Immobilien als Asset

Der europäische Investmentmarkt 2017: Alles eine Frage der Alternativen?

Marcus Lemli

Die Stimmung am europäischen Investmentmarkt ist bestens. Und das, obwohl im vergangenen Jahr auf dem Kontinent ein Rückgang des Umsatzes um 15 Prozent verzeichnet wurde. In Großbritannien beispielsweise liegt das Minus bei 31,4 Prozent, in Deutschland bei 8,7 Prozent. Grund: das geringe Angebot auf diesen beiden Kernmärkten und keinesfalls mangelndes Kapital oder Interesse. Daher sieht der Autor nur einen Ausweg: Investoren müssten sich weiterhin auch auf alternative Anlageprodukte jenseits der herkömmlichen Gewerbeobjekte fokussieren. Als Beispiele werden studentische Wohnanlagen oder Immobilien aus dem Gesundheitssektor wie Pflegeheime genannt. Zur Veranschaulichung führt er in Stichpunkten einige "Geheimtipps" auf. Red.

Der europäische Investmentmarkt befindet sich auf einem sehr hohen Niveau. Mit einem Transaktionsvolumen von 207 Milliarden Euro erreichte das Segment der Gewerbeimmobilien im vergangenen Jahr den dritthöchsten Wert seit 2006. Für einige Länder, nämlich Italien, die Niederlande und Schweden, sprechen wir sogar vom bisher stärksten Investmentjahr. Auch wenn im Vergleich zu 2015 ein Rückgang des europaweiten Umsatzes um 15 Prozent zu verzeichnen ist, kann nicht von geringerem Interesse seitens der Investoren gesprochen werden. Ausschlaggebend für das Schrumpfen des europäischen Gesamtvolumens ist der Rückgang der Investitionsvolumina am britischen und deutschen Markt, die gemeinsam für 55 Prozent der gesamten Investmenttätigkeit 2016 verantwortlich waren.

In Großbritannien sprechen wir von einem Minus um 31,4 Prozent, in Deutschland um 8,7 Prozent. Grund für den Einbruch ist das geringe Angebot auf diesen beiden Kernmärkten, nicht etwa mangelndes Kapital oder Interesse. Lediglich in Großbritannien führt die Diskussion rund um den Brexit zu einer gewissen Zurückhaltung bei Käufern und Verkäufern. Trotz der Verringerung des Transaktionsvolumens bleibt Großbritannien der größte Markt für den Gewerbeimmobiliensektor mit einem Umsatz von 59,1 Milliarden Euro, gefolgt von Deutschland mit 52,7 Milliarden Euro, Frankreich mit 27,4 Milliarden Euro und Schweden mit 14,8 Milliarden Euro.

Status quo der Nachfrage unverändert

Die Ausgangssituation für Investoren auf dem europäischen Markt ist zum einen geprägt von einer mangelnden Produktverfügbarkeit in den Core-Märkten, dem damit einhergehenden starken Wettbewerb um Spitzenassets und zum anderen von einer ungewissen politischen Situation in einigen Ländern. Damit bieten sich zwei Lösungswege: Investoren, die nach wie vor auf den transparenten und sicheren Kernmärkten Vermögen anlegen wollen, müssen verstärkt alternative Assetklassen in Betracht ziehen. Für die Käufer, die klassische Produkte fokussieren, sind Länder wie Polen oder die Niederlande eine Alternative.

In den europäischen Kernmärkten, zu denen Deutschland, Frankreich und Großbritannien gehören, ist zwischenzeitlich ein Punkt im aktuellen Investmentzyklus erreicht, an dem ein Mangel an großvolumigen Qualitätsassets zu einer Abschwächung der Investitionstätigkeit führt. Länder wie Italien, Niederlande und Polen können von der Suche nach Alternativen profitieren. Diese befinden sich noch in früheren Phasen ihrer jeweiligen Zyklen und bieten in einigen Marktsegmenten weiterhin Spitzenrenditen über dem Durchschnittsniveau der europäischen Core-Märkte und damit attraktive Erträge und Potenzial für weitere Renditekompression. Das Ausweichen auf die Nachbarländer findet aber nicht nur wegen der höheren erzielbaren Renditen statt, sondern auch unter dem Aspekt der Risikostreuung und der damit einhergehenden Diversifizierung der Portfolios.

Aufgrund des mangelnden verfügbaren Produktes in den etablierten Assetklassen ist in den europäischen Kernmärkten ein Blick über den Tellerrand notwendig. Investoren werden sich weiterhin auch auf alternative Anlageprodukte jenseits der herkömmlichen Gewerbeobjekte fokussieren müssen. Hierzu gehören die Assets wie studentische Wohnanlagen oder Immobilien aus dem Gesundheitssektor wie Pflegeheime. In einigen dieser Segmente sind die Spitzenrenditen bereits niedrig, bieten sie doch langfristige Ertragsstabilität und Mietwachstumspotenzial. Die Bedeutung alternativer Investmentprodukte hat 2016 im Vergleich zum Vorjahr bereits an vielen Immobilienmärkten deutlich zugenommen: In Norwegen (plus 144 Prozent), Frankreich (plus 14 Prozent), Schweden (plus 31 Prozent), Finnland (plus 30 Prozent) und Deutschland (plus 18 Prozent).

Blick über den Tellerrand nötig

Neben Studentenwohnheimen und Objekten aus dem Gesundheitsbereich spielt der Logistikimmobiliensektor eine zunehmend größere Rolle. Dies spiegelt sich auch in der Vergrößerung des Anteils wider: Von 8,7 Prozent in 2015 auf 10,8 Prozent im vergangenen Jahr. In einigen Ländern lag der Logistikinvestmentbereich sogar zwischen 15 und 20 Prozent: In den Niederlanden bei 20,1 Prozent, in Norwegen bei 17,9 Prozent und in Schweden bei 17,1 Prozent. Es ist zu erwarten, dass dieser Anteil aufgrund des Einflusses durch den Online-Handel europaweit weiter ansteigen wird, denn das Wachstum des E-Commerce ist noch lange nicht vorbei. Eine höhere Retourenquote und der Wunsch nach immer kürzeren Lieferzeiten, ganz nach dem "Same-Day-Delivery"- oder wie es einige Städte schon vor machen "One-Hour-Delivery" - Motto, wird den Bedarf nach Logistikflächen erhöhen.

Objektqualität und Mikromerkmale entscheidend

Langfristig sind Logistikimmobilien jedoch nicht mehr als alternative Assetklasse zu bezeichnen, sondern werden als Segment Teil der Traditionals, da sie bereits jetzt immer mehr einen Bestandteil von institutionellen Portfolios bilden.

Der zunehmende Wettbewerb um das begrenzte Produktangebot wird dazu führen, dass die Wahl des Landes an Bedeutung verliert und der Fokus der Investoren künftig mehr auf den Assets selbst liegt. Das zeigt das Ausweichen auf die Alternativen, sei es nun Standort oder Segment. Objektqualität und Mikromarktmerkmale stehen im Fokus bei der Selektion sowohl von Spitzen- als auch Value-Add-Investments in allen Regionen.

Grundsätzlich bleibt abzuwarten, ob das Jahr 2017 unerwartete Erschütterungen in der europäischen Politikoder Finanz arena bereithält. In jedem Fall werden Immobilien in Europa sowohl für europäische Investoren ein Thema sein, die an weniger volatilen Investments und höheren Erträgen interessiert sind als auch für internationale Investoren, denen Diversifizierung wichtig ist.

Der Autor Marcus Lemli Vorsitzender der Geschäftsführung, Savills Immobilien Beratungs-GmbH, Frankfurt am Main
Savills: Topspots für den europäischen Investmentmarkt 2017 Core- Büroimmobilien in Lagen außerhalb des CBDs und in regionalen Märkten: Da die meisten Investoren um dieselben Assets in denselben Lagen konkurrieren, verknappen sich die Kaufgelegenheiten, was in der Folge zu steigenden Preisen führt. Die Investoren werden daher, ihren geografischen Radius erweitern in Richtung weniger hochwertiger Lagen und regionaler Märkte, in denen Spitzen assets leichter verfügbar sind, der Wettbewerb geringer ist und die Renditen höher sind.- Spekulative Büroentwicklungen: In Core-Märkten, in denen Spitzenassets sowohl in den Vermietungs- und Investmentmärkten gleichermaßen rar sind, wird die Finanzierung spekulativer Bauprojekte zunehmend attraktiv. Die Büropipeline für 2017 sieht ein Plus von 25 Prozent an Neubauprojekten vor, von denen die meisten bereits vorvermietet sind.- Wohnimmobilien in den nordischen Ländern: Deutschland und den Niederlanden. Hier hat ein starker Urbanisierungstrend bei gleichzeitig geringer Neubautätigkeit zu einem großen Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage geführt. Ebenso sind die gesetzlichen Regelungen für Eigentümer vor allem hinsichtlich Mietanpassungen unkompliziert.- Dominante Einkaufszentren: Die Einzelhandelsumsätze sind rückläufig, das Jahreswachstum in den EU 28 wird auf durchschnittlich 1,8 Prozent prognostiziert - gegenüber 2,5 Prozent im Vorjahr. Gleichzeitig wird mit einem Anstieg des Online-Umsatzes um etwa 16 Prozent gerechnet, was den Rückgang der Ladenumsätze und ebenso die Probleme der Einzelhändler in B-Lagen erklärt. Spitzenlage im heutigen Konsumentenverständnis bedeutet "nebenan" mit Lieferzeiten von maximal einer Stunde. Gut funktionierende außerstädtische Einkaufszentren haben einen hohen Lebensmittelanteil und bieten Freizeiteinrichtungen sowie weitere Dienstleistungen, die das Interesse der Kunden wecken und diese veranlasst, in ihr Auto zu steigen und Zeit im Zentrum zu verbringen.Value-Add- City-Logistik: Aufgrund des steigenden E-Commerce-Anteils gewinnen Logistikimmobilien 2017 weiter an Bedeutung. Vor allem die Nachfrage nach kleinen Einheiten in Innenstadtnähe. In den letzten Jahren hat sich die Anlieferung von Waren in die Städte aufgrund der hohen Verkehrsdichte sowie der Schadstoffbegrenzungswerte als zunehmend schwierig erwiesen. Wir gehen von einer steigenden Nachfrage in allen großen Städten aus, jedoch werden sich die Investoren auf diejenigen konzentrieren, für die steigende Einzelhandelsumsätze prognostiziert werden (vor allem London, Paris, Stockholm und Düsseldorf).- Studentische Wohnanlagen in Märkten mit steigender Anzahl internationaler Studenten: In Großbritannien, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Spanien, Österreich und Portugal steigt die Zahl internationaler Studenten. Geringes Angebot bei gleichzeitig steigender Nachfrage regt die Neubautätigkeit an, wodurch sich neue Chancen für Investoren eröffnen.- Gesundheitsimmobilien in Deutschland, Frankreich und den nordischen Ländern: Vor allem Pflegeheime in Deutschland, Frankreich und Finnland verzeichneten 2016 Investitionsvolumina in Rekordhöhe. Altersdemografie, hoher Urbanisierungsgrad und überdurchschnittlich wohlhabende Bevölkerung sind positive Rahmenbedingungen für Investoren.Opportunistisch- Rechenzentren in den nordischen Ländern, Großbritannien und Belgien: Das Cloud-Wachstum lässt unmittelbar den Bedarf an Rechenzentren steigen. Die Anzahl an Multi-Tenant-Objekten steigt, was sinnvoll ist, da eine gemeinsame Nutzung der Infrastruktur - insbesondere bei Strom und Kühlung - Kosten reduziert. Da der Bedarf an Rechenzentren in den nächsten fünf Jahren exorbitant steigen dürfte, interessiert sich eine zunehmende Zahl von Investoren für diese neue Assetklasse. Dies trifft insbesondere auf die nordischen Länder zu - aufgrund ihrer natürlichen Kühlungsressourcen, aber auch der hohen Konnektivität, niedrigeren Stromkosten, reicher Vorkommen an Ökoenergie und letztlich Steuervergünstigungen. Dies ist auch in Großbritannien und Belgien der Fall.- Büroimmobilien in Mittelosteuropa: Seit die Region für ihre gut ausgebildeten, talentierten Arbeitskräfte bekannt wurde, ist eine steigende Zahl von Unternehmen daran interessiert, seine Back-Office-Funktionen in Länder wie Polen, Ungarn, Rumänien und die Slowakei auszulagern, was sich positiv auf die Büroflächennachfrage auswirkt. Investoren ziehen zunehmend langfristige Investments in dieser Region in Betracht. Die hohe und zunehmend hochwertige Neubautätigkeit bietet Investoren gute potenzielle Kaufgelegenheiten.
Noch keine Bewertungen vorhanden


X