ersten neun Monaten 2017 im Vergleich zum Vorjahr seinen Flächenumsatz im Logistikmarkt um mehr als 30 Prozent zum Gesamtjahr 2016 steigern. Die Spitzenrendite liegt bei 4,7 Prozent.2) Der Umweltaspekt beeinträchtigt somit signifikant die Märkte.

Faktor junge Stadt: Die Zukunftsfähigkeit einer Stadt wird in einer alternden Gesellschaft auch dadurch bestimmt, wie jung sie bleibt. Das Fraunhofer Institut untersuchte deshalb den Wachstumsanteil der 20- bis 34-Jährigen. Je nach Stadt existiert ein höherer Anteil an Studenten in dieser Alterskohorte. Zwar zieht es sie in einem ersten Schritt in die klassischen Universitätsstädte. Viel entscheidender ist aber, ob sie nach der Ausbildung dort bleiben oder wieder wegziehen.

München baut Schuldenlast konsequent ab

Ein urbanes Zentrum sollte darauf bedacht sein, um junge Menschen zu buhlen und dafür zu sorgen, dass sich überwiegend moderne Unternehmen ansiedeln. Firmen gehen am liebsten an solche Standorte, die ihnen qualifizierte Nachwuchskräfte bieten können. Gute Chancen sehen die Forscher etwa für Frankfurt am Main. Der Wohninvestmentmarkt der hessischen Metropole stieg zuletzt auf knapp 2,9 Milliarden Euro in einem Jahr. Das ist mehr als eine Verdopplung gegenüber dem Wert von 2014.3) Faktor Resilienz: Eine Zukunftsstadt sollte solide wirtschaften können. Es geht darum, wie finanziell gesund sie ist und wie krisenfest (resilient) sie dasteht. Schlusslicht der Resilienz-Tabelle ist Mainz.4) Die Stadt in Rheinland-Pfalz hat mit mehr als einer Milliarde Euro eine der höchsten Pro-Kopf-Verschuldungen in Deutschland. Selbst der Bundeshauptstadt gelingt es trotz kontinuierlichem Umsatzplus nicht, einen der vorderen Plätze einzunehmen.

Wegen ihrer anhaltenden hohen Schuldenlast erreicht Berlin nur Platz 18. Ganz anders München (bei Resilienz Platz 3): Der Schuldenhöchststand konnte seit 2005 um fast 78 Prozent reduziert werden. Es sind wieder deutlich mehr Mittel für die Finanzierung der Stadt da. 2018 dürften Projektentwicklungen bei Wohninvestments in München weiter an Bedeutung gewinnen. Sie gehören zu einer der beliebtesten Assetklassen.

Zukunftspotenzial auch in Ostdeutschland

Es ist wichtig, zu wissen, wie gut eine Stadt finanziell und wirtschaftlich aufgestellt ist. Aber als alleiniger Faktor ist das nicht ausreichend. Genauso wichtig ist es, dass sie lebenswert bleibt und über eine junge Bevölkerung verfügt. Entscheidend für Investoren ist zudem die Veränderbarkeit in ihrer baulichen Substanz. Wie könnte künftig anders gebaut werden? Wie wachsen die Bereiche Arbeiten und Wohnen näher zusammen, damit nicht immer mehr Pendler allmorgendlich die Straßen verstopfen und den öffentlichen Nahverkehr teilweise zum Erliegen bringen?

Wenn in unseren Städten mehr Mischgebiete aus Wohnen und Arbeiten entstehen, so kann sich der Stadtbewohner ein Tagesbüro in der Nähe mieten und muss nicht quer durch die Stadt fahren, um dort im Büro zu arbeiten.

Wissenschaftler kommen in ihrer Studie nach intensiver Analyse zu dem Schluss, dass Karlsruhe und München zu den besonders zukunftsfähigen Städten gehören. Frankfurt am Main punktet beim jungen Nachwuchs und bei der Resilienz, aber nicht bei der Innovation (Platz 26). Auch einige ostdeutsche Städte wie Jena, Dresden und Leipzig haben hohes Zukunftspotenzial in Bezug auf Investments in Wohn- und Gewerbeimmobilien. Die Menschen leben und arbeiten gerne in diesen Städten und stärken den Standort. Investoren sollten daher künftig ihren Blick bei der Wahl neuer Standorte schärfen. Die Vielzahl unterschiedlicher Kriterien bietet ihnen eine wichtige Orientierung.

Fußnoten

1) Vgl. WealthCap-Studie, Seite 24

2) Vgl. JLL "Industrial Market Profile", Region München 3. Quartal 2017

3) Vgl. Colliers International "Wohninvestment Update 2017", Frankfurt/Rhein-Main

4) Vgl. faz.net "In der Schuldenfalle"

DIE AUTORIN GABRIELE VOLZ Geschäftsführerin, Wealth Management Capital Holding GmbH, München
DER AUTOR PROF. DR. WINFRIED SCHWATLO Professor für Immobilienwirtschaft, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU)
Gabriele Volz , Geschäftsführerin, Wealthcap Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH, Grünwald

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