WOHNEN IN DEUTSCHLAND

GEFO(E)RDERTER WOHNUNGSBAU? NEUE ENTWICKLUNGEN IM BEREICH DER SOZIALWOHNUNGSBINDUNG

Nina Jarass Cohen Quelle: Fräulein Fotograf

Die Frage, wie stark und in welcher Form der Staat in den Wohnungsmarkt eingreifen soll, wird aktuell intensiv und kontrovers diskutiert. Besondere Aufmerksamkeit erhält dabei vor allem in jüngerer Zeit die Idee, Investoren und Projektentwicklern im Rahmen von Neubauprojekten eine verbindliche Quote von mietpreisgebundenem Wohnraum vorzugeben. Die Sozialwohnungsbindung scheint das perfekte Vehikel, um einerseits Wohnraum für wirtschaftlich schwächere Personenkreise zu schaffen und andererseits das städtische Budget nicht zu belasten. Dabei geht es stets um die Schaffung von Mietwohnungen. Die durchaus bestehenden Förderprogramme zur Eigentumsbildung fristen derzeit eher ein Schattendasein. Die Autorin erläutert im folgenden Beitrag, wann eine Sozialwohnungsquote überhaupt in Betracht kommt, womit Investoren und Projektentwickler im Einzelnen rechnen müssen und welche rechtlichen Spielräume trotz der immer rigoroseren Anwendung der Sozialwohnungsbindung verbleiben. Red.

Ähnlich wie viele andere Großstädte in Deutschland hat auch Frankfurt bereits 2014 eine Sozialwohnungsbindung verabschiedet. Im damaligen Magistratsbeschluss wird festgesetzt, dass zukünftig 30 Prozent der durch Bebauungspläne zusätzlich ermöglichten Bruttogeschossfläche Wohnen für den sozialen Wohnungsbau zu sichern sind. Der Beschluss war aber sehr weich formuliert und in der Tat wurden in der Folge oftmals auch deutlich weniger als 30 Prozent vereinbart.

Städte verschärfen Anforderungen

Zudem wurde selten die eigentlich von der Stadt angedachte hälftige Aufteilung auf den klassischen Sozialwohnungsbau (Erster Förderweg) und auf städtische Förderprogramme (Zweiter Förderweg) erreicht. Deutlich häufiger wurden die etwas teurer vermietbaren Wohnungen im Zweiten Förderweg gebaut - der ursprünglich einmal avisierte Anteil von 15 Prozent Sozialwohnungen wurde in der Praxis häufig nicht erreicht.

Der neue Frankfurter Planungsdezernent Mike Josef zieht die Stellschrauben seit Kurzem deutlich an. Nach einer bisher nur innerdienstlichen Kommunikation, welcher aber im Frühjahr 2018 ein entsprechender Beschluss folgen soll, sind die Fachebenen angewiesen, alle Planungsspielräume "konsequent" zu nutzen. Dies bedeutet, dass nicht nur eine Sozialwohnungsbindung gefordert wird, wenn ein Projekt die Aufstellung eines Bebauungsplans erfordert, sondern zum Beispiel auch dann, wenn nur punktuelle Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB erforderlich sind.

Selbst wenn sich die Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens nach § 34 BauGB bemisst, will die Stadt mit dem Investor Gespräche über eine Sozialwohnungsbindung führen. Dies betrifft vor allem Fälle, bei denen § 34 BauGB für den Bauherrn großzügiger gehandhabt wird. Außerdem will die Stadt Frankfurt keinen Ausgleich der Sozialwohnungsquote durch eine höhere Ausnutzung mehr erlauben: Muss der Projektentwickler etwa 3 000 Quadratmeter Wohnfläche im geförderten Wohnungsbau herstellen, kann er nicht darauf spekulieren, weitere 3 000 Quadratmeter frei finanzierte Wohnfläche "on top" zu bekommen.

Der geförderte Wohnraum darf zukünftig auch nur noch direkt vor Ort geschaffen werden. Vorbei sind folglich die Zeiten, in denen gerade bei Hochhausprojekten die Sozialwohnungsquote auf anderen Grundstücken in Randlagen erfüllt wurde. Schließlich will die Stadt Frankfurt zukünftig strenger darauf achten, dass die Hälfte der geförderten Wohnungen als Sozialwohnungen im ersten Förderweg gebaut werden. Ein Abweichen von der 15 Prozent/15 Prozent-Vorgabe wird damit immer schwieriger. Parallel zu einer konsequenteren Umsetzung der Vorgaben zur Sozialwohnungsquote wird auch der Kreis der Förderberechtigten ausgeweitet. So hat der Magistrat der Stadt Frankfurt am 23. Juli 2017 die Novellierung der Richtlinien für den Zweiten Förderweg beschlossen. Mehr als die Hälfte der Frankfurter Bürger sind nun berechtigt, eine Wohnung aus dem Mittelstandsprogramm zu beziehen. Zudem wurde die Zweckbindung, also der Zeitraum, in dem die Wohnung nur zu bestimmten Konditionen vermietet werden darf, von zwanzig auf dreißig Jahre erhöht. Die Stadt hat bereits angekündigt, 2018 auch die Vorgaben im Ersten Förderweg entsprechend zu aktualisieren.

Belegungsbindung und Mietpreisbindung

In der Regel werden Sozialwohnungsbindungen in städtebaulichen Verträgen vereinbart. Das Kernstück dieser Vereinbarung ist stets eine Belegungsbindung, also das Recht der Stadt, bestimmte Mieter zuzuweisen oder die Vermietung von ihrer Zustimmung abhängig zu machen, und eine Mietpreisbindung, also die Festsetzung einer maximalen Miethöhe für einen bestimmten Zeitraum. Darüber hinaus verpflichtet sich der Investor oder Projektentwickler zur Herstellung der Wohnungen im Standard und mit den Mitteln des sozialen Wohnungsbaus.

Ist eine Sozialwohnungsquote nun schrankenlos zulässig? Das Baurecht kennt hier zwei wichtige Grenzen. Zum einen ist da das Koppelungsverbot des § 11 Abs. 2 S. 2 BauGB. Es darf keine Gegenleistung für etwas vereinbart werden, auf das ein Anspruch besteht. Wenn also ohne ein Zutun der Stadt - etwa auf Basis eines bestehenden Bebauungsplans - bereits ein ausreichendes Baurecht besteht, kommt eine Sozialwohnungsbindung nicht in Betracht. Sozialwohnungen dürfen immer nur für das zusätzlich ermöglichte Delta an Ausnutzung verlangt werden.

Einfacher gesagt: Wenn der bisherige Bebauungsplan fünf Vollgeschosse zulässt und der Inverstor sieben Vollgeschosse bauen will, dann darf nur für 30 Prozent der zusätzlichen zwei Vollgeschosse eine Sozialwohnungsbindung gefordert werden. Die zweite Voraussetzung des Koppelungsverbots, nämlich dass die Verpflichtung die Sicherung der Ziele der Bauleitplanung bezweckt, ist in der Regel erfüllt: Sozialwohnungsbindungen dienen der Deckung des Wohnbedarfs.

Die andere wichtige Grenze ist das Angemessenheitsgebot des § 11 Abs. 2 S. 1 BauGB. Danach müssen die wirtschaftlichen Belastungen der Sozialwohnungsquote in einem angemessenen Verhältnis zu den wirtschaftlichen Vorteilen des Vorhabens stehen. Die aus der Mietpreisbindung resultierenden Nachteile können etwa dadurch kompensiert werden, dass andere Teile des Vorhabens mehr Rendite versprechen. Die Ermittlung der Wertsteigerung des Grundstücks durch das zusätzliche Baurecht erfolgt in einem äußerst komplexen Berechnungsverfahren. In Streitfällen wird ein Gutachten des Gutachterausschusses beziehungsweise der kommunalen Bewertungsstelle eingeholt. Verkürzt kann man sich merken, dass etwa die hälftige Abschöpfung der zusätzlichen Wertsteigerung zulässig ist.

Geförderter, bezahlbarer, sozialer Wohnraum

In der öffentlichen Diskussion tauchen alle möglichen Begriffe auf: Geförderter, bezahlbarer oder sozialer Wohnungsbau. Oftmals ist völlig unklar, was damit eigentlich gemeint ist. Am Beispiel der Stadt Frankfurt ist zwischen zwei Förderwegen zu unterscheiden. Der klassische Sozialwohnungsbau (sogenannter Erster Förderweg) stellt eine Kombination aus Landesprogramm und ergänzendem städtischen Darlehen dar. Es gibt zwei Einkommensstufen. Die erste Einkommensstufe liegt für einen Ein-Personen-Haushalt bei einem Netto-Jahreseinkommen von 15 572 Euro und in der zweiten Einkommensstufe bei 18 686 Euro Netto-Jahreseinkommen. Für weitere Haushaltsangehörige erhöht sich die Schwelle.

In der ersten Einkommensstufe erfolgt die Vermittlung des Mieters direkt über das Amt für Wohnungswesen, in der zweiten Einkommensstufe muss das Amt dem Vorschlag des Vermieters zustimmen. Die zulässige Miete liegt in der ersten Einkommensstufe bei 5 Euro je Quadratmeter und in der zweiten Einkommensstufte bei 6,50 Euro je Quadratmeter. Hinzu kann ein Zuschlag von 0,50 Euro je Quadratmeter bei einem erhöhten energetischen Standard kommen. Auch das ist aber knapp bemessen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Durchschnittsmieten auf dem freien Markt in Frankfurt bei etwa 14 Euro je Quadratmeter und oftmals deutlich darüber liegen. Die Zweckbindung besteht bisher noch für eine Dauer von 20 Jahren. Die Stadt Frankfurt plant, die Zweckbindung 2018 auf 30 Jahre anzuheben.

Im zweiten Förderweg, dem Frankfurter Programm für den Neubau von bezahlbaren Mietwohnungen, hat sich durch die Anpassung der Förderrichtlinien einiges geändert. Auch hier sind die Details kompliziert. Es gibt drei Einkommensstufen, welche bei einem Ein-Personen-Haushalt bei einem bereinigten Jahreseinkommen zwischen 18 686 bis 25 000 Euro (Einkommensstufe 1), 25 001 bis 28 000 Euro (Einkommensstufe 2) und 28 001 bis 32 000 Euro (Einkommensstufe 3) liegen. Nur entsprechend berechtigte Personen dürfen die fraglichen Wohnungen anmieten. Die zulässige Miete beträgt 8,50 Euro je Quadratmeter.

Zwar sehen die Förderrichtlinien für die Einkommensstufe 2 eine zulässige Miete von 9,50 Euro je Quadratmeter und für die Einkommensstufe 3 sogar von 10,50 Euro je Quadratmeter vor. Da aber die Differenz zu 8,50 Euro an die Stadt abzuführen ist, bleibt es im Hinblick auf die Rendite letztlich bei den 8,50 Euro je Quadratmeter. Anders als im Ersten Förderweg ist hier eine Indexierung der Miete zulässig. Die Miete darf die ortsübliche Vergleichsmiete nach dem gültigen Mietspiegel aber nicht überschreiten. Die Zweckbindung läuft für 30 Jahre.

Verbleibende Spielräume in der Projektentwicklung

Gerade bei öffentlichkeitswirksamen Großbauprojekten verlangen die Städte verstärkt die Herstellung geförderter Wohnungen. Aber auch bei weniger prominenten Bauvorhaben werden sich die Bauherren immer häufiger mit entsprechenden Forderungen konfrontiert sehen. Wichtig ist dann, zunächst das bestehende Baurecht genau zu ermitteln. Denn nur für im Vergleich zur bisherigen Rechtslage zusätzlich ermöglichten Wohnraum kann eine Bindung verlangt werden. Gerade wenn es bisher an einem Bebauungsplan fehlt, macht es folglich durchaus einen Unterschied, ob nach bisheriger Rechtslage nur fünf oder vielleicht bereits sieben Vollgeschosse zulässig sind. Zudem ist bei kleineren Bauprojekten zu prüfen, ob die Untergrenze für eine Sozialwohnungsbindung überhaupt erreicht wird. Diese liegt nach Angaben der Stadt Frankfurt bei etwa 3 000 bis 5 000 Quadratmeter Bruttowohngeschossfläche. In der Presse wurde jüngst zudem von einer Relevanzschwelle der Stadt von mindestens 30 Wohnungen berichtet.

Auch der Berechnungsweg belässt Spielräume. So mag zwar eine Quote von 30 Prozent feststehen, offen bleibt aber, auf was sich diese 30 Prozent genau beziehen. Im Frankfurter Magistratsbeschluss von 2014 wird als Bezugsgröße die Gesamtzahl der Bruttogeschossfläche des neu zu errichtenden Wohnungsbaus genannt. Es lässt sich aber streiten, welche Flächen dort im Einzelnen mitzählen. Bezieht sich die Forderung etwa nur auf die oberirdische Bruttogeschossfläche oder auch auf die unterirdische Bruttogeschossfläche? Hier bleiben Argumentationsspielräume.

Auch mittelbar kann die Ausnutzung auf dem Grundstück erhöht werden, etwa durch die Herabsetzung der Anzahl notwendiger Stellplätze. So kann wertvolle Fläche gespart werden. Schließlich kann versucht werden, ein an anderen Stellen günstigeres Baurecht zu verhandeln, welches die wirtschaftlichen Belastungen aus der Sozialwohnungsbindung abfedert.

Ist damit zu rechnen, dass die Sozialwohnungsquote in Frankfurt über 30 Prozent steigen wird? In einigen anderen deutschen Städten ist das ja bereits der Fall. In Frankfurt dürfte dies in absehbarer Zeit eher unwahrscheinlich sein. Zum einen gäbe es dafür wohl keine Rückendeckung durch den Koalitionspartner CDU. Zum anderen würden irgendwann auch die Fördermittel knapp. Im aktuellen Koalitionsvertrag wird denn auch die 30 Prozent Quote nicht infrage gestellt. Ziel ist es vielmehr, die bestehenden Regelungen strenger anzuwenden, um die Zahl der geförderten Wohnungen zu erhöhen.

Ein Aspekt, der dabei häufig vergessen wird, sind die Folgen der Quersubventionierung. Die Sozialwohnungsbindung führt dazu, dass sich die frei finanzierten Wohnungen in einem Objekt verteuern, weil die Inverstoren die wirtschaftliche Mehrbelastung ausgleichen wollen. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf den Mittelstand: Menschen, die "zu viel" verdienen, um eine geförderte Wohnung zu beziehen, sehen sich plötzlich damit konfrontiert, dass ihnen ansonsten nur noch hochpreisige Luxus-Wohnungen in einem Objekt zur Auswahl stehen, welche sie sich aber oftmals auch nicht leisten können. Im Ergebnis führt dies ebenfalls zu einer Segmentierung von Wohnquartieren und unter Umständen zu einer Verdrängung aus der Stadt.

Neue städtebauliche Probleme?

Sicherlich trägt eine Sozialwohnungsbindung zur gesellschaftlichen Durchmischung bei. Eine sichere und sozial ausgeglichene Stadt wirkt sich langfristig auch positiv auf die Rendite aus. Dennoch stellt sich gerade vor dem Hintergrund der Auswirkungen der Sozialwohnungsbindung auf die Preisbildung der frei finanzierten Wohnungen die Frage, ob eine flächendeckende Anwendung dieses Instruments nicht neue städtebauliche Probleme nach sich zieht.

Führt man sich außerdem den enormen Verwaltungsaufwand, der mit den Förderprogrammen verbunden ist, vor Augen, wäre eine personengebundene Förderung in Form eines einkommensabhängigen Mietpreiszuschusses anstelle einer objektgebundenen Förderung vielleicht das effizientere Mittel. Dem aktuellen politischen Willen entspricht dies aber nicht. Es steht vielmehr zu erwarten, dass die Städte die Projektentwickler und Investoren zukünftig noch stärker in die Pflicht nehmen werden, geförderten Wohnraum zu schaffen. Die Eruierung und Nutzung der im Einzelfall durchaus bestehenden bauplanungsrechtlichen Spielräume kann dann helfen, die Wirtschaftlichkeit eines Neubauvorhabens zu erhöhen und dadurch die Notwendigkeit einer massiven Querfinanzierung abzumildern.

DIE AUTORIN Dr. Nina Jarass Cohen LL.M., Rechtsanwältin, FPS Fritze Wicke Seelig Partnerschaftsgesellschaft von Rechtsanwälten mbB, Frankfurt am Main
Nina Jarass Cohen , Rechtsanwältin, FPS Fritze Wicke Seelig Partnerschaftsgesellschaft von Rechtsanwälten mbB, Frankfurt am Main
Noch keine Bewertungen vorhanden


X