PRIVATE WOHNUNGSBAUFINANZIERUNG

HOHE WIDERSTANDSFÄHIGKEIT DEUTSCHER BANKEN BEI EINEM RÜCKGANG DER IMMOBILIENPREISE

Nataliya Barasinska Quelle: Deutsche Bundesbank

Seit Längerem widmet die Bankenaufsicht den Wohnimmobilienkrediten sowie den finanzierenden Banken und Sparkassen verstärkte Aufmerksamkeit. Zu Recht. Immerhin stellen Wohnimmobilienkredite mit rund 30 Prozent einen wesentlichen Teil der Gesamtkreditvergabe deutscher Banken dar. In mittlerweile zwei unterschiedlichen Stresstests haben Bankenaufseher der Deutschen Bundesbank untersucht, wie sich ein Rückgang der Immobilienpreise auf die Situation einzelner Banken, aber auch für die Finanzstabilität auswirken würde. Ihr Fazit: Deutsche Kreditinstitute sind ausreichend kapitalisiert, um einem Rückgang der Immobilienpreise um bis zu 30 Prozent standzuhalten. Entwarnung geben die Autoren aber nicht. Denn mögliche Ansteckungseffekte zwischen Kreditportfolios und Instituten sind in den Tests nicht berücksichtigt und könnten die Schockwirkung verstärken. Red.

Die Preise für Wohnimmobilien sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen, insbesondere in den deutschen Städten.1) Dies geht vor allem auf die dynamisch gestiegene Nachfrage nach Wohnimmobilien zurück, gestützt durch die gute Arbeitsmarktsituation und steigende Einkommensaussichten der Haushalte. Die historisch niedrigen Finanzierungskosten ermöglichen es privaten Haushalten, höhere Kreditvolumina im Verhältnis zum Haushaltseinkommen aufzunehmen.2) Diese und weitere Gründe sprechen zwar für starke Preiszuwächse, dennoch geht die Entwicklung nach datengestützten Analysen der Bundesbank deutlich darüber hinaus: Demnach liegen die Preisübertreibungen in den Städten zwischen 15 bis 30 Prozent.3)

Wohnimmobilienkredite sind mit rund 30 Prozent ein wesentlicher Teil der Gesamtkreditvergabe deutscher Banken. Deshalb untersucht die Bankenaufsicht regelmäßig deren Risikogehalt, um zu verhindern, dass Probleme in diesem Bereich die Solvenz einzelner Institute oder Institutsgruppen bedrohen. Bankenaufseher nutzen dafür Stresstests, um die institutsspezifischen Auswirkungen von verschlechterten gesamtwirtschaftlichen Bedingungen abzuschätzen.

Allerdings werden im Rahmen der bankenaufsichtlichen Stresstests die Effekte auf Einzelbankebene ohne Berücksichtigung von Verflechtungen und Ansteckungseffekten im Bankensystem ermittelt. Daher eignen sie sich nur beschränkt für die Analyse der Risiken für die Finanzstabilität.

Zwei immobilienspezifische Stresstestmodelle

In zwei aktuellen Studien wurden jeweils immobilienspezifische Stresstestmodelle entwickelt. Die beiden Studien unterscheiden sich zwar hinsichtlich der verwendeten methodischen Ansätze und Datenquellen, liefern jedoch bei gleichen hypothetischen gesamtwirtschaftlichen Szenarien ähnliche Ergebnisse.

In dem unterstellten adversen Szenario brechen innerhalb von drei Jahren (2017-2019) die Wohnimmobilienpreise um 30 Prozent ein, während die Arbeitslosenquote von unter fünf Prozent auf fast acht Prozent steigt. Beide Studien kommen zum Ergebnis, dass es zu einem beträchtlichen Anstieg der geschätzten erwarteten Verluste kommt: Im letzten Stressjahr würden die Institute im Schnitt einen Verlust von 0,7 bis 1 Cent pro 1 Euro der ausstehenden Wohnimmobilienkredite verzeichnen.

Dadurch würde die aggregierte harte Kernkapitalquote bis zum Ende des Stresshorizonts um rund 0,6 bis 0,9 Prozentpunkte auf 14,5 Prozent bis 14,7 Prozent zurückgehen. Zwar läge die Quote auch dann weit oberhalb regulatorischer Mindestkapitalanforderungen, sodass die Institute im Aggregat ausreichend kapitalisiert wären. Für weitergehende Fragen der Finanzstabilität stellen die aktuellen Stresstestergebnisse jedoch eine Untergrenze der möglichen Auswirkungen dar. Daher lassen sich Risiken für die Finanzstabilität auf dieser Grundlage nur eingeschränkt beurteilen.

Die Stärken beider Modelle ergänzen sich

Stresstests sind einer erheblichen Modellund Schätzunsicherheit ausgesetzt und wesentlich vom Informationsgehalt und der Granularität der genutzten Daten abhängig. Die Stresstests unterscheiden sich hinsichtlich der Datengrundlage und der Modellierungsansätze. So ergänzen sich die beiden Ansätze und der Einfluss modellspezifischer Ungenauigkeiten wird abgemildert. Das erhöht die qualitative und quantitative Robustheit der Ergebnisse.

Die Grundidee beider Analysen ist gleich: Die erwarteten Verluste für die Banken werden berechnet, indem die Ausfallwahrscheinlichkeiten und die Verlustquote mit den ausstehenden Krediten multipliziert werden. Die Verlustquote beschreibt den Anteil der nicht durch Sicherheiten gedeckten Forderungen an den ausgefallenen Forderungen.

In beiden Studien werden dabei Ausfallwahrscheinlichkeit und Verlustquote abhängig vom Szenario modelliert: Die meisten Privatpersonen, die einen Wohnungsbaukredit aufgenommen haben, beziehen ihr Einkommen überwiegend aus Erwerbsarbeit. Daher hängt die Wahrscheinlichkeit des Kreditausfalls wesentlich vom Risiko der Arbeitslosigkeit ab. Die Verlustquote ist abhängig von der Höhe des ausstehenden Kreditbetrags und dem Wert der Immobilie, die als Sicherheit für die Bank dient.

In der ersten Studie wird für das Modell auf die Ergebnisse der Wohnimmobilienumfrage zurückgegriffen, die im Jahr 2017 erstmals Teil der Niedrigzinsumfrage von Bundesbank und BaFin war. Für diese Umfrage machten alle von der Bundesbank beaufsichtigten Banken detaillierte Angaben zu Ausfallwahrscheinlichkeiten und Beleihungsausläufen (das heißt dem Verhältnis des Darlehensbetrags zum Beleihungswert der Immobilie).

In der zweiten Studie werden dagegen Daten aus dem Meldewesen der Bundesbank genutzt. Diese sind weniger granular, aber regelmäßig verfügbar und decken einen längeren Zeitraum ab. Damit können sie die Risiken fortlaufend einschätzen.

Reduzierter Einfluss von Modellunsicherheiten

Bei Stresstests beziehen sich die Prognosen auf Ereignisse, deren Eintrittswahrscheinlichkeit gering ist. Es gibt nur wenige historische Beobachtungen, auf die man sich stützen könnte. Deshalb können Prognosen, die auf der Extrapolation historischer, beobachteter Zusammenhänge basieren, weniger belastbar sein.

Um dieser Problematik zu begegnen, wurde in Studie 1 ein Modellrahmen entwickelt, der die meist rein ökonometrische Komponente von Stresstestprognosen um eine modelltheoretische Komponente erweitert. Dazu wird bei der Modellierung der bankspezifischen Ausfallwahrscheinlichkeiten im Stressszenario zunächst eine Vielzahl unterschiedlicher Modellspezifikationen (anstelle einer einzigen Spezifikation) eines ökonometrischen Standardmodells geschätzt. Anschließend werden diese gefiltert, bevor sie zu einem Modell kombiniert werden.

So werden Spezifikationen, die zu verzerrten Schätzkoeffizienten führen (keine statistische Plausibilität) oder beispielsweise einen Rückgang der Ausfallwahrscheinlichkeit nach einem starken Anstieg der Arbeitslosenquote prognostizieren (keine ökonomische Plausibilität), nicht weiter im Stresstest berücksichtigt.

Zudem werden die Stressprognosen mit denen eines zweiten Kreditrisikomodells verglichen (Merton-Vasicek-Einfaktorenmodell), dessen Prognosen weniger auf historischen Korrelationen, sondern auf ökonomischen Zusammenhängen basieren. Spezifikationen, die gemessen am Vergleichsmodell unplausibel erscheinen, werden ausgefiltert.

Abbildung 1 zeigt einen Modellraum in Abhängigkeit von der Prognosegüte der Modellspezifikation und dem prognostizierten Anstieg der Ausfallwahrscheinlichkeit im Stressszenario. Bei hoher Prognosegüte weisen die Spezifikationen eine enorme Streuung auf (gelbe Punkte). Der Anstieg der Ausfallwahrscheinlichkeiten variiert von - 90 Prozent bis zu 1 000 Prozent. Durch das Herausfiltern von statistisch oder ökonomisch unplausiblen Spezifikationen reduziert sich die Anzahl der Spezifikationen von 10 000 auf 62 (dunkelrote Punkte) und die Prognosevarianz sinkt.

Nach dem Abgleich mit dem Vergleichsmodell verbleiben 18 Spezifikationen (orange Punkte), die einen Anstieg der Ausfallswahrscheinlichkeiten im Stressszenario zwischen 60 Prozent und 150 Prozent prognostizieren. Letztendlich führt der Anstieg der Ausfallwahrscheinlichkeit bei Wohnimmobilienkrediten bei gleichzeitigem Anstieg der Verlustquote (um rund 25 Prozentpunkte) und der risikogewichteten Aktiva (um zirka 1,5 Prozent) insgesamt zu einem Rückgang der harten Kernkapitalquote um 0,9 Prozentpunkte.

Jüngere Kredite mit höheren Verlustquoten

Neben der Ausfallwahrscheinlichkeit spielt die Verlustquote bei der Analyse des Kreditrisikos eine zentrale Rolle. Fällt ein Kredit aus, wird die als Sicherheit hinterlegte Immobilie verwertet. Liegt der Verkaufspreis unter dem Kreditbetrag, erleidet die Bank einen Verlust. Tilgungszahlungen reduzieren den ausstehenden Kreditbetrag und senken die Verlustquote, allerdings ändert sich auch der Wert der Immobilie. In wirtschaftlich guten Zeiten dürfte die Nachfrage nach Immobilien und damit der erzielbare Preis höher liegen und der Verlust bei Kreditausfall niedriger. In wirtschaftlich schlechten Zeiten dürften eher niedrige Preise erzielbar und die Verluste damit höher sein. Da sich Immobilienpreise in unterschiedlichen Gegenden anders entwickeln, wird die Verlustquote zudem von der regionalen Zusammensetzung der Kreditportfolios bestimmt. Im Stresstest der Studie 2 werden auch regionale Preisunterschiede auf Ebene der Landkreise berücksichtigt.

Darüber hinaus wird die Verlustquote in Abhängigkeit von der Kredit-Immobilienwert-Relation modelliert. Dieser Zusammenhang wird in Abbildung 2 dargestellt. Die vertikale Achse zeigt die Verlustquote für bestimmte Kreditjahrgänge und Kredite mit unterschiedlicher Kredit-Immobilienwert-Relation. Die errechnete potenzielle Verlustquote ist umso höher, je größer das Verhältnis zwischen dem ursprünglichen Kreditbetrag und dem Wert der Immobilie ist. Die größten Verluste entstehen bei den Krediten, die unmittelbar vor dem in den Stresstests angenommenen Preisverfall ab dem Jahr 2017 vergeben wurden, da der Wert der Sicherheiten in diesem Fall am stärksten sinkt. Je länger die Kreditvergabe zurückliegt und somit mehr getilgt wurde, umso stärker geht die Verlustquote zurück.

Die im Szenario 2 ermittelte Verlustquote würde im Schnitt um rund 22 Prozentpunkte über dem Niveau unter normalen Bedingungen liegen. Zusammen mit einem simulierten Anstieg der Ausfallwahrscheinlichkeit um rund zwei Prozentpunkte würde das zu einem Rückgang der harten Kernkapitalquote im Bankensystem um rund 0,6 Prozentpunkte führen.

Beruhigung, aber keine Entwarnung

Die Ergebnisse der Stresstests zeigen, dass deutsche Kreditinstitute ausreichend kapitalisiert sind, um einem Rückgang der Immobilienpreise um 30 Prozent standzuhalten. Die Ähnlichkeit der Ergebnisse beider Tests trotz unterschiedlicher Daten und Modellierungen spricht dafür, dass der Befund nicht durch Daten oder Modellrahmen verzerrt ist. Allerdings erfassen die Stresstests nur den isolierten Effekt auf die Portfolios von Wohnimmobilienkrediten.

Aufgrund möglicher Ansteckungseffekte zwischen Kreditportfolios und Instituten, die in diesen Stresstests nicht berücksichtigt werden, können die unterstellten makroökonomischen Schocks stärkere Auswirkungen haben. Somit würden die prognostizierten Stresseffekte zwar die Solvenz der Einzelinstitute nicht gefährden, könnten aber dennoch die Funktionalität des Bankensystems als Ganzes beeinträchtigen. Insofern geben die Stresstestergebnisse aus Sicht der Finanzstabilität keine Entwarnung.

Literaturverzeichnis

Barasinska, Nataliya, Philipp Haenle, Anne Koban & Alexander Schmidt (2018). Stress testing the German mortgage market, Bundesbank Diskussionspapier (forthcoming)

Siemsen, Thomas & Johannes Vilsmeier (2017). A stress test framework for the German residential mortgage market - methodology and application, Bundesbank Discussion Paper No 37/2017

Fußnoten

1) Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Februar 2018

2) Eigene Berechnungen der Autoren auf Basis der Angaben in Verband deutscher Pfandbriefbanken (2017), Strukturen der Wohneigentumsfinanzierung 2017, Oktober 2017.

3) Deutsche Bundesbank (2018): Monatsbericht Februar 2018.

Die hier geäußerten Ansichten spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Deutschen Bundesbank oder des Eurosystems wider.

Dieser Beitrag basiert auf dem Research Brief, 19. Ausgabe vom Juni 2018.

DIE AUTORIN NATALIYA BARASINSKA Forschungsökonomin, Zentralbereich Finanzstabilität, Deutsche Bundesbank
DER AUTOR PHILIPP HAENLE Forschungsökonom, Zentralbereich Finanzstabilität, Deutsche Bundesbank
DER AUTOR THOMAS SIEMSEN Forschungsökonom, Zentralbereich Banken und Finanzaufsicht, Deutsche Bundesbank

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