Schwerpunkt Europäische Kapitalmarktunion

Europäischen Wirtschaftsraum zukunftsfest gestalten

Liane Buchholz

Bei der Schaffung einer europäischen Kapitalmarktunion darf es aus Sicht der Autorin nicht das Ziel sein, eine fundamentale Neuordnung des europäischen Marktes nach US-Vorbild anzustreben. Dieser unterscheidet sich strukturell von dem europäischen, alleine schon durch das in den Vereinigten Staaten vorherrschende kapitalmarktbasierte Altersvorsorgesystem. Darüber gilt es, auch als Folge der Entwicklung der Finanzmarktkrise zu einer Vertrauenskrise, eine spezifisch europäische, langfristig orientierte Kapitalmarktkultur zu fördern. Um die Banken, die für viele Investoren und Unternehmen entsprechende Leistungen erbringen, in ihren wichtigen und finanzmarktstabilisierenden Funktionen zu unterstützen, ist die Berücksichtigung der Proportionalität zu berücksichtigen. Aufsichtsrechtliche Regelungen und regulatorische Anforderungen sind in angemessener Weise an das Geschäfts- und Risikoprofil anzupassen, um ein ausgewogenes Verhältnis von Kredit- und Kapitalmarktfinanzierung zu ermöglichen. Red.

Die Europäische Kommission hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Ende der aktuellen Legislaturperiode im Jahre 2019 eine umfassende Europäische Kapitalmarktunion zu schaffen. Durch die Errichtung einer integrierten europäischen Marktinfrastruktur sollen grenzüberschreitend Kapitalanlagebedingungen für Investoren verbessert und die langfristige Unternehmens- und Infrastrukturfinanzierung stimuliert werden.

Wichtige und kluge Entscheidung

Einen dauerhaft stabilen und zukunftsfähigen europäischen Wirtschaftsraum zu schaffen und auszubauen, ist eine wichtige und kluge politische Zielstellung der Kommission unter Präsident Jean-Claude Juncker. Dieses Vorhaben begrüßen die Öffentlichen Banken Deutschlands, weil durch die Errichtung einer integrierten europäischen Marktinfrastruktur grenzüberschreitend Kapitalanlagebedingungen für Investoren verbessert und die langfristige Unternehmens- und Infrastrukturfinanzierung stimuliert werden können. Besonders positiv zu bewerten ist, dass - im Gegensatz zur Bankenunion - dieses Vorhaben alle 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union - und nicht nur den Euroraum, sondern auch den wichtigen Finanzplatz London - umfassen soll. Aus der englischen Zielsetzung Capital Markets Union geht schließlich auch die Problemstellung hervor, dass es in Europa 28 fragmentierte Kapitalmärkte gibt, die es gilt anzugleichen.

Von einer europäischen Kapitalmarktunion erwarten die Öffentlichen Banken Deutschlands sowohl neue Finanzierungsmöglichkeiten als auch die Unterstützung bewährter Strukturen. Ein erster Schritt muss daher die differenzierte Analyse der unterschiedlichen Finanzierungssituationen und -traditionen in den Regionen Europas sein. Bei einer möglichen Förderung alternativer Finanzierungswege ist ein wettbewerbsgerechtes Zusammenspiel von Kapitalmarktlösungen und klassischen Bankinstrumenten wichtig.

Schließlich trägt die Vielfalt der Geschäftsmodelle entscheidend zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und Stabilität des Finanzmarktes bei. Für stabile Verhältnisse sind sowohl ein flexibler Kapitalmarkt als auch ein funktionstüchtiger Kreditmarkt notwendig. Neben einem besseren Zugang zu Kapital müssen ebenfalls strukturelle Defizite in der Europäischen Union durch weitere Strukturreformen adressiert werden. Der Fokus der Europäischen Kapitalmarktunion sollte primär auf die Etablierung stabiler und marktfördernder Rahmenbedingungen gerichtet sein, die einen nachhaltig ausgewogenen Wettbewerb zwischen Kreditmarkt und Kapitalmarkt sicherstellen. Daher stimmen wir mit der EU-Kommission überein, dass wechselseitige Effekte bestehender Regulierung untersucht werden müssen, um folgend integrierte Marktinfrastrukturen zu etablieren und geeignete Finanzierungsinstrumente zu fördern.

Regulatorischer Rahmen: ein optionales Kapitalmarktregime

Es ist von außerordentlicher Bedeutung, dass der regulatorische Rahmen die politischen Ziele einer Europäischen Kapitalmarktunion stützt. Dies bedeutet an erster Stelle, dass durch Regulierung keine Markthindernisse entstehen dürfen. Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden und wichtige Finanzierungskapazitäten der Banken zu erhalten, sind kumulative regulatorische Belastungen für Banken festzustellen und zu beseitigen. Eine Gleichbehandlung des wachsenden Direct-Lending-Markets mit der klassischen Kredit- und Kapitalmarktfinanzierung ist zwingend in diese Analyse einzubeziehen, um ein Level Playing Field zu erreichen und neue systemische Risiken durch einen wachsenden Schattenbankensektor zu vermeiden.

Eine europäische Harmonisierung national verankerter Rechtssysteme ist sicher nicht kurzfristig darstellbar. Hier gilt es die Vorzüge tradierter und bewährter Systeme dem Aufwand und Nutzen einer EU-Harmonisierung gegenüberzustellen und zu bewerten. Zur Förderung eines grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs ist eine integrierte europäische Marktinfrastruktur mit einem einheitlichen Rechtsrahmen dennoch von herausragender Bedeutung. Eine harmonisierte Setzung von Kapitalmarktstandards ist im Sinne der höheren Transparenz und Vergleichbarkeit für Investoren wünschenswert. In der Praxis der KMU kann dies jedoch zu einer enormen Komplexität und ressourcenintensiven Belastung führen. Zudem ist gerade in Europa die Struktur der Wirtschaftsbetriebe geprägt durch ein eigentümer- und familiengeführtes Management und - damit einhergehend - eine Zurückhaltung in der breiten Offenlegung unternehmerischer Zahlen.

Reduzierung von Markteintrittsbarrieren

Gleiches gilt auch für kleine Kreditinstitute, die wichtige Partner der KMU sind. Das Prinzip der Proportionalität und Bedarfsgerechtigkeit sollte auch hier weiterhin die Diskussion leiten. Analog dem EU-Gesellschaftsrecht (zum Beispiel der nun sehr erfolgreichen Societas Europae, SE) könnte im Bilanz-, Insolvenzund Steuerrecht ein Rechtsrahmen angeregt werden, der für Wahlfreiheit steht und damit bewährte nationale Rechtssysteme in Europa wie auch individuelle Bedürfnisse reflektiert. Für KMU könnte mit Blick auf die erforderliche Konzernberichterstattung unter Anwendung der Internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS) ein abgestufter Ansatz Erleichterungen beispielsweise bei den Anhangangaben schaffen (vergleichbar der Größenklassifizierung bei der EU-Bilanzierungsrichtlinie).

Hierdurch könnten mögliche Markteintrittsbarrieren deutlich reduziert werden. Die Effekte aus der Verknüpfung mit dem Kapitalmarkt auf die Finanzberichterstattung und Bereitstellung von Finanzinformationen (zum Beispiel bei Prospekten) müssen dabei unbedingt beachtet werden. Daher ist es sehr zu begrüßen, dass in den ersten konkreten Schritten hin zu einer Kapitalmarktunion die Prospektrichtlinie überarbeitet werden soll.

Erfolgsgeschichte Schuldscheindarlehen

Bei der Etablierung europäischer Rahmenwerke für Wertpapierklassen, wie Covered Bonds und Privatplatzierungen, ist die Berücksichtigung von nationalen Standards wichtig, die von Investoren aufgrund der hohen Rechtssicherheit und bewährten Transaktionspraxis geschätzt werden. Gerade die hohen Anforderungen an die Emission deutscher Pfandbriefe sind ein gutes und bewährtes Beispiel, das bei der Setzung von europäischen Standards unbedingt berücksichtigt werden sollte. Ebenfalls gilt es, die positiven Erfahrungen des deutschen Schuldscheindarlehenmarktes zu berücksichtigen. Das Schuldscheindarlehen ist ein von vielen mittelständischen Unternehmen regelmäßig und dauerhaft genutztes Finanzierungsinstrument. Im Vergleich zur Emission einer Unternehmensanleihe ist das Schuldscheindarlehen bezüglich der bürokratischen Anforderungen um ein vielfaches schlanker.

Die Veröffentlichungs- und Dokumentationskosten sind lobenswert gering und ein externes Rating ist nicht notwendig. Aufgrund der erschwerten Marktbedingungen für die Begebung von Unternehmensanleihen in der Finanzkrise wurde das Schuldscheindarlehen in den letzten Jahren eine der wichtigsten Quellen unabhängiger Fremdfinanzierung.

Im Jahre 2014 haben Unternehmen mehr als neun Milliarden Euro an Unternehmensschuldscheinen emittiert. Damit lag das Emissionsvolumen mehr als 20 Prozent über dem des Vorjahres. Im ersten Quartal 2015 lag das Volumen bereits bei 4,2 Milliarden Euro. Das Schuldscheindarlehen ist ein bewährtes Finanzierungsinstrument, welches den Bedürfnissen mittelständischer Unternehmen ideal entspricht. Der Europäische Kapitalmarkt bietet die Chance, die Erfolgsgeschichte des Schuldscheindarlehens europaweit fortzuschreiben.

Förderung hochwertiger Verbriefungen

Ein weiteres wichtiges Element zur Etablierung einer Europäischen Kapitalmarktunion ist die zeitnahe Fortentwicklung eines europäischen Verbriefungsrahmenwerks. Dabei sollte ein qualitativ hochwertiges Verbriefungssegment (High Quality ABS) regulatorisch herausgestellt werden. Asset-Backed Commercial Paper sollten in die aktuellen Initiativen zur Differenzierung eines qualitativ hochwertigen Verbriefungssegments einbezogen und mit ihren Merkmalen berücksichtigt werden, da sie einen wesentlichen Beitrag zur Unternehmensfinanzierung leisten und Wachstumsimpulse setzen können. Es ist sehr zu begrüßen, dass die Kommission sich den durch die Finanzmarktkrise teilweise zu unrecht in Verruf geratenen Verbriefungen angenommen hat und Vorschläge erarbeiten wird, um hochwertige Verbriefungen zu fördern und die Bankbilanzen zu entlasten, sodass die Kreditvergabe durch Banken wiederum erleichtert wird. Zeigt es nicht zuletzt, dass die Kommission Kredit- und Kapitalmarkt als komplementär betrachten.

Wesentlich für den Erfolg der Europäischen Kapitalmarktunion sowie der Finanzmarktstabilität im Allgemeinen, sind stabile Rahmenbedingungen und eine langfristige Rechtssicherheit. Eine sich fortwährend ändernde Regulierung erschwert adäquate Risikobewertungen sowie strategische (Neu-)Ausrichtungen und grundsätzliche Revisionen der Geschäftsmodelle aller Marktakteure - Banken, Versicherungen und Unternehmen. Deshalb wäre es auch zugunsten einer erfolgreichen Kapitalmarktunion nun an der Zeit ein Regulierungsmoratorium auszusprechen. Nur durch, obgleich ein nur kurzes Innehalten, lässt sich die Wirkungsweise von Regulatorik abschließend beurteilen, was ein weiteres Ziel unter der Juncker-Präsidentschaft ist.

Vor einer fundamentalen Neuordnung des europäischen Kapitalmarkts nach US-amerikanischem Vorbild, das von der EU-Kommission als Vergleich herangezogen wird, ist die ausführliche Prüfung der verschiedenen nationalen und regionalen Gegebenheiten für den Erfolg einer Europäischen Kapitalmarktunion unerlässlich. Die im Vergleich zum US-amerikanischen Finanzmarkt geringe Bedeutung der Kapitalmarktfinanzierung von Unternehmen und öffentlichen Haushalten in Europa hat eine lange Tradition, die ihre kulturelle Berechtigung hat und nicht innerhalb einer Legislaturperiode reformiert werden kann und muss.

Auf dem Weg zu einer Europäischen Kapitalmarktunion ist es ratsam, bereits krisenbewährte europäische Strukturen im Hinblick auf europäische Lösungen und Standards zu befragen. Die Drei-Säulen-Struktur der deutschen Banklandschaft wird durch eine Vielfalt der Geschäftsmodelle bestimmt, die sich gerade im Zuge der Finanzkrise als finanzmarktstabilisierend erwiesen haben.

Finanzmarktstabilität: Vielfalt der Geschäftsmodelle

Ein gesunder Bankenmarkt ist für die Etablierung einer Europäischen Kapitalmarktuntion unerlässlich. Eine Redundanz der Geschäftsmodelle führt dagegen nicht nur zu einem aggressiveren Wettbewerb, der trotz intensiver Marktaktivität keine Ertragssteigerungen sicherstellt, sondern vor allem auch zu beachtlichen System- und Klumpenrisiken durch die hohe Interkonnektivität der Institute. Dieses Phänomen konnte unlängst in der Subprime- oder auch der Staatsschulden-Krise beobachtet werden.

Eine Analyse der Finanzierung kleiner und mittelständischer Unternehmen in den Regionen Europas zeigt zudem, dass die regulatorischen Kosten, eine fehlende Expertise und der Aufwand einer Kapitalmarktfinanzierung für viele KMU ein klares Markteintrittshindernis darstellen. Die beispielsweise durch MiFID II oder auch durch die Prospektrichtlinie in diesem Zusammenhang bereits vorgesehenen Entlastungen für KMU sind für diese Unternehmen nicht ausreichend.

Finanzierungsmix als stabilisierendes Element

Es ist dabei bedenkenswert, dass die KMU-Finanzierung ein größeres Risiko für Investoren birgt und daher gerade in diesem Segment geringere Transparenzanforderungen für den Investorenschutz auch kritisch zu werten sind. Öffentliche Banken können im Bereich der Mittelstandsfinanzierung ihre Expertise und Risikokompetenz einbringen und gerade aufgrund ihrer langen Beziehungen zu Unternehmen mit diesen gemeinsam bedarfsgerechte Finanzierungslösungen entwickeln, welche die individuelle Situation der Unternehmen reflektieren.

Der Finanzierungsmix aus Kredit- und Kapitalmarktfinanzierung ist durch seinen Diversifikationsansatz nicht nur ein weiteres finanzmarktstabilisierendes Element, sondern er orientiert sich auch am spezifischen Finanzierungsbedarf der Unternehmen und öffentlichen Haushalte. Der Kreditmarkt steht mit seinem "geduldigen" Kapital für mehr Planungssicherheit und ermöglicht die Realisierung von Investitionszielen, unter anderem mit fehlenden positiven oder unsicheren Cashflows in der Startphase wie zum Beispiel im Bereich der Start-up-Finanzierungen und Forschung und Entwicklung, bei Infrastrukturprojekten oder bei Investitionen in Nachhaltigkeitsziele. Der Kapitalmarkt erschließt flexibel und mit dem Vorzug der Risikoteilung neue Finanzierungsquellen durch den Einbezug global aktiver Kapitalmarktakteure und breiter Bevölkerungsschichten.

Banken als wichtige Kooperationspartner

Dabei ist festzuhalten, dass es zwar richtig ist, wenn die Kommission darauf verweist, dass stärkere Kapitalmärkte die Banken als Finanzierungsquelle ergänzen können, dies darf jedoch nicht dazu führen, dass Banken als wichtige Akteure am Finanzmarkt verdrängt werden. Banken sind wichtige Kooperationspartner für Investoren am Kapitalmarkt. Gerade für die Stimulierung eines grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs verfügen Banken vor Ort durch den engen Kontakt zu Unternehmen und öffentlichen Haushalten über wichtige Kreditinformationen. Die damit verbundene Kompetenz in der Risikobeurteilung ist gerade für internationale Investoren bedeutsam.

Banken sind zudem auch für diejenigen Unternehmen, die die notwendige Publizität bestimmter Kapitalmarktprodukte scheuen, ein wichtiger Intermediär. Ebenfalls sorgen Banken in Europa durch Stabilisierungsmaßnahmen wesentlich für die notwendige Liquidität und Effizienz des Kapitalmarktes.

Im Rahmen der Europäischen Kapitalmarktunion gilt es weiterhin zu berücksichtigen, dass eine Differenzierung zwischen langfristiger Unternehmensfinanzierung und Infrastrukturfinanzierung notwendig ist, weil unterschiedliche Expertisen und Geschäftsmodelle erforderlich sind.

Auch das Geschäftsmodell der Förderbanken, ist im Zusammenhang mit der Förderung von Wirtschaftswachstum und der Stimulierung langfristiger Infrastrukturprojekte im Entstehungsprozess der Europäischen Kapitalmarktunion einzubeziehen. Die effiziente Verwendung von Fördermitteln stellt eine nicht zu vernachlässigende Möglichkeit dar, strukturelle Veränderungsprozesse zu initiieren sowie Wachstum und Innovation zu fördern. Die etablierte Risikoteilung zwischen öffentlichen und privaten Kapitalquellen wirkt in Krisensituationen ebenfalls finanzmarktstabilisierend. Erste Neugründungen von Förderbanken außerhalb Deutschlands im Jahr 2014 signalisieren, dass Förderbanken als ein wichtiger Finanzmarktakteur im aktuellen wirtschaftspolitischen Kontext erkannt wurden.

Um Banken in ihren wichtigen und finanzmarktstabilisierenden Funktionen zu unterstützen, ist es wesentlich, das Grundprinzip der Proportionalität zu berücksichtigen: Aufsichtsrechtliche Regelungen und regulatorische Anforderungen sind angemessen an das Geschäftsmodell und Risikoprofil sowie an die Institutsgröße anzupassen, um ein ausgewogenes Verhältnis von Kredit- und Kapitalmarktfinanzierung zu reflektieren.

Die öffentlichen Banken in Deutschland haben aufgrund ihrer Eigentümerstruktur eine besondere Stellung am Finanzmarkt. Über die ökonomische Verantwortung hinaus sind sie angehalten, ihre Geschäftsmodelle an den Bedürfnissen der öffentlichen Hand auszurichten. Sie kennen konkret die Bedarfe ihrer Heimatregionen und können so Wirtschaft und Infrastrukturinvestition fördern.

Eigentümerstruktur sorgt für besondere Stellung

Durch langjährige Beziehungen zu Bundesländern, Kommunen und Unternehmen vor Ort sind die öffentlichen Banken mit den unterschiedlichen Situationen und Bedürfnissen in den Regionen und Wirtschaftsräumen sehr gut vertraut. Diese zeichnen sich vor allem durch individuelle und nachhaltige Finanzierungslösungen für den Mittelstand aus. Der Erfolg des Hausbankenprinzips hat sich im Rahmen der Finanzkrise gezeigt, denn deutsche Unternehmen konnten ihre Investitionsvorhaben und -pläne mit den öffentlichen Banken an ihrer Seite realisieren und so gemeinsam zur nachhaltigen Förderung der deutschen Wirtschaft beitragen. Hausbanken und ihre Kunden verstehen sich als Partner für umfassende Finanzierungslösungen, sowohl für Unternehmen, als auch für Privatkunden.

Die öffentlichen Banken in Deutschland eröffnen darüber hinaus als Kapitalmarktpartner der regional verankerten Sparkassen breiten Bevölkerungsschichten einen Zugang zum Kapitalmarkt. Durch die Entwicklung nachhaltiger Finanzprodukte, die einen anlegergeeigneten und -gerechten Vermögensaufbau sowie die private Altersabsicherung unterstützen, können private Spareinlagen in langfristige Anlageformen überführt werden.

Gerade auch die Förderbanken nehmen eine besondere Rolle ein. Sie engagieren sich bei der Umsetzung ihres öffentlichen Auftrags unter anderem in der Finanzierung des Mittelstands, der Wohnungswirtschaft, aber auch in Agrarwirtschaft und Umweltschutz, bei Technologie- und Innovationsfinanzierungen sowie in der Infrastrukturfinanzierung. Im Rahmen ihrer förderpolitischen Aufgaben erbringen sie auch bankwirtschaftliche Dienstleistungen, das heißt, sie ergänzen den Markt dort, wo marktwirtschaftliche Ergebnisse als nicht sozialverträglich angesehen werden. Bei grenzüberschreitenden Fördermaßnahmen stehen sie für ihre Kunden mit Spezialprogrammen bereit.

Investitionen, die der Bewältigung großer gesellschaftlicher Herausforderungen dienen, wie zum Beispiel in den Klimaschutz, in die demographische Entwicklung oder in Bildung können oftmals keine kurzfristig realisierbaren Erträge aufzeigen. Dies erschwert eine direkte Kapitalmarktfinanzierung. Durch geeignete Förderinstrumente können Anschubfinanzierungen dargestellt werden - davon profitieren nicht nur strukturschwache Regionen. Durch Kooperationsmodelle zwischen öffentlicher und privater Hand können über diesen Weg Projekte initiiert und deren Risiken effizient verteilt werden, die von hoher gesellschaftspolitischer Bedeutung, jedoch im Hinblick auf ihre Umsetzung komplex sind und aufgrund ihrer langen Laufzeiten, die über 20 bis 30 Jahre betragen können, besondere Risiken bergen.

Lehren aus Finanzmarktkrise berücksichtigen

Die öffentlichen Banken in Deutschland wollen im Zuge des Entstehungsprozesses der Europäischen Kapitalmarktunion mitwirken und haben sich aus diesem Grund frühzeitig mit einer eigenen Postion zur Kapitalmarktunion zu Wort gemeldet. Sie unterstreichen dabei vor allem den Fakt, dass es nicht das Ziel sein darf, ohne eine umfassende Analyse der europäischen Situation, eine fundamentale Neuordnung des europäischen Finanzmarktes nach US-amerikanischem Vorbild anzustreben. Die US-amerikanischen Rahmenbedingungen unterscheiden sich strukturell von denen in der europäischen Union, allein schon durch das in den Vereinigten Staaten vorherrschende kapitalmarktbasierte Altersvorsorgesystem.

Die Finanzmarktkrise ist zu einer Vertrauenskrise geworden, infolge derer Marktakteure kritisch betrachten, was eine US-amerikanisch geprägte Kapitalmarktkultur und kurzfristig orientierte Shareholder-Value-Strategien auslösen können. In Europa hat dies unter anderem bei Kleinanlegern zu einem Rückzug aus kapitalmarktbasierten Finanzprodukten geführt. Wenn im Zuge der Europäischen Kapitalmarktunion breite Bevölkerungsschichten einbezogen und am Produktivkapital beteiligt werden sollen, dann gilt es, diesen Kulturwandel zu begleiten und eine spezifisch europäische, langfristig orientierte Kapitalmarktkultur zu entfalten.

Verantwortungsübernahme

Die Bewältigung der Vertrauenskrise muss unter Vermeidung einer Instrumentalisierung der Begriffe Verantwortung und Fairness erfolgen. Um mit Kommissar Hill zu sprechen, sollte keine "box-ticking mentality", sondern eine Kultur der Verantwortungsübernahme entwickelt werden. Die Öffentlichen Banken Deutschlands fühlen sich, nicht zuletzt auch aufgrund ihres öffent lichen Auftrags, verpflichtet, sich in einer Europäischen Kapitalmarktunion aktiv in den Prozess der Vertrauensbildung einzubringen und damit zu einem sta bilen, funktionsfähigen und der Realwirtschaft dienlichen Finanzmarkt beizutragen.

Vor dem Hintergrund ihrer Geschäftsmodelle ist es naheliegend, dass sich die öffentlichen Banken Deutschlands dem Nachhaltigkeitsgedanken verpflichtet fühlen und zunehmend ökologische, soziale sowie Governance-Aspekte (sogenannte ESG-Kriterien) in ihre Risikoanalysen und Entscheidungen einbeziehen. Damit möchten die öffentlichen Banken ihre Verantwortung bei der Verwirklichung gesellschaftspolitischer Ziele herausstellen. Darüber hinaus wollen sie durch ihr aktives Engagement im Bereich Nachhaltigkeit auch Best Practices aufzeigen und für alle Marktakteure am Finanzmarkt eine Vorbildfunktion einnehmen, wenn es um die Finanzierung von Unternehmungen und Projekten geht, die für Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit stehen. Die öffentlichen Banken Deutschlands fühlen sich daher in besonderem Maße verantwortlich, ihre Expertise im Sinne der politischen Zielsetzung in den Prozess der Europäischen Kapitalmarktunion einzubringen.

Die Autorin Prof. Dr. Liane Buchholz Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB, e.V., Berlin
Prof. Dr. Liane Buchholz , Präsidentin , Westfälisch-Lippischer ­Sparkassen- und Giroverband, Münster
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