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Immobilieninvestoren suchen die richtige Balance zwischen Rendite und Risiko

Abbildung 1: Wichtigkeit von Rendite, Sicherheit und Liquidität bei Investitionsentscheidungen - Rang 1 (Angaben in Prozent) Quelle: Union Investment

Der Kapitalmarkt spielt nach Auffassung des Autors eine immer größere Rolle für europäische Immobilieninvestoren. Die Immobilien-Investitionsklimastudie von Union Investment, die im Folgenden ausführlich vorgestellt wird, bringt die Haupterkenntnis, dass die Akteure durch aktiveres Liquiditätsmanagement und das ständige Austarieren zwischen Renditeverzicht und mehr Risikobereitschaft das Dilemma der hohen Nachfrage nach Immobilienprodukten und der Herausforderung des Liquiditätsmanagements lösen können. Es gebe eine Tendenz in Richtung vorsichtige Risikobereitschaft. Der Schwenk Richtung Renditeorientierung falle laut der Untersuchung in Frankreich besonders stark aus. Weitere Erkenntnis: In jedem vierten der befragten Unternehmen haben Liquiditätsrisiken in der Risikobetrachtung in den letzten drei Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen. Im Kern bliebe es allerdings weiterhin so, dass die Anlagestrategien der europäischen Immobilieninvestoren im Kern defensiv blieben. Besonders erschüttert sei das Vertrauen der britischen Marktakteure in die Branche. Red.

Die Spielräume für Immobilieninvestments in Europa verengen sich. Das Risiko einer Fehlallokation von Kapital nimmt im gleichen Maße zu wie frisches Geld ungebremst in die Immobilienmärkte hineinströmt. Investieren wird damit zu einem Balanceakt, bei dem der Kapitalmarkt immer mehr zu einem bestimmenden Faktor geworden ist. Durch aktiveres Liquiditätsmanagement und das ständige Austarieren zwischen Renditeverzicht und mehr Risikobereitschaft versuchen Immobilieninvestoren in Europa das Dilemma der hohen Nachfrage nach Immobilienprodukten und der Herausforderung des Liquiditätsmanagements zu lösen. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle, im halbjährlichen Turnus durchgeführte Immobilien-Investitionsklimastudie von Union Investment, für die diesmal 161 professionelle Immobilienanleger in Deutschland, Frankreich und Großbritannien repräsentativ befragt wurden.

Investments mit lukrativer Verzinsung bleiben in Europa rar gesät. Das Spiegelbild: 52 Prozent der befragten europäischen Immobilieninvestoren erwarten, dass sie in den kommenden drei Jahren ihre selbstgesteckten Renditeziele nicht erreichen werden - sie also mit anhaltend hohen beziehungsweise weiter steigenden Preisen und entsprechend niedrigen Renditen rechnen müssen. Und selbst auf Fünfjahressicht befürchtet jeder zweite Befragte, die erhoffte Verzinsung seiner Investments zu verfehlen. Der große Anlagedruck auf den Immobilienmärkten erhöht das Risiko der Fehlallokation von Kapital. Strategien werden also darauf auszurichten sein, die richtige Balance zu finden zwischen der in der Nullzinswelt erforderlichen Risikobereitschaft einerseits und der angesichts der Vielzahl bestehender Risiken gebotenen Vorsicht andererseits.

Vorsichtige Risikobereitschaft bei Investoren

Die Studie von Union Investment belegt, dass Europas Immobilieninvestoren derzeit auf der Risikoseite nachjustieren. Das Pendel schlägt bei vielen Investorengruppen Richtung vorsichtige Risikobereitschaft aus. So nennen 60 Prozent der Investoren "Rendite" in der aktuellen Umfrage als wichtigstes Anlagemotiv, weit vor den Aspekten "Sicherheit" mit 29 Prozent und "Liquidität" mit neun Prozent. Dies bedeutet eine nochmalige und signifikante Steigerung im Vergleich zur vergangenen Befragung im Januar. Zu diesem Zeitpunkt gaben noch 55 Prozent an, Immobilieninvestments primär nach Renditegesichtspunkten zu beurteilen. Vor einem Jahr lag die Quote sogar nur bei 52 Prozent.

Die zunehmende Renditeorientierung ist ein durchgehendes Merkmal in allen drei Befragungsregionen, wobei weiterhin Abstufungen vorhanden sind. In Deutschland halten sich Rendite- und Sicherheitsorientierung mit jeweils rund 40 Prozent weiterhin die Waage, in UK ist die Ausrichtung auf Rendite am stärksten. 84 Prozent der britischen Investoren blicken bei ihrer Anlageentscheidung vorrangig auf den Aspekt Rendite. In Frankreich ist für jetzt 56 Prozent der Befragten Rendite der Dreh- und Angelpunkt bei Anlageentscheidungen. Mit einem Plus von acht Prozentpunkten fällt der Schwenk Richtung Renditeorientierung in Frankreich besonders stark aus.

Doch trotz gestiegener Renditeorientierung: Folgt man den Einschätzungen der interviewten Entscheidungsträger, bleiben die Anlagestrategien der europäischen Immobilieninvestoren im Kern noch defensiv. Ein zentrales Ergebnis der Union Investment-Studie: Nur etwa jedes dritte befragte Unternehmen (35 Prozent) ist bereit, aufgrund der schwierigeren Märkte bei Investitionen mehr Risiken einzugehen, um die ursprünglich kalkulierte Rendite zu erzielen. Vergleichsweise hoch ist diese Risikoaffinität bei französischen Investoren. Innerhalb dieser Befragtengruppe bildet "Gleiche Rendite - höheres Risiko" für 46 Prozent der Befragten eine Handlungsalternative; in UK und Deutschland sagen demgegenüber lediglich 32 beziehungsweise 28 Prozent, dass sie explizit höhere Risiken eingehen wollen, um zum Beispiel den Ertragsverlust aus sinkenden Ankaufsrenditen zu kompensieren.

Höhere Risikoaffinität nur in Frankreich

Die Mehrheit der insgesamt befragten Investoren (56 Prozent) ist nicht bereit, höhere Risiken einzugehen und nimmt dafür bei den selbst gesetzten oder vom Kunden vorgegebenen Renditezielen Abstriche in Kauf. Trotz der deutlich gestiegenen Renditeorientierung sind den Ankündigungen bislang noch wenig Taten gefolgt. Eine am Markt sichtbare Bewegung hin zu risikoreicheren Investments lässt in der Breite noch auf sich warten.

Die aktuelle Umfrage bestätigt darüber hinaus den gewachsenen Stellenwert, den liquiditätsbezogene Risiken heute bei Europas Immobilieninvestoren einnehmen. In jedem vierten der befragten Unternehmen haben Liquiditätsrisiken in der Risikobetrachtung in den letzten drei Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen. Dieser Umfragewert wurde nahezu identisch in allen drei Befragungsregionen ermittelt. Hierzu passt die Aussage von 42 Prozent der Befragten, dass dem Liquiditätsmanagement heute eine höhere Aufmerksamkeit gewidmet wird als dies noch vor drei Jahren der Fall war. Eine höhere Professionalisierung lässt sich daraus insbesondere für Frankreich ableiten, wo jeder zweite Befragte die in den letzten 36 Monaten gestiegene Bedeutung des Liquiditätsmanagements bestätigt. Beide Indikatoren weisen darauf hin, dass Liquiditätsmanagement Eingang in das Risikomanagement der Immobilieninvestoren gefunden hat und dort zunehmend in den Prozessen verankert wird.

Schon vor Brexit-Abstimmung Dämpfer

Ambivalent wie in der Frage, wie viel Risiko einzugehen ist, um angemessene Renditen zu erwirtschaften, zeigt sich auch die Entwicklung des Klimas für Immobilieninvestments in den drei größten europäischen Volkswirtschaften. Während sich der in Frankreich erhobene Klimaindex nach einer längeren Abschwungsphase zu stabilisieren scheint, weist die in Deutschland und Großbritannien gemessene Investorenstimmung mit Verlusten von 2,4 beziehungsweise 4,0 Punkten unerwartet starke Dämpfer auf. Die Befragung wurde Ende Juni kurz vor dem Brexit-Referendum in Großbritannien abgeschlossen.

Die Stimmung unter den britischen Investoren erreicht - abzulesen am nationalen Index mit aktuell 64,3 Punkten - damit bereits vor der "Brexit"-Entscheidung - den tiefsten Stand seit 2012. Erstmals seit 2010 fällt der Klimaindex in UK sogar hinter die Indizes in Deutschland (67,5 Punkte) und Frankreich (67,0 Punkte) zurück. Insgesamt verliert das Zutrauen der Investoren in ihre jeweiligen Immobilienmärkte also an Kraft. Die Stimmung wird durch vielfältige Unsicherheiten belastet, die in zunehmendem Maße von der Kapitalmarkseite geprägt sind. Die nächsten sechs Monate werden zeigen, ob der deutsche Klimaindex noch einmal durchstarten kann oder dieser weiter auf das niedrigere Niveau in Frankreich und UK einschwenkt.

Der Autor

Olaf Janßen Leiter Immobilienresearch, Union Investment Real Estate GmbH, Hamburg

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