MIPIM-SPECIAL

FORWARD DEALS: EINE SPANNENDE ALTERNATIVE IN DER NIEDRIGZINSPHASE

Hans-Joachim Lehmann, Foto: Warburg-HIH

Der Wettbewerb um Core-Immobilien ist so stark gestiegen, dass die Erfolgschancen vieler Investoren in entsprechenden Bieterverfahren mittlerweile äußerst gering sind, ganz zu schweigen von der großen Lücke zwischen gefordertem Kaufpreis und Renditeanspruch. Vor diesem Hintergrund hat der Verkauf von Projektentwicklungen vor Abschluss der Baumaßnahmen in den vergangenen Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Diese sogenannten Forward Deals sind jedoch komplex und bedürfen somit umfangreicher Kompetenzen. Der Autor des folgenden Beitrags beleuchtet die Erfolgsfaktoren eines Forward Deals im Detail. Seiner Einschätzung nach ist das Vehikel in aller Regel denjenigen Unternehmen vorbehalten, die die gesamte Wertschöpfungskette einer Immobilieninvestition mit eigenen Kapazitäten abdecken können. Red.

Die weiter anhaltende Niedrigzinsphase wird auch in diesem Jahr zu einem Mangel an Anlagemöglichkeiten im Immobilienbereich führen. Vor allem neue und langfristig vermietete Bürogebäude in den A-Lagen der deutschen Topstädte bleiben gefragte Adressen. Solche Immobilien generieren weiterhin stabile Cashflows und sichern institutionellen Anlegern somit Erträge, die früher mit festverzinslichen Papieren wie beispielsweise Bundesanleihen erwirtschaftet wurden.

Frühzeitiger Zugriff auf das Asset

In einem intensiveren Wettbewerb um Core- und Core-Plus-Immobilien haben sich Forward Deals als eine Möglichkeit etabliert, um besonders attraktive Objekte bereits vor der Fertigstellung anzubinden. Zudem sind Forward Deals heute oft der einzige Weg, mit dem der Zugriff auf eine langfristig vermietete Neubauimmobilie gesichert werden kann.

Gangbar ist dieser Weg allerdings nur für Unternehmen, die über jahrelange Markterfahrung, eine kontinuierliche Präsenz in den deutschen Topstädten sowie beste Kontakte zu den maßgeblichen Projektentwicklern verfügen. Unentbehrlich sind ferner umfangreiche Kompetenzen in der Strukturierung und Finanzierung der Forward Deals, insbesondere aus investmentrechtlicher und steuerlicher Sicht sowie eine qualifizierte Einschätzung der Risikostruktur inklusive eigener Kapazitäten bei der Überprüfung von Baufortschritt und -qualität. Kurzum: Forward Deals sind in der Regel denjenigen Unternehmen vorbehalten, die die gesamte Wertschöpfungskette einer Immobilieninvestition mit eigenen Kapazitäten abdecken.

Für die Erwerberseite von besonderem Interesse ist vor allem eine belastbare Analyse, ob sich die Marktbedingungen am jeweiligen Standort über den Fertigstellungszeitraum hinaus weiterhin zu ihren Gunsten entwickeln und Nachfrage sowie Mietentwicklung auf absehbare Zeit positiv sein werden. Unter diesen Bedingungen bietet ein Forward Deal die Möglichkeit eines vergleichsweise günstigen Einstiegspreises.

Entscheidend ist das Mietsteigerungspotenzial

In der Regel definiert sich der Kaufpreis der vor Fertigstellung erworbenen Objekte über die jeweiligen Mietverträge und die Miete orientiert sich wiederum am aktuellen Marktgeschehen. Diesbezüglich bieten deutsche Topstädte derzeit durchweg gute Voraussetzung für Forward Deals. Einige Städte wie beispielsweise Berlin mit seinem dynamischen Mietpreiswachstum und seiner geringen Flächenverfügbarkeit weisen dabei besonders günstige Bedingungen auf.

Heute können die Marktteilnehmer davon ausgehen, dass die Mieten in den Toplagen der deutschen Metropolen während einer Fertigstellungszeit von rund zwei Jahren um vier bis fünf Prozent steigen. An Standorten, die sich in der jüngeren Vergangenheit besonders dynamisch entwickelten, wie dem Berlin-Friedrichshainer Spreeufer, liegen die aktuellen Marktmieten sogar um mehr als 50 Prozent über dem Niveau von vor drei Jahren. Bei einem Investitionszeitraum von etwa zehn Jahren bedeutet dies für den Investor ein erhebliches Wertsteigerungspotenzial mit einem dann voraussichtlich sehr attraktiven Exit.

Erfolgsfaktoren am Beispiel Berlin

Beispielhaft für einen solchen Forward Deal ist das Quartier am Postbahnhof in Berlin-Friedrichshain. Die Warburg-HIH Invest hat dort das 17 000 Quadratmeter Mietfläche umfassende Projekt "East-Side-Office" 2015 vom Berliner Entwickler NDC Real Estate Management (NDC) erworben. Im Frühjahr 2018 wurde der dritte und jüngste Bauabschnitt des Projekts durch NDC vorzeitig fertiggestellt. Bereits Ende 2017 war das fünfstöckige Gebäude in einen Individualfonds eingebracht worden. Wichtiges Einstiegskriterium war, dass sich mit der Daimler Group Services Berlin GmbH ein wirtschaftlich starker Mietinteressent für das Gebäude entschieden und einen Mietvertrag für die Flächen der ersten beiden Bauabschnitte unterschrieben hatte.

2015 lagen die Büromieten in den Quartieren nördlich der East-Side-Gallery bei durchschnittlich 15 Euro je Quadratmeter. Heute können moderne Büroflächen in der begehrten Water-Front-Lage nahe dem Spreeufer für bis zu 33 Euro je Quadratmeter angeboten werden. Weitere Miet- und damit Kaufpreissteigerungen sind absehbar. Zum einen kommen in Berlin wenig neue Büroflächen auf dem Markt. Zum andern zählt das Gebiet zwischen Ostbahnhof und Oberbaumbrücke zu einer der begehrtesten Entwicklungslagen der deutschen Hauptstadt.

Denn die Mischung aus etablierten Unternehmen, Start-ups und angesagten Clubs sowie die gute Verkehrsanbindung und die zentrale Lage im Herzen Berlins üben eine große Anziehungskraft auf Büromieter aller Art aus. So gibt es an diesem Standort beste Voraussetzungen für nachhaltige Miet- und Wertsteigerungen und eine gute Gesamtperformance des Investments.

Vertrauensbasis ermöglicht Wiederholung

Darüber hinaus lohnt bei Forward Deals auch ein Blick auf die weiteren deutschen Topstädte. Neben Berlin sind dies insbesondere Hamburg, Köln, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Stuttgart und München einschließlich prosperierender Standorte in den jeweiligen Metropolregionen. Dabei empfiehlt es sich, alle größeren Bürobauvorhaben anzusehen und unter anderem die Initiatoren sowie deren Track Rekord zu prüfen. Denn wer in der jüngeren Vergangenheit immer pünktlich und mit guter Qualität die Projekte abgeschlossen hat, wird dies wahrscheinlich auch zukünftig leisten.

Wichtig für einen erfolgreichen Forward Deal und das gegenseitige Vertrauen ist, dass auch die Käuferseite über hinreichende Kapazitäten verfügt, um Bauqualität und -fortschritt in einem erforderlichen Maß zu überprüfen sowie gegebenenfalls auf Herausforderungen reagieren zu können. Faktoren sind dabei die aktuelle Verknappung von Rohstoffen (zum Beispiel Sand und Beton) und Kapazitäten (etwa Mischfahrzeuge und Handwerker).

Käufer und Verkäufer müssen bei einem Forward Deal über einen Zeitraum von mehreren Jahren vertrauensvoll zusammenarbeiten. Nicht selten entstehen dabei auch längerfristige Geschäftsbeziehungen, weil oftmals mehrere Projekte hintereinander gemeinsam realisiert werden. Dabei profitiert die Verkäuferseite in der Regel von Einsparungen bei den Finanzierungskosten beziehungsweise von einer geringeren Kapitalbindung.

Komplexität steigt mit der Projektgröße

Das Eigenkapital, das nach Abschluss eines Forward Deals auf Entwicklerseite freigesetzt wird, kann von dieser in das nächste Vorhaben investiert und für weiteres Wachstum verwandt werden. Wichtigste Anforderung des Entwicklers an seinen Vertragspartner ist daher, dass er zuverlässig seinen Zahlungszusagen nachkommt und als Ansprechpartner bei möglicherweise erforderlichen Korrekturen im Bauablauf zur Verfügung steht. Hat sich auf dieser Ebene gegenseitiges Vertrauen etabliert, steht dem nächsten gemeinsamen Forward Deal in der Regel nichts im Wege.

Weil der Kapitalbedarf der Entwicklerseite mit der Größe der Projekte stetig steigt, ist eine Häufung von Forward Deals vor allem bei größeren Vorhaben und Einzelprojekten zu beobachten. Solche Projekte erhöhen wiederum die Anforderungen an die finanzielle und juristische Strukturierung der Deals. Beispielhaft sei hier der Verkauf von zwei Projekten durch Aurelis genannt, die mit dem Europaviertel in Frankfurt am Main das derzeit größte städtebauliche Entwicklungsvorhaben in Deutschland verantwortet. Die Warburg-HIH Invest hat dort zwei nebeneinanderliegende Bürogebäude erworben und mit Blick auf die Gesamttransaktionssumme von mehr als 300 Millionen Euro in zwei Vehikel eingebracht.

Zwar gibt es auch institutionelle Investoren, die gerne in dieser Größenordnung kaufen, die Mehrheit der Akteure ist jedoch an kleineren Investments interessiert. Daher wurde das Gebäude "DB Brick" mit einer Mietfläche von 23 400 Quadratmetern für zwei deutsche Pensionskassen in ein Bündelungsvehikel eingebracht. Das Hochhaus "DB Tower" mit einer Mietfläche von 30 300 Quadratmetern hingegen gehört nunmehr zum Individualfonds einer deutschen Pensionskasse.

Oftmals der einzige Weg zu attraktiven Immobilien

Mitentscheidend für das große Investoreninteresse an den beiden Objekten war wiederum der Mietvertrag. Beide Gebäude sind für 20 Jahre an die Deutsche Bahn AG vermietet und stehen somit für zuverlässige Mieterträge über einen sehr langen Zeitraum. Damit können die Investoren ihren Verpflichtungen auch in der weiter andauernden Niedrigzinsphase nachkommen. Dieser Vorzug führte allerdings zu großen Begehrlichkeiten auch bei anderen Marktteilnehmern.

Nur durch einen Forward Deal konnten die Objekte letztlich für die Investoren gesichert werden. In dem heutigen, harten Wettbewerb um solche Premium-Core-Objekte sind Forward Deals oft die einzige Möglichkeit, um an Immobilien in der gewünschten Lage-, Bau- und Vermietungsqualität zu kommen. Der derzeitig starke Wettbewerb um hochqualitative Büroimmobilien bietet damit also auch eine Gelegenheit, um sich als Investmentmanager mit Kompetenzen im Bereich der Forward Deals zu positionieren.

DER AUTOR HANS-JOACHIM LEHMANN Geschäftsführer, Warburg-HIH Invest Real Estate GmbH, Hamburg
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